Facebook-Hauptversammlung „Diktator Zuckerberg“ kontrolliert sich selbst

Facebook-Chef Mark Zuckerberg Quelle: dpa

Auf seiner Hauptversammlung wurde „Diktator Zuckerberg“ kräftig abgewatscht. Doch wie die Politiker können auch seine Aktionäre nicht an seiner Machtfülle rütteln. Zumal der Aktienkurs auf Höhenflug ist.

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Was es bedeutet, wenn ein Konzernchef sein Unternehmen unangefochten kontrolliert, zeigt sich am Donnerstagabend deutscher Zeit bei der Hauptversammlung von Facebook im Silicon Valley. Es ist die erste Veranstaltung seit dem Cambridge Analytica Datenskandal und dem Auftritt von Firmenchef Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress und dem Europaparlament.

Wie schon von den Politikern muss der Facebook-Gründer auch hier eine Menge Kritik einstecken. Aktionärsvertreter rücken Zuckerberg wegen seiner Machtfülle in die Nähe von Wladimir Putin, bezichtigen ihn gar wegen laxen Umgangs mit Nutzerdaten der Verletzung von Menschenrechten und prangern ihn wegen fahrlässigen Minimierens von Steuern und damit verbundenen, potentiellen milliardenschweren Rückzahlungen an.

Zuckerberg wiederholt auch hier geduldig seine „Mea Culpa“-Strategie. Er räumt ein, die Gefahren seiner Plattform unterschätzt zu haben, nun jedoch Hetze und Propaganda einen Riegel vorschieben zu wollen. Er verwahrt sich gegen Vorwürfe, aus geschäftlichen Gründen gefälschte Nutzerprofile nicht schnell genug zu löschen. Denn Facebook wird auch an der Zahl seiner Nutzer gemessen. „Gefälschte Profile schaden uns“, kontert Zuckerberg. Und er beharrt darauf, dass eine generelle Verschlüsselung von Daten ein Rückschritt sei, „Bei privater Kommunikation wie bei WhatsApp ist sie sinnvoll“, räumt der Facebook-Chef ein. Doch wenn das Freigeben von Daten nützliche Angebote ermöglichen, argumentiert Zuckerberg, seien die meisten Nutzer damit einverstanden.

Doch genau wie die Politiker sind auch die Facebook-Aktionäre von Zuckerbergs Willensbekundungen abhängig. Sie können klagen, kritisieren und öffentlichkeitswirksam anprangern. Doch Macht über den einflussreichen Konzern haben sie nicht. Während die Politiker das über entsprechende Gesetze zumindest ändern können, sind den Facebook-Aktionären die Hände gebunden. Obwohl Zuckerberg nur noch etwa 17 Prozent der Facebook-Anteile gehören, kontrolliert er knapp 60 Prozent der Stimmrechte. Fast alle seine verbliebenen Facebook-Aktien verfügen über ein zehnfaches Stimmrecht. An Zuckerberg kommt niemand vorbei. Er kontrolliert sich selber. Und hat auch keinen Willen das zu ändern.

Eklat und Theaterdonner

Anträge, alle Aktien gleichzustellen, fallen deshalb auch auf der diesjährigen Hauptversammlung erwartungsgemäß durch. Zumindest gibt es wie schon auf der politischen Bühne reichlich Theater. Die Versammlung startet gleich zu Beginn mit einem Eklat, als eine Aktionärin außerhalb der Tagesordnung fordert, Firmenchef Zuckerberg nicht als Aufsichtsrat wiederzuwählen. Sicherheitsleute entfernen sie aus dem Saal. Nicht wegen ihres Ansinnens, sondern weil sie sich nicht damit abspeisen lassen will, sich in die Riege der vielen Fragesteller einzureihen.

„Völlig unangemessen“, erregt sich Natasha Lamb von Arjuna Capital. Aber die Anleger-Aktivistin kann sich genauso wenig mit ihrem Antrag zu größerer Transparenz bei dem sozialen Netzwerk durchsetzen wie Will Lana von Trillium Asset Management mit seinem Vorhaben, ein spezielles Komitee im Aufsichtsrat zu bilden, dass systematisch geschäftliche Risiken untersucht. Auch Aktionärs-Aktivist James McRitchies Theaterdonner, der Facebooks Machtstrukturen mit jenen einer Diktatur vergleicht und Zuckerberg auffordert, sich nicht an Putin zu orientieren, sondern freiwillig seine Macht zu begrenzen, bleibt am Ende nur Rhetorik.

„Wenn Privatsphäre ein Menschenrecht ist – wie vom Microsoft-Chef bekräftigt – dann ist Facebooks mangelhafter Umfang mit Nutzerdaten gleichbedeutend mit der Verletzung von Menschenrechten“, klagt Christine Jantz von Facebook-Investor Northstar Asset Management. Aber auch sie scheitert mit dem Antrag auf Abschaffen der Mehrfachstimmrechte.

Dafür werden alle von Facebook vorgeschlagenen Aufsichtsräte wiedergewählt, inklusive Zuckerberg natürlich. Einzig WhatsApp-Gründer Jan Koum, der Facebook kürzlich verlassen hat – angeblich im Streit um die richtige Strategie beim Schutz der Privatsphäre – hat seine Kandidatur zurückgezogen und scheidet aus.

Zumindest kann niemand Zuckerberg vorwerfen, die Mehrfachstimmrechte erfunden zu haben. Sie wurden im Silicon Valley zuerst von den Google-Gründern populär gemacht. Das Konzept schauten sich Larry Page und Sergey Brin wiederum von der Washington Post ab. Tatsächlich werden fast alle öffentlich notierten Medienkonzerne in den USA über Mehrfachstimmrechte kontrolliert, wie CBS, Comcast, Scripps oder News Corp. Bei der New York Times sind es durch die Ochs-Sulzberger Familie gar fast neunzig Prozent. Doch bei Facebook liegt die Macht nicht bei Familienstämmen, sondern in der Hand einer Person. Selbst bei Google müssen sich Page und Brin untereinander einigen.

Bislang wurde es als Vorteil gesehen, dass ein Gründer in der schnelllebigen Technologiebranche durchregieren kann, ohne erst lange seine Aktionäre überzeugen zu müssen. So konnte Zuckerberg sich unbürokratisch und schnell den Photoservice Instagram wie auch den Kurznachrichtendienst WhatsApp sichern, heute die wichtigsten Wachstumsmotoren seines Konzerns. Doch seit der Cambridge Analytica Krise und der Wahlpropaganda gibt es Zweifel an seiner Machtfülle. „Die Mängel der Struktur bei Facebook zeigen sich in derzeitigen Schlagzeilen“, argumentiert Lana von Trillium Asset Management.

Im Aktienkurs von Facebook schlägt sich die Sorge nicht nieder. Im Gegenteil: Sie steht mit einer Bewertung von 555 Milliarden Dollar knapp unter dem von Anfang Februar erreichten Höchststand – kurz bevor der Cambridge Analytica Skandal Wellen schlug.

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