Evan Spiegel sorgt für Ärger Indiens Aufstand gegen Snapchat

Snapchat-Gründer Evan Spiegel kämpft mit großen Problemen in Indien. Weil er sich abfällig über arme Länder geäußert haben soll, wird massiv zum Boykott der App aufgerufen. Die Folgen gehen weit über das Land hinaus.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Das von Evan Spiegel gegründete Unternehmen kam zuletzt nicht nur in Indien unter Druck: Quelle: dpa

Bangkok Snapchat gehört zu den wertvollsten Smartphone-Apps der Welt. Doch viele Inder haben für das Programm nur Verachtung übrig: „Die schlechteste App, die ich je benutzt habe“, kommentiert einer von ihnen auf Googles App-Plattform. Ein anderer schreibt: „Das ist eine dumme App für dumme Leute.“ Alle paar Minuten erscheint ein neuer Kommentar mit nur einem Stern – der schlechtesten Bewertung. Was die Nutzer stört, ist nicht die Software selbst, sondern ihr Erfinder: Evan Spiegel, der 26 Jahre alte Gründer des Technologie-Start-ups Snap, ist binnen weniger Tage zum Feindbild Tausender Inder aufgestiegen.

Grund für die Empörung sind angebliche abfällige Bemerkungen Spiegels über Indien, die er in einer Besprechung gemacht haben soll. Sie wurden durch die Klage des ehemaligen Snapchat-Managers Anthony Pompliano zum Thema, der 2015 bereits nach drei Wochen bei dem Start-up gefeuert wurde. Er wirft dem Unternehmen nun vor, ihn entlassen zu haben, weil er interne Missstände aufgedeckt habe.

Dazu gehört nach Angaben Pomplianos eine fragwürdige Einstellung des Top-Managements gegenüber armen Ländern. In seiner Klageschrift zitiert er Firmenchef Spiegel mit den Worten: „Diese App ist nur etwas für reiche Leute. Ich will nicht in armen Ländern wie Indien und Spanien expandieren.“

Spiegel weist die Darstellung zurück. „Das ist lächerlich“, heißt es bei der Pressestelle von Snap, das Anfang des Jahres bei einem Börsengang mit 28 Milliarden Dollar bewertet wurde. Selbstverständlich sei Snapchat – eine App zum Verschicken von Bildern, Videos und Textnachrichten – für jeden da und könne weltweit heruntergeladen werden. Das Dementi kam jedoch zu spät, um den öffentlichen Zorn in Indiens sozialen Medien zu stoppen.

„Wenn Inder noch ein wenig Selbstachtung haben, dann deinstallieren sie jetzt Snapchat und verpassen diesem arroganten, kopflosen Huhn einen Tritt“, schrieb der einflussreiche Twitter-Nutzer Gaurav Pradhan an seine 80.000 Follower, zu denen auch Premierminister Narendra Modi gehört.

Die Aufforderung wurde hundertfach geteilt und erzielte Wirkung: Das Schlagwort #UninstallSnapchat war unter indischen Twitter-Nutzern in den vergangenen Tagen einer der meistgenutzten Begriffe. Den Ärger zu spüren bekam Snapchat auch über die Grenzen des Subkontinents hinaus: Denn die schlechten Noten der verärgerten indischen Nutzer im Play Store von Google und in Apples App Store ließen die Gesamtbewertung des Dienstes deutlich absinken.


Verbreitete Armut trotz hohen Wachstums

Mit mehr als 300 Millionen Smartphone-Nutzern verfügt Indien inzwischen einen größeren Markt für mobile Internetdienste als die USA. Amerikanische Internetfirmen wie Facebook, Amazon und Uber investieren Milliardensummen in die aufstrebende Volkswirtschaft.

Trotz hoher Wachstumsraten hat das Land aber tatsächlich nach wie vor mit weit verbreiteter Armut zu kämpfen. Laut Weltbank leben 224 Millionen Inder unter der Armutsgrenze von 1,90 Dollar pro Tag. Snap-Gründer und Firmenchef Evan Spiegel lebt in einer anderen Welt: Das Vermögen des 26-Jährigen wird auf mehr als vier Milliarden US-Dollar geschätzt.

Spiegels Unternehmen kam zuletzt nicht nur in Indien unter Druck: Facebook verpasste seiner App Instagram Funktionen, die denen von Snapchat extrem ähneln und erreichte damit zuletzt eine deutlich größere Nutzerzahl als das Original. Der Kurs von Snap brach seit dem Börsengang um mehr als 18 Prozent ein. In Indien einen neuen Wachstumsmarkt zu erschließen, dürfte dem Unternehmen nun vorerst nicht gelingen.

Die Kontroverse weitete sich zu Beginn der Woche weiter aus: Eine Gruppe anonymer Hacker veröffentlichte eigenen Angaben zufolge 1,7 Millionen Nutzerdaten und begründete das mit der „Arroganz“ des Vorstandschefs.

Wütende Inder attackierten im Netz auch Spiegels Verlobte, das australische Model Miranda Kerr, die auf ihrer Instagram-Seite teils wüste Beschimpfungen zu hören bekam. Gänzlich Unbeteiligte wurden ebenfalls zum Opfer des indischen Shitstorms: Empörte Nutzer gingen auf das indische E-Commerce-Start-up Snapdeal los, das nur zufällig einen ähnlichen Namen trägt. Gründer Kunal Bahl schien überrascht: „Leute fordern uns zu einer Mitteilung auf, dass Snapdeal nichts mit Snapchat zu tun hat“, schrieb er auf Twitter und fügte hinzu: „Dass ich das jemals tun müsste, hätte ich als wohl als letztes erwartet.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%