Ericsson auf Sparkurs In Schweden droht das Ende einer Ära

Der weltgrößte Netzwerk-Ausrüster Ericsson verschärft seinen Sparkurs. Damit könnte im Jahr des 140. Firmenjubiläums die Produktion im heimatlichen Schweden zu Ende gehen. Die Gründe für den Niedergang.

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Sollte sich das Aus für die Produktion von Ericsson in Schweden bestätigen, würde damit eine Ära zu Ende gehen. Der Netzwerkausrüster produziert seit 1876 in Schweden. Quelle: dpa

Stockholm Eine schwedische Ära könnte bald zu Ende gehen: Nach Informationen der schwedischen Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ will der Telekommunikationsausrüster Ericsson nach mehr als 140 Jahren seine Produktion im Heimatland Schweden komplett einstellen. Dies gehe aus internen Papieren hervor, die der Zeitung vorliegen. Die Konzernleitung wollte die Angaben nicht kommentieren.

In einer schriftlichen Erklärung bestätigte das Unternehmen allerdings, dass das derzeitige Sparprogramm einen weltweiten Stellenabbau beinhalte. „Wir haben eine umfassende Produktion in Schweden, und sie ist davon nicht ausgenommen“, heißt es in der Erklärung. Auch Gewerkschaftsvertreter, die derzeit mit der Konzernleitung über das Sparprogramm verhandeln, wollten sich zu den Medienangaben nicht äußern. Insgesamt will Ericsson in den kommenden Jahren rund drei Milliarden Kronen (312,9 Millionen Euro) einsparen, wovon etwas mehr als die Hälfte auf Schweden entfällt.

Auch wenn offenbar noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden ist, befindet sich Ericsson seit Längerem in einem umfassenden Umstrukturierungsprozess. Dieser wurde notwendig, um sich dem rasanten Wandel in der Branche anzupassen. Schon vor einem Jahr hatte Ericsson 2200 seiner insgesamt 17.000 Stellen in Schweden gestrichen. Außerdem trennte sich der Konzern von rund 850 externen Beratern.

Waren damals von dem Arbeitsplatzabbau in erster Linie Mitarbeiter in den schwedischen Entwicklungs- und Forschungsabteilungen sowie im Vertrieb betroffen, soll es den Zeitungsinformationen zufolge jetzt um die Schließung der beiden letzten Ericsson-Produktionsstätten in Kumla und Borås gehen. Dort werden vor allem Netzwerk-Komponenten hergestellt. In beiden Werken sind etwa 3000 Mitarbeiter beschäftigt.

Der in diesem Sommer abgesetzte Ericsson-Chef Hans Vestberg hatte schon vor einem Jahr die harten Einschnitte mit einem notwendigen Umstellungsprozess begründet. „Unsere Branche verändert sich sehr schnell, weil die Hardware immer stärker durch Software ersetzt wird“, erklärte er damals dem Handelsblatt in Stockholm. Vestberg unterstrich die Notwendigkeit einer Veränderung. „Unternehmen wie Ericsson brauchen eine neue Denkweise“, sagte er.

Grund für die Neuausrichtung seines Konzerns sei die technische Entwicklung, die die Hardware, also die Mobilfunknetze mit Antennen, Routern und Basisstationen, immer stärker in den Hintergrund gerückt habe. „Vor zehn Jahren machte die Hardware bei uns rund 75 Prozent des Umsatzes aus, 25 Prozent waren Software. Heute stehen Software und Services für 66 Prozent, die Hardware für den Rest“, erklärte Vestberg.

Mittlerweile hat Jan Frykhammar übergangsweise die Konzernleitung übernommen, bis ein neuer Chef für den Konzern gefunden ist. Frykhammar will die von seinem Vorgänger eingeleiteten Umstrukturierungsmaßnahmen fortführen und hatte im Juli eine genaue Analyse angekündigt.

Der Grund für die schnelle Veränderung der gesamten Telekom-Branche ist die immer stärkere Vernetzung von ganz unterschiedlichen Geräten: Waren bisher die Telekom-Konzerne Ericssons Hauptkunden, kommen seit Kurzem auch Autohersteller, Transportunternehmen und Behörden hinzu. Reine Sprachtelefonie spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.


Huawei ist längst vorbeigezogen


Branchenexperten sehen deshalb die Branche an einem Wendepunkt. Haben die Telekom-Konzerne zunächst die Mobilfunk-Infrastruktur aufgebaut, müssen sie jetzt daran arbeiten, mit deren Hilfe Dienstleistungen anzubieten. Das könnten Cloud-Anwendungen sein, aber auch Inhalte wie Video und Fernsehen, meinen Analysten.

Und einige Erfolge bei der Neuausrichtung kann der Konzern bereits aufweisen: Mit dem Pkw-Hersteller Volvo hat Ericsson beispielsweise ein Unterhaltungs-, Navigations- und Service-System entwickelt, mit Philips intelligente Lampen und mit Behörden Verkehrsleitsysteme. „Mobiles Breitband und die Cloud sind die Infrastruktur des 21. Jahrhunderts“, sagte ein Ericsson-Manager dem Handelsblatt.

Neben der Neuorientierung sieht sich der schwedische Konzern seit einigen Jahren auch einem enormen Preisdruck vor allem durch chinesische Anbieter wie Huawei ausgesetzt. Um die Produktionskosten zu senken, hat Ericsson zwar bereits Teile der Fertigung ausgelagert, dennoch haben chinesische Anbieter weiterhin einen großen Kostenvorteil, unter dem auch Ericsson-Konkurrent Nokia leidet. Zusätzlich wurde das Geschäft von Ericsson zuletzt durch eine schwächere Nachfrage in Nordamerika belastet.

Nicht nur die schwierigeren Marktbedingungen machen Ericsson zu schaffen. Der Konzern sieht sich Korruptionsvorwürfen in Asien ausgesetzt. Außerdem hagelte es Kritik, weil sich das Topmanagement trotz schlechter Performance saftige Gehaltserhöhungen gönnte. Im Juli dieses Jahres zogen die Hauptaktionäre die Notbremse und entledigten Konzernchef Vestberg mit unmittelbarer Wirkung seines Amtes.

Ericsson beschäftigt weltweit rund 116.000 Mitarbeiter. Das Unternehmen wurde 1876 in Stockholm gegründet und stellte zunächst einfache Telefone her. Später konzentrierte man sich auf die Produktion von Telefonzentralen.

Mit dem Aufkommen der Mobiltelefone änderte Ericsson erneut den Fokus und begann mit der Produktion von Handys, zunächst allein, später gemeinsam mit Sony. Die Japaner übernahmen 2012 den 50-prozentigen Ericsson-Anteil. Schon sehr früh entwickelte Ericsson die Mobilfunktechnologie und wurde schnell zum weltweit größten Produzenten von Handynetzen. Mittlerweile ist allerdings Huawei aus China an den Schweden vorbeigezogen.

Der Konzernleitung in Kista bei Stockholm ist die Tragweite einer kompletten Produktionsauslagerung aus Schweden bewusst. In den von „Svenska Dagbladet“ zitierten internen Papieren heißt es: „Wir beenden eine 140-jährige Produktionsepoche, die den größten Stellenabbau in Schweden beinhaltet.“

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