Selbst die beste Künstliche Intelligenz dürfte Probleme haben, zwischen Science-Fiction und Realität zu unterscheiden. Heute wird Elon Musk in Texas den neuesten „Masterplan“ für den von ihm geführten Elektroautohersteller Tesla vorstellen.
Es ist bereits die dritte Erweiterung. In der ersten Version gelobte Musk, Elektroautos einzuführen und effiziente Solarenergie zu offerieren. Die zweite Folge versprach neben Solardächern und Ausbau der Elektroautoflotte außerdem autonomes Fahren und Robotaxis. Einiges davon ist Fiktion geblieben.
Trotzdem wagt Musk nun die dritte Version, „für die Menschen und das Leben auf der Erde“, nichts Geringeres als „eine Botschaft der Hoffnung, für eine positive Zukunft.“ In der die ganzen Initiativen von Musk aufgehen sollen, eine Vision, in der sein Auto- und Solarkonzern Tesla dank massentauglicher Fortbewegungsmittel zum wertvollsten Unternehmen des Planeten aufsteigt und dabei fossilen Brennstoffen den Garaus macht, der Stadtverkehr der Metropolen größtenteils unter die Erde wandert (Boring), die Menschheit ins All aufbricht (SpaceX), die manuelle Arbeit abgeschafft (Optimus), die menschliche Hirnkapazität mit Künstlicher Intelligenz erweitert wird (Neuralink) und alle Bewohner des Planeten direkt miteinander kommunizieren (Twitter).
Alles dirigiert von dem gebürtigen Südafrikaner, der gern mit dem Witz kokettiert, dass er nicht von dieser Welt ist. Eigentlich ein gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker, die verwirrt sind, weil Musk ihnen mit Twitter die perfekte Plattform offeriert. Und dass der Multi-Unternehmer sich in kein politisches Raster pressen lässt. Linke wie auch Rechte empören sich gleichermaßen über Musks Aus- und Einfälle und buhlen gleichzeitig um seine Aufmerksamkeit.
Fehlt nur noch Künstliche Intelligenz nach dem Geschmack von Musk. Eigentlich hatte Musk darauf gehofft, diese in einem gemeinnützigen Unternehmen namens OpenAI heranzüchten zu können. Im Dezember 2015 gegründet und neben Musk von Silicon Valley Illuminati wie Reid Hoffman und Peter Thiel sowie Tech-Konzernen wie Amazon und Infosys mit einem Startguthaben von einer Milliarde Dollar inklusive Rechenzeit auf Supercomputern gesponsort, sollte das San Francisco Startup eine Künstliche Intelligenz entwickeln, die das „Beste für die Menschheit“ im Sinn hat. OpenAI war als Gegengewicht zur Künstlichen Intelligenz gedacht, die in Tech-Konzernen wie Google, Facebook/Meta und Microsoft entwickelt wird und vom Design her darauf fixiert ist, deren Marktmacht zu sichern und zu erweitern.
Die Idee war, die besten Experten für maschinelles Lernen unter einem Dach zu versammeln, unter dem diese sich frei entfalten konnten. Schnell stellte sich heraus, dass man dafür noch weit mehr finanzielle Mittel benötigen würde, weshalb OpenAI bereits vier Jahre nach Gründung in ein gewinnorientiertes Unternehmen umgewandelt wurde, um Investoren wie Microsoft zu gewinnen und weitere teurere Talente anzulocken.
Um das Feigenblatt der Gemeinnützigkeit zu bewahren, einigten sich die OpenAI Investoren darauf, dass sie nur das 100-fache ihres Einsatzes verdienen konnten. Alles darüber hinaus würde in eine gemeinnützige Dachorganisation fließen. Damals rechnete man noch nicht damit, dass Microsoft Anfang 2023 weitere zehn Milliarden Dollar in OpenAI investieren sollte.
ChatGPT: Wie die KI funktioniert und welche Einsatzgebiete es gibt
OpenAI wurde 2015 als gemeinnützige Forschungs- und Entwicklungsorganisation vom Tesla- und Twitter-Chef Elon Musk sowie dem Technologie-Investor Sam Altman gegründet. Zu den Investoren zählt außerdem der PayPal-Mitgründer Peter Thiel. Im Jahr 2019 wurde ein gewinnorientierter Ableger gegründet, um externe Investitionen einzusammeln. Auch der Software-Konzern Microsoft sicherte sich Anteile an dem Unternehmen, dass bei der jüngsten Finanzierungsrunde Insidern zufolge mit 20 Milliarden Dollar bewertet wurde.
Musk verließ den Verwaltungsrat von OpenAI 2018, lobte ChatGPT auf Twitter allerdings als "erschreckend gut". Allerdings kündigte er später an, den Zugriff von OpenAI auf die Datenbank des Kurznachrichtendienstes vorerst zu sperren. Er habe gerade erst erfahren, dass OpenAI die Daten nutze, um die KI zu trainieren.
Mögliche Anwendungsbereiche für das Programm sind Digital-Marketing oder die Beantwortung von Kunden-Anfragen. Einige Nutzer habe ChatGPT sogar dafür genutzt, Software-Code auf Fehler zu prüfen.
OpenAI zufolge kann ChatGPT einen menschlichen Dialog simulieren, Nachfragen beantworten, Fehler eingestehen, falsche Annahmen revidieren und unangemessene Anfragen zurückweisen. Trainiert werde die Künstliche Intelligenz nach der Methode "Reinforcement Learning from Human Feedback (RLHF)". Dabei bewerten Menschen Schlussfolgerungen, die die Software zieht, um künftige Ergebnisse zu verbessern.
