Facebook-Chef Zuckerberg vor dem EU-Parlament Die falsche Dramaturgie

Facebook: Mark Zuckerberg wegen Datenskandal vor dem EU-Parlament Quelle: AP

Das EU-Parlament lädt Facebook-Chef Mark Zuckerberg zur Anhörung – redet dann aber lieber selbst. So vertun die Politiker eine ebenso seltene wie wertvolle Chance.

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Nach etwa 40 Minuten zitierte die Linke Gabriele Zimmer aus Goethes „Zauberlehrling“ - und lieferte damit den anschaulichsten Beweis, dass die europäischen Politiker am Dienstagabend eine enorme Chance vertan haben.

Mark Zuckerberg, Gründer und Chef des sozialen Netzwerkes Facebook, war nach Brüssel gekommen, um sich den Fragen des EU-Parlaments zu stellen. Er hatte sogar eingewilligt, dass die Anhörung eben nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet – sondern im Netz übertragen werden kann. Und viele schalteten ein.

In Zeiten, in denen die Welt ebenso wie die Wirtschaft immer unübersichtlicher wird und mehr und mehr Menschen daran zweifeln, dass Politiker diese überhaupt noch lenken können, hatten die EU-Politiker damit eine seltene Gelegenheit: Sie konnten ihren Wählern ebenso wie der ganzen Welt zeigen, dass Brüssel mehr ist als ein zerstrittener und viel zu lahmer Haufen. Dass ein Parlament die Sorgen seiner Bürger ernst nimmt – und den selbsternannten Herrscher über das Facebook-Reich dafür in die Mangel nimmt.

Leider haben sie diese Gelegenheit verstreichen lassen – und viele ihrer Bürger bitter enttäuscht.

Das Format der Anhörung von Mark Zuckerberg im Europaparlament hat die vielen harten Fragen verhallen lassen. Der Facebook-Chef beantwortete sie gesammelt – und wich so vielen kontroversen Problemen aus.

Dabei haben die Politiker durchaus die richtigen Fragen gestellt. Sie haben sich dabei als weitaus informierter und hartnäckiger erwiesen als ihre Kollegen in Washington, deren Fragen sich Zuckerberg im April gestellt hatte: Wird Facebook die Option anbieten, personalisierte Werbung voll und ganz auszuschalten? Ist es ein Medienunternehmen – oder wirklich eine neutrale Plattform? Sollte das Unternehmen, das derart viel Einfluss hat, nicht seinen Algorithmus offen legen? Warum ist die Zahl der Fake-Accounts gestiegen, wo Facebook doch beteuert, so viel dagegen zu tun? Und was macht das soziale Netzwerk, um seine Mitglieder nun, da die europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt, nicht in eine „Take it or leave it“-Situation zu bringen?

Es waren Fragen, die sich viele Bürger stellen – und denen Zuckerberg bei anderer Gelegenheit stets ausweicht. Allein: Es waren derart viele Fragen, dass kaum Zeit für Antworten blieb. Schlimmer noch: Viele Abgeordnete holten bei ihren Äußerungen derart weit aus, dass Zuckerberg sich damit begnügen konnte, reumütig drein zu blicken.

Gewiss, dass für die Anhörung lediglich eineinviertel Stunden angesetzt waren, machte die Sache nicht leichter. Ebenso wie die Tatsache, dass Parlamentspräsident Antonio Tajani Zuckerberg angeboten hatte, alle Fragen am Ende gesammelt zu beantworten. In den USA hatte sich der Facebook-Chef an zwei Tagen insgesamt zehn Stunden lang Fragen stellen müssen.

Aber dies hätte es gerade erforderlich gemacht, dass sich die Politiker zuvor über Parteigrenzen hinweg auf die wichtigsten Fragen einigen. Und vor allem: Dass sie das Monologisieren, die Selbstdarstellung und ja, natürlich auch das Zitat aus Goethes „Zauberlehrling“, bleiben lassen. So machten die meisten den Eindruck, dass sie sich lieber selbst reden hören – als Zuckerberg.

Der konnte sich schließlich die einfachsten Fragen raussuchen, ein paar allgemein gehaltene Antworten geben – und dann betonen, dass er mit Blick auf die davon eilende Zeit nun aber wirklich los müsse.

Der Grünen-Politiker Philippe Lamberts hakte dann doch noch einmal nach: Ein kurzes Ja oder ein Nein genüge auf die bereits gestellte Frage, ob Facebook seinen Mitgliedern die Option geben werde, Tracking und personalisierter Werbung in der Timeline zu widersprechen. Da wurde Zuckerberg zum ersten Mal richtig nervös – und entgegnete knapp: Er werde dafür sorgen, dass jemand dazu noch ein paar Infos nachtrage.

Das war der Moment, der erahnen ließ, was möglich gewesen wäre, wenn das EU-Parlament seine Chance genutzt hätte.

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