Ericsson-Manager zu 5G „Keine massive Beflügelung des Geschäfts“

Montage eines 5G-Mobilfunkmastes Quelle: imago images

Die Deutsche Telekom führt dieser Tage 5G großflächig in Deutschland ein – diesen Erfolg feiert sie auch dank ihres Ausrüsters Ericsson. Fredrik Jejdling, beim schwedischen Konzern weltweit zuständig für Netzwerke, erwartet wegen der Coronakrise eine deutlich schnellere Adoption des neuen Standards. Die Fragezeichen rund um Huawei hingegen bringen kein deutliches Plus für Ericsson.

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WirtschaftsWoche: Schafft die Coronakrise schnelleres Wachstum für 5G?
Fredrik Jejdling: Die Krise wirft einen großen Fokus auf Mobilitätsnetzwerke und ihre Infrastruktur. Sie haben die Gesellschaft in diesen Zeiten außergewöhnlich gut gestützt. Klar, dass Menschen mehr auf Online-Dienste zurückgreifen, wenn sie nicht rausdürfen. Das Arbeiten von zu Hause steuerte sehr viel Kapazitäten in feste Netzwerke. Bei mobilen Netzwerken sehen wir einen Mix. Zwar sind die Leute nicht so oft in der Stadt, aber sie arbeiten intensiv aus ihren Häusern in den Vorstädten. Ob die Netzwerkbetreiber kurzfristig mehr in ihr Telekommunikationsrückgrat investieren, ist von Land zu Land sehr verschieden. Während des Lockdowns war es schwierig, zu den Antennenstationen zu kommen. In dieser außergewöhnlichen Lage haben wir unsere Prognose für 5G-Verträge beinahe verdoppelt: Wir erwarten, dass bis Ende des Jahres 190 Millionen Verträge weltweit abgeschlossen werden, auch wegen der schnell steigenden Nachfrage in China. Binnen fünf Jahren erwarten wir 2,8 Milliarden 5G-Verträge. Schon 2025 werden 5G-Netzwerke die Hälfte der mobilen Daten tragen.

Das meiste dieser Kapazität wird auf umfunktionierter 4G-Ausrüstung laufen, oder? Denn es gibt zwei Wege, 5G einzuführen – für die niedrigeren, langsameren Frequenzen reicht ein Software-Update, für das sehr leistungsstarke auf der 3,6-Gigahertz-Frequenz braucht es neue Hardware.
Das ist zu erwarten. Es sind neue Bandbreiten von Spektrum versteigert worden, und um die zu nutzen, braucht man neues Radio-Equipment. Die Radios, die die Mikrowellen funken, müssen für ein neues Spektrum neu angeschafft werden. Aber schon installiertes Equipment kann man mit einem Software-Update aktualisieren, so dass es auf einer existierenden Frequenz nicht nur für 4G, sondern auch für 5G zu nutzen ist. Will man aktiv auf einem Funkturm zwischen 4G und 5G hin- und herwechseln, läuft das ebenfalls über neue Software. Das heißt Dynamic Spectrum Sharing und funktioniert mit allem Equipment, das in einem Ericsson-Netzwerk seit 2015 installiert wurde.

Fredrik Jejdling ist Senior Vice President des Telekommunikationsausrüsters Ericsson und in dem schwedischen Konzern weltweit zuständig für Netzwerke. Quelle: PR

Sie verdienen also auch, wenn die Deutsche Telekom ihr 5G-Angebot wie geplant vor allem auf bestehenden Frequenzen ausbauen will?
Das hängt von den Verträgen ab. Typischerweise würde ein Kunde bei der Installation ein Softwarepaket kaufen. Und dann mit Zusatzverträgen die Software für die Upgrades kaufen.

Echte Hardware-Upgrades plant die Deutsche Telekom zunächst nur auf fünf Prozent ihrer Funktürme – insgesamt 1500 Stück. Ist das so schnell wie in anderen Ländern?
Es gibt Unterschiede. Oft werden zunächst in den Stadtlagen mit dichtem Verkehr neue Kapazitäten gebaut, weil hier das Datenvolumen am schnellsten wächst. In den USA etwa wurde 2018 5G auf 3,6 Gigahertz in den größten Großstädten gelauncht. Dann stellt man in ländlichen Gegenden mehr Kapazität im niedrigen Spektrum für 5G bereit. Unsere Kunden wollen ihr zusätzliches Spektrum vor allen an Verkehrsknotenpunkten einsetzen.

In der Schweiz wird aber die neue 5G-Bandbreite auch gerade in ländlichen Gegenden eingesetzt, wo die Haushalte noch kein Glasfaserkabel haben. Sie werden per 5G-Router, also per Funk mit Höchstgeschwindigkeiten ans Netz angeschlossen. Fixed Wireless Access ist das Stichwort.
Das ist eine sehr interessante Anwendung von 5G: Es ist nicht wirtschaftlich, Glasfaser zu jedem Haus zu verlegen. Statt die Glasfaser zu verlegen, funkt man den 5G-Service auf der letzten Meile direkt von den Türmen mit hoher Kapazität zu den Häusern.