ChatGPT versucht Fragen von Nutzern zu verstehen und in einer schriftlichen Konversation so zu beantworten, wie es ein Mensch täte.
OpenAI hat eingeräumt, dass ChatGPT die Tendenz hat, „plausibel klingende, aber falsche oder sinnlose Antworten" zu liefern. Die Behebung dieses Problems sei schwierig. Außerdem können durch KI Vorurteile zu ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht oder Kultur weiterverbreitet werden. Auch Google und Amazon hatten mit ethisch fragwürdigen Entscheidungen ihrer jeweiligen KI-Projekte zu kämpfen. Bei anderen Unternehmen mussten Menschen eingreifen, um ein durch die Software verursachtes Chaos einzudämmen.
Zum Zeitpunkt der Umwandlung hatte Musk schon mit OpenAI gebrochen. Dem Unternehmer gefiel die neue Struktur nicht. Ebenfalls den Projekten, denen sich OpenAI hauptsächlich verschrieben hatte, mehr in Richtung Zusammenfassen, Aufbereiten und Generieren von Inhalten. Musk schwebten auch Innovationen wie ein Gehirn für humanoide Roboter vor.
Und es gab Interessenskonflikte mit Tesla, das selbst an maschinellem Lernen, etwa für autonomes Fahren arbeitet. „Wir konkurrierten um die gleichen Leute“, begründete Musk 2019 seinen Rückzug.
Seit sich OpenAI und Microsoft groß miteinander verbündet haben, ist Musk nur noch empört. „OpenAI wurde als quelloffenes (deshalb habe ich es „Open“ AI genannt), gemeinnütziges Unternehmen gegründet, um als Gegengewicht zu Google zu dienen, aber jetzt ist es ein Unternehmen mit geschlossenem Quellcode und maximaler Gewinnspanne geworden, das effektiv von Microsoft kontrolliert wird“, erregt sich Musk über Twitter. „Das war nicht meine Absicht.“
Weil er die Mittel und Anziehungskraft hat, will er nun aktiv gegen OpenAI opponieren, um der eigentlichen Mission wieder gerecht zu werden. Laut Informationen der Tech-Nachrichtenseite „The Information“ hat er dafür Igor Babuschkin gewonnen. Der Experte für Künstliche Intelligenz studierte von 2010 bis 2015 Physik an der TU Dortmund. Ursprünglich auf experimentelle Teilchenphysik spezialisiert, wandte er sich dem maschinellen Lernen zu und heuerte bei der AI-Firma DeepMind von Google in London an, für die er knapp vier Jahre arbeitete. Später wechselte Babuschkin für anderthalb Jahre zu OpenAI nach San Francisco und kehrte schließlich im April 2022 zu DeepMind zurück, mit Arbeitsort im Silicon Valley.
Babuschkin soll nun jene Rolle zukommen, die einst Greg Brockman bei OpenAI hatte, nämlich die besten Talente auszuwählen und anzuleiten. Als Köder soll dienen, dass ihnen mehr Freiheiten beim Entwickeln geboten werden.
Musk wirft den Modellen von OpenAI wie ChatGPT vor, dass diese eingeschränkt worden seien, um keinen Aufruhr wegen Verstößen gegen die Political Correctness zu schüren. Die Angst, dass Textgeneratoren Hitler huldigen und Feminismus verdammen – wie einst Microsofts kurzlebiger Chatbot Tay – hat dazu geführt, dass Google sich seit Jahren bei deren Einsatz zurückhält, um sein Image nicht zu gefährden.
Musk verspottet Limitationen als „woke AI“ und „geschlossenes AI“. Ihm schwebt eine „Basis-AI“ vor, die „die Wahrheit spricht“ und so ihre eingeschränkte Konkurrenz besiegen soll. Ob das überhaupt gelingen kann – nicht nur wegen der Definition von „Wahrheit“ – sondern auch wegen Vorgaben wie dem Gesetz über digitale Dienstleistungen der EU, das Hassrede und Desinformation mit empfindlichen Strafen ahndet, ist fraglich. Aber an Faktencheckern für Chatbots wird eifrig gearbeitet, DeepMind betreibt solch einen mit Sparrow bereits.
Für Babuschkin wird es kein einfacher Job. Denn der Wettbewerb um Experten für Künstliche Intelligenz ist härter denn ja. Nicht nur OpenAI stellt dank Geldspritze von Microsoft fleißig ein. Auch Mark Zuckerberg, der zuletzt vor allem aufs Metaversum setzte, will sich nun verstärkt der künstlichen Intelligenz widmen. „Wir schaffen eine neue Produktgruppe bei Meta, die sich auf generative Künstliche Intelligenz konzentriert“, kündigt Zuckerberg an. Sie soll die Teams zusammenführen, die bereits unternehmensweit an Künstlicher Intelligenz arbeiten. Zunächst will sich Zuckerberg darauf konzentrieren, mithilfe Künstlicher Intelligenz neue Funktionen für WhatsApp und Instagram zu schaffen, etwa Antworten vorzuschlagen oder Bilder kreativer zu verfremden.
Der Wettbewerb um die besten Köpfe im Bereich Künstliche Intelligenz geht also in eine neue heiße Phase. Das wird auch ein Test für Musk. Nämlich ob er trotz seiner Twitter-Eskapaden und gebrochenen Versprechen weiterhin das beherrscht, was er wie kein anderer kann:junge Talente für scheinbar unerreichbare Ziele zu begeistern und zu gewinnen.
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