Facebook Die große Zuckerberg-Show

Bei der Anhörung im US-Kongress gelingt es dem Facebook-Chef, die Attacken seiner Kritiker zu parieren. Fünf Stunden lang wurde Zuckerberg befragt.

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San Francisco / Washington Die Verwandlung war beachtlich. Mit starrer Miene, dunklen Augenringen und leichenblass betrat Mark Zuckerberg am Nachmittag den Sitzungsaal 216 des Hart Senate Office Building in Washington. Den Rücken im blauen Anzug straff durchgedrückt, die hellblaue Krawatte eng gebunden, nahm der Facebook-Chef an seinem Tisch Platz und presste die Lippen zusammen und die Handgelenke auf die Tischplatte.

Regelrecht winzig erschien der 33-Jährige vor dem Pulk der dunklen Kameras, die ihn ebenso kritisch zu mustern schienen wie die Mitglieder der Senatsausschüsse für Handel und Justiz. Vor den Politikern und der Internetöffentlichkeit, die das Ereignis über den Livestream verfolgte, sollte der Facebook-Gründer zu den jüngsten Datenskandalen um Cambridge Analytica Stellung nehmen.

Doch was als Verhör begann, wurde schnell zur Bühne für die große Zuckerberg-Show. Im Verlauf der Marathon-Befragung von fünf Stunden beantwortete der Zeuge Zuckerberg die Fragen der Senatoren immer souveräner, die Aufklärung darüber verlangten, wie es zu dem illegalen Zugriff auf etwa 87 Millionen Facebook-Profile kommen konnte und wie das Netzwerk seine 2,2 Milliarden Nutzer und deren Privatsphäre künftig besser zu schützen beabsichtigt.

Auch wenn der Facebook-Chef zum Ärger einiger Senatoren vielen Fragen auswich, allzu oft darum bat, sein Team müsse konkretere Informationen nachreichen, erreichte Zuckerberg drei wichtige Strategieziele, die seine Firma bei der Anhörung verfolgte.

1. Facebook beschwichtigt seine Kritiker mit Entschuldigungen und zeigt sich reuig. Die Plattform habe „zu wenig“ getan habe, um zu verhindern, Werkzeug für Hassreden, Fake-News und Einflussnahme auf Wahlen und die Privatsphäre seiner Nutzer missbraucht werden konnten, räumt der Facebook-Chef ein. „Es war mein Fehler und es tut mir leid“, erklärt er. „Ich habe Facebook gestartet, ich führe es, und ich bin verantwortlich für das, was hier passiert.“

Zuckerberg will unterstreichen, dass er sich der Verantwortung bewusst ist, die ihm als Chef des weltgrößten Netzwerks zukommt. “Wir haben eine ganze Menge Fehler in der Geschichte der Firma gemacht“, erklärt Zuckerberg und wirbt um das Vertrauen der Nutzer. “Wir haben nun gelernt, dass wir eine proaktivere Rolle einnehmen müssen.“ Sein Konzern habe die Verantwortung, nicht nur eine Plattform und entsprechende Software-Werkzeuge bereit zu stellen, sondern auch, dass diese für die richtigen Zwecke genutzt würden.

Bislang zog sich Facebook stets auf den Standpunkt zurück, nur eine neutrale Plattform zu sein. Nun will Zuckerberg mehr Verantwortung für die Inhalte übernehmen, die über sie verbreitet werden. „Ich sehe mich verpflichtet, das richtig zu machen.“

2. Zuckerberg zeigt sich grundsätzlich offen für Regulationen. Das Netzwerk verpflichtet sich, in Zusammenarbeit mit dem Kongress Regeln zum besseren Schutz der Privatsphäre zu erarbeiten, selbst wenn sich dies negativ auf die eigenen Umsätze auswirken würde.
„Die Erwartungen an Internetfirmen steigen“, sagt Zuckerberg. Die Frage sei nicht, ob es Regulationen gibt, sondern wie sie aussehen. Auch finanzielle Strafen bei Verstößen schließt er nicht aus. „Wir freuen uns darauf, das zu diskutieren“.

