Entwicklerkonferenz Apple bootet Intel aus

Apples Präsentation bei der Entwicklerkonferenz war optisch gelungen. Doch die Inhalte eher durchschnittlich. Apple-Chef Tim Cook hatte wenig wirklich neues zu verkünden. Quelle: dpa

Nach iPad und iPhone setzt Apple nun auch bei seinen Macs auf im eigenen Haus designte Prozessoren: „Apple Silicon“ statt „Intel inside“. So will sich Konzernchef Tim Cook noch stärker von herkömmlichen Personalcomputern absetzen und besser konkurrieren. Doch mit Bedacht geizt er noch mit Details.

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Im Silicon Valley, genauer in der Zeitzone des Hightech-Tals läuft derzeit eine der wichtigsten Entwicklermessen der Welt. Wegen den Covid-19 Beschränkungen ist Apples globale Entwicklerkonferenz WWDC in diesem Jahr rein virtuell, findet ausschließlich im Internet statt. So sieht die Zukunft der Konferenzen aus. Ganz ohne die sonst üblichen Menschenschlangen und den spontanen Applaus aus dem Publikum.

Am Montagvormittag kalifornischer Zeit zur traditionellen Auftaktrede setzten auch Apple-CEO Tim Cook und Software-Chef Craig Federighi neue Standards. Wie routinierte Showmaster führte das Duo durch eine aufwendig vorproduzierte Produktion, die Hollywood in punkto Choreographie und Handwerk in nichts nachstand, perfekt ausgeleuchtet, ohne Versprecher, gute Kameraeinstellungen, schnelle Schnitte und ideale Übergänge. Inklusive Spezialeffekten wie dem Eintauchen in ein „Geheimlabor“ für Apple-Chips, dass sich angeblich unter dem Springbrunnen in der Mitte des UFO-förmigen Apple Hauptquartiers befindet – in der Realität aber wahrscheinlich auf einem anderen Kontinent liegt. Insider tippen auf Israel.

Eine Art Spielfilm unter der Regie von Apple, ganz ohne holprige Videokonferenzen, kaum hörbaren Ton oder von unten gefilmten Konterfeis im Halbschatten, mit denen Telearbeiter derzeit oft gequält werden. Wie im Abspann zu erfahren war, wurden Abstand und Maskenpflicht penibel befolgt. Zumindest für die Leute hinter der Kamera. Cook und Federighi verzichteten auf Masken.

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Die Präsentation war optisch gelungen. Doch die Inhalte eher durchschnittlich. Hausmannskost, nichts Spektakuläres oder gänzlich Überraschendes. Das ab Herbst verfügbare iOS 14 sowie iPad OS 14 wird optisch aufgewertet und bekommt neue Funktionen. iPhones können dann auch als Autoschlüssel fungieren, den Start macht die neueste 5er Reihe von BMW.

Die vielen Apps auf dem iPhone werden nun übersichtlich und automatisch in einer „Bibliothek“ sortiert, geordnet nach Kategorien und wie häufig der Nutzer sie verwendet. Die Kartensoftware wird erweitert, sodass auch Fahrradrouten angezeigt werden. Außerdem sind dort nun auch Ladestationen für Elektroautos zu finden – sortiert danach, ob der Stecker passt und die Reichweite des Fahrzeugs ausreicht.

Wie schon Google und Microsoft offeriert jetzt auch Apple eine Übersetzungssoftware, die simultan dolmetscht. Zum Auftakt versteht sie elf Sprachen, darunter auch Deutsch. Zugleich verspricht Apple eine bessere Handschriftenerkennung und viele Erleichterungen bei Suchen auf dem jeweiligen Gerät und im Internet.

Die Apple Watch bekommt neue Funktionen, die die Güte des Schlafs messen und auf die Nachtruhe einstimmen. Außerdem kommt eine App, die zum richtigen Händewaschen ermuntert. Anhand von Sound und Armbewegungen ermittelt die Uhr, ob gerade die Hände gewaschen werden und gibt ein Signal, wann die dafür empfohlene Zeit erreicht ist. Man könnte auch einfach zwanzig Sekunden zählen oder zweimal den „Happy Birthday“ Song summen, aber Apples Hightech-Ansatz ist natürlich interessanter.

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Alles nette, optisch gut durchdachte und hilfreiche Verbesserungen, wie man sie von Apple erwartet. Wie gewohnt, strich Cook besonders heraus, dass bei Apples Produkten die Privatsphäre im Vordergrund steht. Was lokal auf dem Gerät durchgeführt werden kann, wie etwa das Übersetzen, geschieht auch dort.

Zumindest bei einer Sache war der Montag, wie Cook mehrfach betonte jedoch „ein historischer Tag“: Wie schon seit Jahren spekuliert, macht Apple nun tatsächlich einen radikalen Schritt und setzt bei seinen Macs nicht mehr auf die seit 2006 von Branchengigant Intel gelieferten Prozessoren, sondern auf hauseigene Chips auf Arm-Architektur.