Das Fixed Wireless Access Geschäft, wo 5G anstelle von Glasfaser tritt, soll jährlich Wachstumsraten von 25 Prozent erzielen?
In vielen Ländern veraltet das Kupfernetzwerk. Anstelle das mit DSL-Technologie zu modernisieren, überlegen viele, auf Fixed Wireless Access zu gehen. Deshalb erwarten wir so viel Wachstum.

Hat es sehr zu Ericssons Wachstum beigetragen, dass eine Wolke von Verdächtigungen über dem chinesischen Konkurrenten Huawei hängt?
Wir erkennen für uns keine massive Beflügelung des Geschäfts, um ehrlich zu sein. Ganz abgesehen von Huawei. Wir konzentrieren uns ganz auf das, was wir für unsere Kunden tun können. Schaut man zu sehr auf das, was anderen im Ökosystem passieren könnte, verliert man die Bodenhaftung. Wir arbeiten hart an unserer eigenen Technologie, um sicherzustellen, dass sie sich abhebt von der Konkurrenz. Ein Portfolio mit starken Innovationen ist der beste Weg, mit dem geopolitischen Unsicherheiten umzugehen. Wir waren auf vier Kontinenten der Welt die ersten mit 5G-Netzwerken – in Europa mit Swisscom. Insgesamt haben wir 93 Verträge und Vereinbarungen für 5G-Netze, 40 sind bereits live. Das bedeutet, dass wir seit dem Start von 5G jede zweite Woche ein Netz gelauncht haben.

Das Problem der Telekommunikationsbranche ist, dass das Datenvolumen so schnell wächst. Um mitzuhalten zu können, brauchen sie immer billigeres Equipment. Der Wettbewerb unter den Ausrüstern läuft doch über den Preis.
Wenn ein Spektrum wie in Deutschland über sechs Milliarden Dollar kostet, muss man sicherstellen, es optimal auszulasten. Durch diesen teuren Hahn muss so viel Wasser wie möglich fließen. Für unsere Kunden sind die Kosten für jedes Gigabyte pro Sekunde, das sie produzieren, im Wettbewerb entscheidend. Mit unserem Research erhöhen wir die Effizienz im Stromverbrauch für unsere Operatoren; Elektrizität ist ein großer Kostenpunkt. Wir arbeiten viel an Features, die Bandbreiten optimal auszulasten, um die Performance des Netzwerks zu optimieren. All das senkt die operativen Kosten. Deshalb ist die Forschung so entscheidend – hier arbeitet ein Viertel unserer Mitarbeiter.

Aber dabei sind Sie nicht immer der billigste Anbieter. Das ist Huawei.
Das ist nicht die ganze Geschichte. Es ist ein wettbewerbsintensives Umfeld. Seit 2017 haben wir unseren Marktanteil allein in Europa um sechs Prozentpunkte auf 32,5 Prozent im vergangenen Jahr ausgebaut. In den vergangenen zwei Jahren haben wir in einigen Märkten einen unserer Konkurrenten abgelöst. Das gelingt uns nur, weil wir die beste Technologie zum besten Preis anbieten.

Aber die amerikanischen Telekommunikationsunternehmen hatten extra Huawei eingeladen, um das Duopol zwischen Ericsson und Nokia aufzubrechen und Preise zu drücken. Lässt der Wettbewerb nach, seit über Huawei das große Fragezeichen hängt? Und seit Nokia technologisch zurückgefallen ist?
Egal, ob China dabei ist oder nicht, ist unser Markt sehr wettbewerbsintensiv. Das liegt am Marktdesign mit den Gebühren für das Spektrum, der Konsumentennachfrage und anderen Faktoren. Wir spüren nicht viel Unterschied in dem, was Unternehmen und Konsumenten für unseren Service zu zahlen bereit sind.

Also ist die Sorge vor einem Monopol unberechtigt?
Wir haben allein in Europa mit 6000 Ingenieuren dafür gesorgt, das beste Produkt zum günstigsten Preis anzubieten. Wenn Unternehmen wie die Deutsche Telekom oder Swisscom uns in offenen, transparenten Tendern auswählen, dann freut uns das.

Arbeiten Sie in Ihren Labors schon an der nächsten Technologischen Revolution – lassen Sie mich raten – 6G?
Natürlich! Das ist der logische nächste Schritt nach 5G. 6G beschäftigt sich mit sehr hohen Frequenzen – selbst ich möchte noch gar nicht richtig darüber nachdenken. 5G ist jetzt gerade erst hier und großartig. Wir haben noch gar nicht angefangen, das wirklich auszureizen. Unser Hauptaugenmerk ist, dass 5G ein Erfolg wird.

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Die USA wollen eine eigene 5G-Mobilfunkindustrie aufbauen und spielen eine Übernahme der europäischen Technologielieferanten Nokia oder Ericsson durch. Warum zwei Skandinavier aber etwas dagegen haben, lesen Sie hier.

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