Entwicklerkonferenz WWDC Tim Cook will Facebook und Google kräftig die Suppe versalzen

Apple-Chef Tim Cook eröffnet die Online-Entwicklerkonferenz WWDC aus dem Apple Park. Quelle: dpa

Warum CEO Tim Cook Apple-Nutzern mehr Privatsphäre verheißt – und das eine Schlacht um Hardware und Preise auslösen könnte.

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Das „Keynote Bingo“ hat lange Tradition bei Apple. Mitarbeiter des kalifornischen Konzerns und seine loyalen Fans wetten, ob Floskeln wie „One more thing“ in der Präsentation auftauchen, eine Demo schiefläuft oder sich jemand verhaspelt. Letzteres ist in Zeiten von Covid unwahrscheinlich. Die Präsentation, mit der Apple-Chef Tim Cook am Montagvormittag kalifornischer Zeit die diesjährige Apple-Entwicklerkonferenz eröffnete, war vorab aufgezeichnet und wie immer perfekt choreographiert.

Mit Cook ließen sich diesmal wenig Punkte machen. Denn der Apple-Chef überließ weite Teile der Präsentation dem Star der Veranstaltung: Craig Federighi. Apples Softwarechef wird neben Operativchef Jeff Williams als möglicher Nachfolger von Cook gehandelt, sollte dieser nach nunmehr zehn Jahren als offizieller Apple-CEO die Stafette übergeben. Wenn, dann wird das freiwillig sein. Cook, der im November 60 Jahre alt wurde, sitzt fest im Sattel.

Drei Dinge stechen bei der diesjährigen Präsentation heraus:

Software über alles: Zwar steht bei der Entwicklerkonferenz getreu des Publikums generell die Software im Fokus. Doch diesmal war ihr die Auftaktpräsentation ganz exklusiv gewidmet. Hardware kam gar nicht vor. Im Vorfeld war über neue Mac Notebooks mit dem hauseigenen M1-Prozessor spekuliert worden. Apple stellt gerade seine gesamte Produktlinie auf „Apple Silicon“ um, was neues Potential für Entwickler schafft.

Das gar nichts an neuer „Apple Silicon“-Hardware auftauchte, hängt schlicht damit zusammen, dass der Konzern mit seinen Macs, iPads, Apple TVs und Apple Watches gleich vier große Betriebssystem-Linien unterhält.

Federighi und sein Team brauchten über anderthalb Stunden, um nur ansatzweise die vielen Neuerungen vorzustellen beziehungsweise einen Ausblick auf das kommende iOS 15 und das Mac Betriebssystem namens Monterey zu geben. Neue und verbesserte Funktionen sind wichtig, um Appetit auf Apples Hardware zu entfachen. Anleger können sich freuen. Mit dem neuen Prozessor, mit dem Apple ein großer Wurf gelungen ist, hat der Konzern derzeit die perfekte Kombination aus Hardware und Software, um seine Verkäufe im Herbst und zu Weihnachten anzukurbeln. Sand ins Getriebe könnten nur weitere Verwerfungen der Lieferkette streuen, wenn knappe Komponenten die Fertigung verzögern.

Datenschutz als Imageträger: Werbung ist eine Goldgrube fürs Silicon Valley. Facebook setzte damit im vergangenen Jahr 84 Milliarden Dollar um, Google gar 147 Milliarden Dollar. Bei Apple betragen die Einnahmen durch Werbung weniger als drei Milliarden Dollar. Bei der Größe des Konzerns also Portokasse. Gemessen am Verhältnis zwischen Umsatz und Gewinn ist Facebook sogar profitabler. Apple macht das Gros seines Umsatzes und Profits mit Hardware, Dienstleistungen und Abogebühren. Zwar hat kaum ein Konzern so einen engen Kontakt zu seinen Kunden wie Apple. Doch im Gegensatz zu Facebook und Google muss es kein Kapital aus dem Sammeln und Auswerten von deren Daten schlagen. Zwar ist das nicht in Stein gemeißelt. Doch hat Cook die Devise ausgeben, diese Sonderstellung auszuschlachten. O-Ton: „Privatsphäre ist ein Menschenrecht.“

Cook will zudem Facebook und Google kräftig die Suppe versalzen. Gegen heftigen Widerstand der Werbebranche hat Apple kürzlich bei iOS 14 die sogenannte App Tracking Transparency – kurz ATT – eingeführt. Nutzer von iPhone und iPads können entscheiden, ob ihr Nutzungsverhalten den Anbieter von Apps übermittelt wird oder nicht. Besonders Facebook fühlt sich davon bedroht.