Cook und auch Federighi nahmen nicht einmal den Namen des zum Softbank-Konzern gehörenden Unternehmens aus Großbritannien in den Mund, sondern sprachen lieber von „Apple Silicon“. Man kann das Arroganz nennen oder aber den konsequenten Plan, eine eigene Bezeichnung wie „Intel inside“ durchzusetzen.

Klar ist: Wie schon bei iPad und iPhone sollen künftig hauseigene Chips die Apple-Hardware befeuern. Der erste Mac mit „Apple Silicon“ statt „Intel inside“ soll Ende des Jahres verfügbar sein, der ganze Übergang zwei Jahre dauern. Dazu gehört auch das Anpassen der Programme, das laut Federighi für die Apple Applikationen bereits abgeschlossen ist. Auch das ab Herbst verfügbare neue Betriebssystem „Big Sur“ wird den Apple-Chip unterstützen.

Microsoft arbeitet bereits an einer entsprechenden Version seines Bürosoftwarepakets Office, Adobe an einer Variante für seine Kreativprogramme wie das Bildbearbeitungsprogramm Photoshop. Wie schon beim letzten Übergang vom PowerPC-Prozessor auf Intel anno 2006 werden die Programme beider Plattformen mehrere Jahre lang friedlich nebeneinander existieren. Wie lange das sein wird, ist noch unklar. Beim PowerPC waren es drei Jahre, bevor das neueste Betriebssystem nur noch für Intel-Prozessoren offeriert wurde. Allerdings wird es die Vorzüge nur für die „native“ Software geben. Was bedeutet, dass Macs mit Intel-Prozessor trotzdem schnell zum alten Eisen zählen.

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Damit nimmt Apple sein Schicksal noch stärker in eigene Hände. „Apple kann auf den hocheffizienten Prozessoren der A-Serie, die es für das iPhone und iPad entwickelt hat, aufbauen und die Vorteile der gemeinsamen Basis von MacOS und iOS nutzen“, unterstreicht Forrester Analyst Frank Gillett die Vorteile. Die Grenzen zwischen Smartphone und Notebook verschwimmen dann noch stärker. Denn Apps funktionieren dann auch auf herkömmlichen Computern.

Apple, so meinen Analysten von Bernstein Research, könnte durch die hauseigene Entwicklung rund zwei Milliarden Dollar im Jahr sparen. Für Apple ist das Portokasse. Wichtiger für den Konzern ist, dass es so seinen eigenen Fahrplan setzen, alles auf eine Plattform bringt und auch bei seinen Macs mit eigenen Innovationen bei der Hardware glänzen kann.

Entscheidend für Apple-Anleger ist, ob die Taktik dahinter aufgeht: Treue Mac-Käufer zum Upgrade ihrer Maschinen zu bewegen und neue Kunden zu gewinnen. Da gibt es noch einiges zu holen. Denn die traditionelle Computerwelt wird noch immer von Intel und Microsoft dominiert.
Cook und Federighi nannten am Montag erstaunlich wenig Details, vor allem mit welch neuen Funktionen, Stromspareffizienz und Leistungsfähigkeit sich die „Apple Silicon“-Macs vom schnöden Personalcomputer absetzen sollen. Laut Cook wird es demnächst sogar noch neue Macs mit Intel-Prozessor geben.
Der Apple-Chef muss vermeiden, dass seine Kunden die derzeitige Generation mit Intel-Chips meiden und so der Konzern auf seinen aktuellen Macs sitzen bleibt. Für das Apple-Duo Cook und Federighi ist es ein Balanceakt. Zum einen dürfen sie Kunden nicht verschrecken. Zum andern müssen sie externe Entwickler dazu motivieren, ihre Programme anzupassen. Laut Analyst Patrick Moorhead von Moor Insight & Strategy ist letzteres am Montag nicht gelungen. „Ich bin sehr enttäuscht, dass Apple nicht mehr technische Details offengelegt hat“ klagt Moorhead. „Bevor Entwickler einen Finger heben, sollten sie sich fragen, was sie für ihr Investment bekommen.“

Für Intel ist die Fahnenflucht seines prominenten Kunden ein schmerzvoller Prestigeverlust. Zwar hat sie sich der Silicon Valley Halbleitergigant selber zuzuschreiben. Aber vermeiden hätte er sie wahrscheinlich ohnehin nicht können.

Der Rollentausch bei Apple und Intel

Apple kontrolliert am liebsten alles selbst. Und wahrscheinlich würde Cook sogar eine eigene Chip-Produktion aufsetzen, wenn sich diese rechnet. Schon seit zwölf Jahren gibt es die Gerüchte, dass Apple seine Chipentwicklung stärker in die eigene Hand nehmen will. Damals, im Sommer 2008 hatte der Konzern für 278 Millionen Dollar den Chipspezialisten P.A. Semi gekauft. Als der damalige Apple-Chef Steve Jobs anderthalb Jahre später stolz das erste iPad präsentierte, wurde klar, warum. In Apples Tablet-Computer tickte der A4, ein selbst entwickelter Prozessor auf Arm-Architektur. Ab dem iPhone 4 kam der hauseigene Prozessor dann auch in Apples-Smartphone Reihe zum Einsatz und löste das Design von Samsung ab. Die Südkoreaner fertigten die Prozessoren weiterhin, doch nun nach den Blaupausen der Apple-Ingenieure. Apple war nun nicht mehr von Außenstehenden abhängig und konnte nicht nur der Software, sondern auch bei Hardware besser seine Produkte abstimmen und planen.

