Kennen Sie das Märchen vom Hasen und vom Igel? Das geht ungefähr so: Ein Hase und ein Igel machen einen Wettlauf. Für den Hasen eine klare Sache. Weil er längere Beine hat, wird er schon gewinnen, glaubt er. Doch der Igel ist schlauer und trickst den Hasen aus – der rennt so lange, bis er umfällt.
Dieses Schicksal könnte Marc Zuckerberg drohen. Sein Meta-Konzern ist über die vergangenen Jahre extrem gewachsen – die Beine des Hasen, wenn man so will, sind immer länger geworden. Von Ende 2019 bis Herbst 2022 hat er seine Mitarbeiterzahl auf knapp 88.000 beinahe verdoppelt.
Doch seit dem letzten Jahr setzen steigende Zinsen, schwächere Aussichten und der Krieg in der Ukraine Tech-Firmen immer weiter unter Druck. Bei Meta gab es schon im November Massenentlassungen – die ersten in der Branche nach Twitter. 11.000 Mitarbeiter mussten damals gehen, rund 13 Prozent der Belegschaft.
Nun geht es weiter: Zuckerberg entlässt über die kommenden Monate 10.000 Mitarbeiter, 5.000 offene Stellen sollen nicht besetzt werden. Für Meta, so schreibt es Zuckerberg in einer E-Mail an die Mitarbeiter, soll es das „Jahr der Effizienz“ werden.
Das ist auch dringend nötig: Über die vergangenen Jahre hat sich Zuckerberg mit wachsender Belegschaft in immer neue Projekte verstrickt. Sein größter Managementfehler ist die Wette aufs Metaverse. Die Sparte sorgte im vergangenen Jahr für einen operativen Verlust von 13,7 Milliarden Dollar.
Warum in der Tech-Branche Zehntausende Jobs wegfallen
Die Corona-Pandemie mit geschlossenen Geschäften brachte dem Online-Händler einen enormen Geschäftsschub. Entsprechend brauchte er mehr Leute. Die Beschäftigtenzahl in Voll- und Teilzeit verdoppelte sich von 800.000 Ende 2019 auf mehr als 1,6 Millionen Ende 2021. Inzwischen bestellen die Menschen wieder weniger, auch weil das Geld in Zeiten hoher Preise nicht mehr so locker sitzt. Schon vergangenes Jahr fielen Stellen weg, im Januar kündigte Amazon nun den Abbau von 18.000 Jobs an. Stark betroffen davon sind Büro-Arbeitsplätze.
Auch der Google-Mutterkonzern verdient sein Geld fast nur mit Online-Werbung und bekommt die Abkühlung im digitalen Werbemarkt zu spüren. Und auch Alphabet baute in der Pandemie die Belegschaft aus: Von rund 119.000 Mitarbeitern Ende 2019 auf fast 187.000 im September 2022. Zugleich hat Alphabet ebenfalls hohe Ausgaben: Die Gewinne von Google finanzieren Zukunftsprojekte wie Robotaxis der Firma Waymo oder Lieferdrohnen mit, die Milliarden verschlingen. Die Kürzungen trafen auch solche Bereiche.
In der Pandemie griffen viele kleine Unternehmen zu Werbung bei Facebook, um ihr Geschäft anzukurbeln. Meta verdiente gut und stellte auch kräftig ein. Ende 2019 hatte der Konzern 45.000 Mitarbeiter, drei Jahre später waren es mehr als 87.000. Dann kam im November der Abbau von 11.000 Jobs. Meta spürt die Zurückhaltung von Werbekunden, die stärker auf ihr Geld achten. Auch ist die App Tiktok ein starker Rivale im Kampf um Werbe-Dollar - und Apples Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre auf dem iPhone machten Anzeigen bei Facebook weniger effizient. Zugleich steckt Gründer Mark Zuckerberg viele Milliarden in die Entwicklung virtueller „Metaverse“-Welten.
Der Windows-Riese richtete sich in den vergangenen Jahren stark auf das Cloud-Geschäft mit Online-Diensten aus dem Netz – genau richtig für das vernetzte Arbeiten in der Corona-Pandemie. Auch bei Microsoft wuchsen die Mitarbeiter-Zahlen durch Zukäufe schnell: Zum Ende des vergangenen Geschäftsjahres Mitte 2022 hatte der Konzern rund 221.000 Beschäftigte nach 144.000 drei Jahre zuvor. Zuletzt bekam Microsoft Gegenwind in einem Traditions-Segment: Der Einbruch der PC-Verkäufe in einem gesättigten Markt ließ das Windows-Geschäft um 39 Prozent schrumpfen. Microsoft streicht 10.000 Jobs, will aber in Zukunftsbereichen mehr Leute einstellen.
Der drastische Aderlass beim Kurznachrichtendienst ist dabei ein Sonderfall. Tech-Milliardär Elon Musk behauptete als neuer Besitzer, dass Twitter zu viele Beschäftigte habe – und ließ kurzerhand die Hälfte der rund 7000 Mitarbeiter feuern. Unter Druck gingen auch weitere, so dass inzwischen laut Medienberichten nur noch etwa 1300 Beschäftigte übrig sein sollen. Musk muss Geld sparen: Er bürdete Twitter Milliardenschulden für die Übernahme auf, die nun bedient werden müssen – und die Werbeeinnahmen sollen wegen der Zurückhaltung von Anzeigenkunden um 40 Prozent eingebrochen sein.
Und spätestens seit OpenAI im November die Künstliche Intelligenz ChatGPT veröffentlichte – in die Meta-Konkurrent Microsoft Milliarden an Dollar pumpt – ist in der Tech-Szene eines klar: Das nächste große Ding, das ist nicht das Metaverse. Sondern Künstliche Intelligenz.
Nun ist es nicht so, als hätte Zuckerberg nicht erkannt, wie wichtig KI ist. Immerhin lobt er sich in seiner E-Mail an die Mitarbeiter für das „größte Einzelinvestment in fortgeschrittene KI“, die in jedes Produkt eingebaut wird. Doch sein Chatbot Galactica, den er zwei Wochen vor ChatGPT präsentierte, scheiterte so grandios, dass er ihn nach drei Tagen wieder offline nehmen musste.
Das Metaverse bleibe ebenfalls „von zentraler Bedeutung", sagt Zuckerberg. Und genau hier könnte sein Problem liegen: Das Jahr der Effizienz, schön und gut. Aber wenn er weiter Geld in Projekte wie das Metaverse pumpt, von dem Investoren schon lange nicht überzeugt sind, wird Effizienz schwierig. Da hilft es auch nichts, die Beine des Hasen zu kürzen. Denn der schlauere Igel – agile Start-ups wie OpenAI – wird ihn weiterhin austricksen.
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