Es ist ein Entgegenkommen, das die Regulierungswünsche mancher Kongressabgeordneter ausbremsen soll. Lange dachte kaum jemand in Washington an eine staatliche Regulierung von Facebook. Die Demokraten sahen in dem Sozialen Netzwerk vor allem einen Verbündeten, der ihnen bei der Umsetzung einer progressiven Agenda helfen könnte. Die Republikaner wiederum stehen Regulierungen grundsätzlich skeptisch gegenüber.

Doch die Skandale der vergangenen Wochen veränderten die Kalkulation. Facebook habe eine Verantwortung, persönliche Informationen zu schützen, forderte der demokratische Senator Bill Nelson aus Florida am Dienstag. „Unglücklicherweise glaube ich, dass die Firma daran gescheitert ist, das zu tun.“ Und der Politiker lässt eine unverhohlene Drohung folgen: „Wenn Facebook und andere Onlinefirmen diese Invasionen der Privatsphäre nicht reparieren werden oder können, dann müssen wir das tun.“

Schon vor der Anhörung erklärte Facebook, sich künftig dazu verpflichten zu wollen, die Geldgeber von politischer Werbung transparent zu gestalten. Nun unterstreicht es die gestiegene politische Sensibilität. „Ich bereue es zutiefst, dass wir nicht genug getan haben“, kommentiert Zuckerberg den Vorwurf, sein Netzwerk habe zu wenig gegen russische Wahlmanipulationen während des Präsidentschaftswahlkampfs getan. Er räumt auch ein, dass Facebook-Mitarbeiter von dem Regierungsberater Robert Mueller befragt worden seien, der eine Einflussnahme der Russen bei den Wahlen 2016 untersucht.

3. Zuckerberg zeigt, dass er zunehmend in die Rolle als Facebook-Chef hineinwächst. In der Vergangenheit reagierte der 33-Jährige oft pampig auf kritische Fragen. Kurz nach der US-Wahl 2016 meinte er erzürnt, es sei „verrückt“ anzunehmen, dass Fake-News bei Facebook einen Einfluss auf die US-Wahl gehabt hätten.

Nun inszeniert er sich – ausgezeichnet vorbereitet – als souveräner Firmenlenker. Es sei die „soziale Mission“ von Facebook, eine Gemeinschaft aufzubauen. „Solange ich Facebook führe, werden Werbekunden und App-Entwickler nie die Übermacht bekommen.“

Während der Anhörung liest er nicht ab, sondern spricht frei, fast ohne zu Stottern. Hin und wieder lässt er sich gar zu Witzen hinreißen. Es gelingt ihm sogar an den alten Gründer-Spirit zu appellieren, wenn er daran erinnert, wie er Facebook damals als Student in Harvard ins Leben rief.

Bei den Senatoren stieß die Facebook-Show auf geteiltes Echo. Der republikanische Senator Orrin Hatch verteidigte Facebooks Geschäftsmodell. Die Webseite sei gratis für die Nutzer und erziele seine Umsätze auf anderem Wege – eben durch Datensammelei und -Analyse. Der Demokrat John Kennedy aus Louisiana hingegen kritisierte: „Ich bin ein bisschen enttäuscht von der heutigen Anhörung“. Zuckerberg sei „sehr smart“ habe eine „außergewöhnliche Firma“ aufgebaut, doch die Utopie habe Flecken. Die Privatssphäre-Einstellungen im Netzwerk etwa seien „mies“, lang und unverständlich.

Die kalifornische Demokratin Kamala Harris, die lange eher als Verbündete der Tech-Industrie galt, zeigte sich ebenfalls enttäuscht von dem Auftritt. „In den letzten vier Stunden sind viele kritische Fragen gekommen, die Facebook nicht beantworten konnte.“

Am Mittwochmorgen geht die Befragung weiter. Dann wird sich Zuckerberg den Fragen des House Energy and Commerce Committee stellen.

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