Dass Arm sich bei den Smartphones durchsetzen und dominieren konnte, liegt an Versäumnissen von Intel. Der Halbleitergigant konnte bei seinen Mobilprozessoren der Konkurrenz von Arm beim Stromverbrauch nicht das Wasser reichen. Für das im Januar 2007 vorgestellte, allererste iPhone entschied sich Jobs deshalb für die Architektur der Briten. Intel bekam als Trostpflaster die Mac-Computer und Notebooks von Apple und löste in ihnen den PowerPC-Chip ab.
Der damalige Intel-Chef Paul Otellini demonstrierte seine Dankbarkeit, als er im Januar 2006 bei der Präsentation der ersten Macs mit Intel-Prozessor schwitzend an der Seite von Jobs auf der Bühne stand: Jobs locker und luftig in seinem typischen schwarzen Turtleneck und Jeans, Otellini in einem schweren weißen Reinraumanzug mit blauem Intel-Logo. Es war ein Entgegenkommen. Denn der Gigant war damals Intel, Apple nur ein renommierter, aber vom Umsatz her kleiner Kunde. Heute ist Apple mehr als 1,5 Billionen Dollar wert, sechsmal mehr als Intel.

Jahrelang profitierten beide Silicon-Valley-Konzerne von der Partnerschaft. Doch Intel ist aus dem Takt geraten. Während die Apple-Ingenieure regelmäßig die Leistungsfähigkeit ihres Smartphone- und Tablet-Prozessor erhöhen – inzwischen tickt der A13 in der neusten Generation der iPhones und iPads – ist Intel bei seinen PC-Prozessoren ins Hintertreffen gekommen.

Das liegt vor allem an der Umstellung auf eine Fertigungstechnologie mit noch winzigeren Strukturen, wo Intel lange mit Problemen kämpfte und dort deshalb mindestens ein Jahr gegenüber der Konkurrenz zurückliegt. Weil zugleich der Bedarf für Prozessoren für Datenzentren mächtig zulegte, fokussierte Intel zudem seine Ressourcen auf dieses wesentlich lukrativere Geschäft, das es dominiert. Apple fühlte sich vernachlässigt. 


Nun kann Apple, wie einst beim iPhone und iPad, seinen Fahrplan wieder selbst bestimmen. Die Arm-Chips reichten bei der Leistungsfähigkeit in der Vergangenheit nicht an die modernsten PC-Prozessoren heran. Doch gerade bei Notebooks, die fürs Arbeiten von unterwegs genutzt werden, ist Stromsparen wichtiger als Rechengeschwindigkeit. Wie eine gute Balance funktioniert, demonstriert Apple bei seinem iPad Pro, der leistungsfähiger als die Einstiegsvarianten seiner Macbooks ist und zugleich bei Akku-Laufzeit glänzt. Am Montag demonstrierte Federighi anhand von datenschweren Photoshop-Dateien und 3D-Animationen, dass „Apple Silicon“ „keinerlei Probleme mit den Rechenaufgaben hat“.

Hinzu kommt, dass Apples MacBooks, iPad und iPhones sich jetzt noch besser vermählen können, weil in ihnen die gleiche Prozessor-Architektur tickt. Apple, meint Forrester Analyst Gillett, könnte den PC damit dem Smartphone annähern, also ein Notebook offerieren, das ständig an, nicht extra hochgefahren werden muss und trotzdem den ganzen Tag durchhält. Intel versucht das auch, durch die sogenannte Intel-Hybrid-Architektur, die eine bessere Balance auf Stromeffizienz und Leistung bieten will und in dem neuen Lakefield-Mobilprozessor zum Einsatz kommt. Die Idee dahinter ist, dass bei Aufgaben, die keine große Leistungsfähigkeit benötigen, nur der Teil des Prozessors genutzt wird, der besonders auf Energieeffizienz getrimmt ist.

Intel verliert mit Apple zwar an Image. Doch finanziell ist es kein Schiffbruch. Apple verkauft rund zwanzig Millionen Macs im Jahr und hat bislang bei Intel dafür Prozessoren im Wert von drei bis vier Milliarden Dollar geordert. Das sind höchstens 5,5 Prozent von Intels Umsatz. Von Personalcomputern ohne Apple Logo werden laut dem Beratungsunternehmen Gartner jährlich etwa 240 Millionen Stück mehr verkauft. Gefährlich wird es für Intel nur, wenn das Beispiel Schule macht und ARM-Prozessoren sich auch im lukrativen Geschäft mit Datenzentren etablieren, wo ihr Anteil bislang winzig ist. Das würde Intel richtig weh tun. Apple bleibt zudem dennoch Intel-Kunde: Die Datenzentren des Konzerns und das dahinterstehende wachsende Geschäft Apples mit Online-Diensten werden weiterhin mit Intel-Prozessoren betrieben.

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