Facebook-Entwicklerkonferenz Zuckerberg ruft den Neustart aus – und will mit VR und Dating punkten

Mark Zuckerberg gibt sich reumütig und will den Datenskandal hinter sich lassen. Dabei sollen neue Privatsphäre-Einstellungen und 3-D-Inhalte.

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Facebook: Mark Zuckerberg ruft den Neustart aus Quelle: AP

Menlo Park „Das war ein intensives Jahr”, ruft ein energetischer Mark Zuckerberg, als er um zehn Uhr Ortszeit die Bühne betritt. Gut gelaunt präsentiert sich der Facebook-Chef den über 4000 Teilnehmern von Facebooks Entwicklerkonferenz F8 in der Halle des San José Convention Center. Er wisse, die vergangenen Monate waren nicht einfach, erklärt der 33-Jährige im Hinblick auf den Datenskandal um Cambridge Analytica, den er als „riesigen Vertrauensverlust“ bezeichnet. „Wir müssen sicherstellen, dass dies nicht wieder geschieht.“

Doch an diesem Tag soll es um die Zukunft von Facebook gehen. Die meisten Entwickler hätten schließlich gute Motive, schmeichelt Zuckerberg seinem Publikum. Ganz anders eben als Alexander Kogan, der sich auf illegalem Wege die Daten von 87 Millionen Facebook-Fans erschlich und sie dann an die britische Datenfirma Cambridge Analytica weitergab. Doch das Netzwerk will auch zeigen, dass es aus der Vergangenheit gelernt hat.

Es stellt eine neue Funktion namens „Clear History” vor, die in den nächsten Monaten für alle Facebook-Mitglieder ausgerollt wird. Die Doppeldeutigkeit ist beabsichtigt. Mit der gleichnamigen Funktion löschen Internetnutzer ihre Browser-Historie, inklusive jener Cookies, die ihr Surfverhalten verfolgen und sammeln. Facebook zeigt seinen Fans künftig an, welche Apps und Webseiten von Drittanbietern auf ihre Informationen zugreifen und wie sie diese nutzen. Sie können die gehorteten Informationen nachträglich löschen oder unterbinden, dass Facebook die Daten speichert.

Für Facebook soll eine neue Zeitrechnung anbrechen. Statt lange über Datenschutz, Fake-News, Hass-Kommentare und Wahlmanipulation zu grübeln, verbreitet der Facebook-Chef gute Laune, scherzt, witzelt. Dem Publikum gefällt es. Immer wieder ertönt Gelächter. Etwa als auf der großen facebookblauen Leinwand ein Live-Video von der Zuckerberg-Anhörung vor dem US-Kongress in Washington erscheint. „Lass uns das nicht wieder machen”, kommentiert er das Bild.

Facebook zelebriert eine neue Verspieltheit und Unbekümmertheit. Darauf zielen neue Funktionen für Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) ab, die das Netzwerk ausrollt, aber auch eine neue Dating-Funktion. Alles soll bunter werden, die schnöde Realität überblendet mit schöneren virtuellen, erzeugt von Facebook und seinen Entwicklern. Und wie sich die digitale Zusatzinhalte geradezu magisch ins Sichtfeld des Nutzers schieben, sollen sie auch Facebooks unschöne Historie ein wenig überzuckern.

Die Keynote bestimmen luftige Themen. Über die neue Dating-Funktion können Facebook-Mitglieder im Netzwerk nach potentiellen Partnern suchen. Ihr Partnersuche-Profil läuft unabhängig vom üblichen Facebook-Account, es wird über ein kleines Herzsymbol im rechten Rand des Profils angesteuert. „Wir wollen, dass Facebook ein Ort wird, an dem ihr bedeutsame Beziehungen beginnt”, schwärmt Zuckerberg.

Anders als sonstige Aktivitäten seiner Nutzer spielt Facebook Informationen über die Partnersuche nicht im Newsfeed aus. Unterhalten können sich anbahnende Partner in einem eigenen Text-Fenster, ohne Fotos, aus Sicherheitsgründen wie Facebooks Produktchef Chris Cox erklärt. Erste Tests für das neue Feature sollen im laufenden Jahr beginnen.

Nebenher verschönern künftig AR-Inhalte alle Produkte des Imperiums. Entwickler können 3-D-Filter für Bilderdienst Instagram programmieren, darunter Gesichtsfilter oder poppige Schriften, und sie dann an Freunde weiterverschicken. Im Chat-Programm Messenger lassen sich Produkte in 3D darstellen. Als Beispiel zeigt Facebook einen Schuh von Hersteller Nike, der von einem virtuellen Podest in die Lüfte steigt.

Den Fans des Messaging-Dienst WhatsApp stehen künftig bunte Sticker in Regenbogenfarben zur Verfügung oder aber kleine grüne Saurier. Auf den Abschied von Co-Gründer Jan Koum, der nur einen Tag vor der F8 Abgang aus dem Facebook-Imperium verkündete, geht Zuckerberg nur sehr kurz ein. „Ich bin ihm sehr dankbar für die Arbeit, die er getan hat“, lobt er.

Auch in Virtual Reality investiert Facebook weiter. Das Netzwerk stellt Oculus Go vor, die erste Datenbrille, die unabhängig von einem Computer funktioniert. Das Headset kommt ab sofort für 199 Dollar (219 Euro) mit einem Speicherplatz von 32 GB in 23 Ländern den Handel. Für ein Gerät mit 64 GB verlangt Facebook 249 Dollar (270 Euro). Mit der Datenbrille sollen Besitzer Inhalte von mehr als 1000 Apps im Oculus Store aufrufen können.

Die virtuellen Welten werden künftig ebenfalls sozialer. Facebook-Nutzer können VR-Inhalte im Newsfeed teilen oder in die Facebook-Kamera herüberziehen und in ihre eigene Erfahrungswelt integrieren. In „Oculus Rooms“ verbringen VR-Fans virtuell Zeit mit ihren Freunden.

„Oculus Venues“ fungiert als Eintrittskarte zu Events wie Konzerten, Sport oder Comedy-Nächten. Beide neuen Funktionen starten später im Mai. Bei den Inhalten kooperiert Facebook unter anderem mit der Basketball-Liga NBA oder dem Medienunternehmen Lionsgate, „Oculus TV“ streamt TV-Inhalte von Netflix, Hulu oder Showtime.

Neben neuen Funktionen und Produkten suchte Zuckerberg auch den Schulterschluss mit der Entwickler-Gemeinschaft. Facebook hatte als Reaktion auf den Datenskandal um Cambridge Analytica den Zugriff von Drittanbietern auf seine Plattform beschränkt. Die Entscheidung will das Netzwerk nun erneut prüfen. Die Entwickler dürfte die Nachricht erleichtern.

„Ich denke nicht, dass Ihr genug ‚Danke‘ gehört habt”, wandte sich Ime Archibong, der Facebooks Produkt-Partnerschaften verantwortet, am Ende noch einmal an das Entwickler-Publikum. „Danke, danke, danke.” Facebook werde weiter in die guten Beziehung zu seinen Kunden und Programmierern investieren. Man habe doch gerade erst angefangen, die Welt zu programmieren, die man sich in Zukunft wünsche.

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