Bei seiner Entwicklerkonferenz legt Apple unbeirrt nach. Nutzer von Apples E-Mail-Dienst können künftig verhindern, dass Absendern von Werbe-Mails die IP-Adresse des Empfängers übermittelt wird und wann dieser die Botschaft geöffnet hat. Außerdem können sie eine Wegwerf-E-Mail generieren, um anonym Nachrichten zu versenden.

Apples Safari Browser wird zudem die IP-Adresse verschleiern, damit die Aktivitäten des Nutzers nicht nachverfolgt werden können. Wem das nicht genug ist, der kann mit Cloud + einen Dienst nutzen, bei dem der Verkehr zusätzlich umgeleitet und anonymisiert wird. All das gibt es schon über Spezial-Anbieter. Apple bringt es nun unter die Massen.

Das könnte eine neue Schlacht unter den Tech-Giganten auslösen. Wer sein Geld vorrangig mit Werbung verdient und dazu in die Privatsphäre seiner Kunden eingreift, wird gezwungen sein, künftig mehr seiner Einnahmen an diese zurückzugeben. Entweder wie heute schon in Form von kostenlosen Dienstleistungen oder aber subventionierter Hardware.

Nachdem Amazon und Google bereits stark in eigene Hardware in Form von Tablets, Mobiltelefonen, Kopfhörern, Set Top-Boxen, Sportuhren und smarten Lautsprechern eingestiegen sind, um ihre Kunden stärker zu binden, muss Facebook nun stärker nachziehen. Eigentlich wollte Facebook-Chef Mark Zuckerberg mit virtueller Realität eine neue Plattform als Nachfolger des Smartphones schaffen. Da sich die Oculus-Verkäufe nicht wie gewünscht entwickeln, soll nun die erweiterte Realität mit einer Datenbrille den Durchbruch bringen. Das Problem ist nur, dass auch Apple an einem eigenen Produkt arbeitet. Und mit Sicherheit damit werben wird, dass die dadurch gewonnenen Daten gar nicht oder nur sehr sachte analysiert werden.

Festung App-Store: Apples App-Store ist die Sonne im Planetensystem des Konzerns. Je stärker sie durch attraktive Apps strahlt, umso besser lassen sich iPhones, iPads und Macs vermarkten. Für den Gefallen, den kreative Entwickler Apple damit tun, müssen sie bis zu 30 Prozent ihrer Umsätze abgeben. Apple sieht das anders: Der Platz an der Sonne ist für die meisten Entwickler kostenlos. Für die anderen treibt der Konzern den Umsatz ein und gibt mindestens siebzig Prozent davon wieder ab.

Bei der Keynote am Montag betonte Federighi, dass dadurch bislang 230 Milliarden Dollar an Entwickler ausgeschüttet worden wären. Dass trotzdem kein eitel Sonnenschein herrscht, weiß man nicht erst seit dem Prozess, den Epic Games angestrengt hat. Der Spielentwickler will sich nicht länger damit abfinden, dreißig Prozent seines Umsatzes an Apple abdrücken zu müssen. Und hat mit seiner Kampagne immerhin bewirkt, dass App-Entwickler, die unter einer Million Dollar im Jahr umsetzen, seit kurzem nur noch mit 15 Prozent zur Kasse gebeten werden. Beim Verfahren kam heraus, dass laut Umfragen über ein Drittel der App-Entwickler mit den Bedingungen des App-Stores unzufrieden sind. Apple kontert, dass es weit weniger wären.

Die Richterin im Epic Verfahren fand das trotzdem erstaunlich. Im Herbst wird sie ihr Urteil sprechen. Beobachter erwarten, dass Apple dazu verdonnert wird, seinen App-Store stärker zu öffnen. Und dass Apple dagegen sofort in Berufung geht. Das App-Store-Monopol ist derzeit Apples große Stärke, um seine Kunden in seinem Planetensystem zu halten, auch „walled garden“ genannt. Und zugleich seine Achillesferse, weil das Unternehmen Gefahr läuft, als Monopolist verurteilt und reguliert zu werden. Facebook-Gründer Zuckerberg wittert seine Chance, sich bei Apple zu revanchieren. Bis übernächstes Jahr will er Schöpfern von Inhalten und Diensten auf seiner Plattform gar nichts abnehmen.

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„Und falls wir danach eine Umsatzbeteiligung verlangen sollten, dann wird diese unter den 30 Prozent liegen, die Apple und andere verlangen“, gelobt Zuckerberg. Falls die Regulierer es nicht schaffen, kommt so vielleicht der Wettbewerb wieder ins Silicon Valley zurück.

Mehr zum Thema: In China sind zwei gewaltige, nahezu identische Rechenzentren entstanden, zeigen Satellitenbilder. Offenbar werden hier Daten von Apple-Nutzern gespeichert – auf die chinesische Behörden künftig Zugriff haben können.

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