Entwicklerkonferenz Apple bootet Intel aus

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Der Rollentausch bei Apple und Intel

Apple kontrolliert am liebsten alles selbst. Und wahrscheinlich würde Cook sogar eine eigene Chip-Produktion aufsetzen, wenn sich diese rechnet. Schon seit zwölf Jahren gibt es die Gerüchte, dass Apple seine Chipentwicklung stärker in die eigene Hand nehmen will. Damals, im Sommer 2008 hatte der Konzern für 278 Millionen Dollar den Chipspezialisten P.A. Semi gekauft. Als der damalige Apple-Chef Steve Jobs anderthalb Jahre später stolz das erste iPad präsentierte, wurde klar, warum. In Apples Tablet-Computer tickte der A4, ein selbst entwickelter Prozessor auf Arm-Architektur. Ab dem iPhone 4 kam der hauseigene Prozessor dann auch in Apples-Smartphone Reihe zum Einsatz und löste das Design von Samsung ab. Die Südkoreaner fertigten die Prozessoren weiterhin, doch nun nach den Blaupausen der Apple-Ingenieure. Apple war nun nicht mehr von Außenstehenden abhängig und konnte nicht nur der Software, sondern auch bei Hardware besser seine Produkte abstimmen und planen.

Dass Arm sich bei den Smartphones durchsetzen und dominieren konnte, liegt an Versäumnissen von Intel. Der Halbleitergigant konnte bei seinen Mobilprozessoren der Konkurrenz von Arm beim Stromverbrauch nicht das Wasser reichen. Für das im Januar 2007 vorgestellte, allererste iPhone entschied sich Jobs deshalb für die Architektur der Briten. Intel bekam als Trostpflaster die Mac-Computer und Notebooks von Apple und löste in ihnen den PowerPC-Chip ab.
Der damalige Intel-Chef Paul Otellini demonstrierte seine Dankbarkeit, als er im Januar 2006 bei der Präsentation der ersten Macs mit Intel-Prozessor schwitzend an der Seite von Jobs auf der Bühne stand: Jobs locker und luftig in seinem typischen schwarzen Turtleneck und Jeans, Otellini in einem schweren weißen Reinraumanzug mit blauem Intel-Logo. Es war ein Entgegenkommen. Denn der Gigant war damals Intel, Apple nur ein renommierter, aber vom Umsatz her kleiner Kunde. Heute ist Apple mehr als 1,5 Billionen Dollar wert, sechsmal mehr als Intel.

Jahrelang profitierten beide Silicon-Valley-Konzerne von der Partnerschaft. Doch Intel ist aus dem Takt geraten. Während die Apple-Ingenieure regelmäßig die Leistungsfähigkeit ihres Smartphone- und Tablet-Prozessor erhöhen – inzwischen tickt der A13 in der neusten Generation der iPhones und iPads – ist Intel bei seinen PC-Prozessoren ins Hintertreffen gekommen.

Das liegt vor allem an der Umstellung auf eine Fertigungstechnologie mit noch winzigeren Strukturen, wo Intel lange mit Problemen kämpfte und dort deshalb mindestens ein Jahr gegenüber der Konkurrenz zurückliegt. Weil zugleich der Bedarf für Prozessoren für Datenzentren mächtig zulegte, fokussierte Intel zudem seine Ressourcen auf dieses wesentlich lukrativere Geschäft, das es dominiert. Apple fühlte sich vernachlässigt. 


Nun kann Apple, wie einst beim iPhone und iPad, seinen Fahrplan wieder selbst bestimmen. Die Arm-Chips reichten bei der Leistungsfähigkeit in der Vergangenheit nicht an die modernsten PC-Prozessoren heran. Doch gerade bei Notebooks, die fürs Arbeiten von unterwegs genutzt werden, ist Stromsparen wichtiger als Rechengeschwindigkeit. Wie eine gute Balance funktioniert, demonstriert Apple bei seinem iPad Pro, der leistungsfähiger als die Einstiegsvarianten seiner Macbooks ist und zugleich bei Akku-Laufzeit glänzt. Am Montag demonstrierte Federighi anhand von datenschweren Photoshop-Dateien und 3D-Animationen, dass „Apple Silicon“ „keinerlei Probleme mit den Rechenaufgaben hat“.

Hinzu kommt, dass Apples MacBooks, iPad und iPhones sich jetzt noch besser vermählen können, weil in ihnen die gleiche Prozessor-Architektur tickt. Apple, meint Forrester Analyst Gillett, könnte den PC damit dem Smartphone annähern, also ein Notebook offerieren, das ständig an, nicht extra hochgefahren werden muss und trotzdem den ganzen Tag durchhält. Intel versucht das auch, durch die sogenannte Intel-Hybrid-Architektur, die eine bessere Balance auf Stromeffizienz und Leistung bieten will und in dem neuen Lakefield-Mobilprozessor zum Einsatz kommt. Die Idee dahinter ist, dass bei Aufgaben, die keine große Leistungsfähigkeit benötigen, nur der Teil des Prozessors genutzt wird, der besonders auf Energieeffizienz getrimmt ist.

Intel verliert mit Apple zwar an Image. Doch finanziell ist es kein Schiffbruch. Apple verkauft rund zwanzig Millionen Macs im Jahr und hat bislang bei Intel dafür Prozessoren im Wert von drei bis vier Milliarden Dollar geordert. Das sind höchstens 5,5 Prozent von Intels Umsatz. Von Personalcomputern ohne Apple Logo werden laut dem Beratungsunternehmen Gartner jährlich etwa 240 Millionen Stück mehr verkauft. Gefährlich wird es für Intel nur, wenn das Beispiel Schule macht und ARM-Prozessoren sich auch im lukrativen Geschäft mit Datenzentren etablieren, wo ihr Anteil bislang winzig ist. Das würde Intel richtig weh tun. Apple bleibt zudem dennoch Intel-Kunde: Die Datenzentren des Konzerns und das dahinterstehende wachsende Geschäft Apples mit Online-Diensten werden weiterhin mit Intel-Prozessoren betrieben.

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Apple hält seine Entwicklerkonferenz WWDC dieses Jahr in einer spannungsgeladenen Zeit ab. Das Ringen um die Corona-App hat verdeutlicht erneut, wie groß die Marktmacht von Apple und Google ist. Wettbewerbshüter wollen diese bald beschneiden – auch zum Schutz von kleineren Entwicklern. Mehr dazu lesen Sie hier.

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