Facebook-Konferenz Mark Zuckerberg ruft „Weiter so“

„We will keep building“, bekräftigt Mark Zuckerberg mehrfach in seiner Rede auf der Facebook-Entwicklerkonferenz. Quelle: AP

Facebook-Chef Mark Zuckerberg setzt ungeachtet aller Datenschutzskandale weiter auf die volle Vernetzung der Menschheit. Dabei soll unter anderem ein neuer Flirtdienst helfen. Weniger Datenschöpfung bedeutet das nicht. Im Gegenteil.

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Dienstagvormittag, kalifornischer Zeit in San Jose, der Metropole des Silicon Valley. Hinter der Bühne des Konferenzzentrums der Stadt macht sich Mark Zuckerberg warm. In der Halle vor ihm warten rund 5000 Gäste auf den Auftritt des Facebook-Chefs. Sie sind für die F8 ins Silicon Valley gekommen, der Entwicklerkonferenz des sozialen Netzwerks. Hier werden neue Funktionen und die Strategie für die nächsten Jahre vorgestellt.

Den Auftakt macht aber zunächst nicht Zuckerberg, sondern ein Video. Es ist eine Art professioneller Entschuldigungsfilm, produziert von hochbezahlten PR-Experten und Psychologen. Er handelt von den vielen guten Dingen hinter Facebook, dem Zusammenführen von Menschen, von der Gemeinschaft. „Warum bauen wir etwas?“, fragt eine angenehme weibliche Stimme, die beim Zuhören fast Trance auslöst. „Weil wir die Welt verändern wollen. Doch die Möglichkeit etwas zum Besseren verändern, birgt das Risiko in sich, es schlechter zu machen.“

Auf der Leinwand erscheinen jetzt Schlagzeilen von der Beeinflussung der US-Wahl durch russische Propaganda, von Problemen mit Daten, mit Computersicherheit. „Wir haben gelernt, wie wichtig es ist, Dinge richtig zu machen. Schwierige Probleme müssen gemeinsam gelöst werden“, beschwichtigt die Stimme. Nun tritt Zuckerberg unter dem Johlen der Entwickler auf die Bühne, wie immer in Jeans und enganliegendem Shirt, den Rücken durchgedrückt und die Augen weit aufgerissen im grellen Rampenlicht.

Wenn der Wirbel um Facebook, das Vertuschen des Cambridge-Analytica-Skandals, das Hinterfragen von Sinn und Zweck des sozialen Netzwerk, der Auftritt vor dem US-Kongress bei ihm Spuren hinterlassen haben, sind diese zumindest optisch nicht zu bemerken. „Was für ein angespanntes Jahr, obwohl es erst vier Monate sind“, versucht sich Zuckerberg in Humor, um sich dann nachdenklich zu geben: „Es ist wichtig, seinen Sinn für Optimismus zu erhalten.“ Dann spricht er davon, wie er vor rund anderthalb Jahrzehnten bemerkt habe, dass man im Internet zu allen möglichen Dingen Informationen finden kann, nur nicht zu Menschen. Das Verbinden von Menschen sei weiterhin der tiefere Sinn hinter Facebook und künftig werde man noch stärker darauf fokussieren.

Es gebe keine Garantie, dabei keine Fehler zu machen, fährt der Facebook-Chef fort. Dann spricht er davon, wie wichtig die Integrität von Wahlen sei, nicht nur in den USA, und dass Facebook seine politischen Anzeigenkunden nicht nur verpflichten wird, ihre Identität preiszugeben, sondern auch die Höhe der Ausgaben für die Kampagne. „Das ist ein höherer Standard als beim Fernsehen oder in den Printmedien angelegt wird“, kommt plötzlich wieder der alte, angriffslustige Zuckerberg hervor. Es reicht nicht aus, leistungsstarke Werkzeuge zu schaffen, wir müssen auch sicherstellen, dass sie für gute Dinge genutzt werden“, fordert der Facebook-Chef und nennt Beispiele für „gute Dinge“: Gut ist beispielsweise, dass Facebook weltweit Kampagnen für das Spenden von Blut organisiert. Dass es Menschen während Naturkatastrophen oder Terrorakten ermöglicht, ihren Familien, Freunden und Bekannten mitzuteilen, wenn sie in Sicherheit sind. Künftig soll diese Funktion noch ausgebaut werden, dass Betroffene sich untereinander austauschen können und mit Helfern koordinieren.

Persönlich stolz ist Zuckerberg darauf, wie viele Paare sich über Facebook kennengelernt haben. Damit das noch besser funktioniert, wird das soziale Netzwerk künftig eine Art Dating-Dienst anbieten. Wer auf Partnersuche ist, kann dafür ein gesondertes Flirt-Profil anlegen, ohne dafür seine gesamte Identität preisgeben zu müssen. Es ist vom persönlichen Facebook-Profil getrennt. Außerdem soll ein Algorithmus sicherstellen, dass keine Freunde und Bekannte für mögliche Dates vorgeschlagen werden. Was zugleich die Weltfremdheit der Technologen aus dem Silicon Valley zeigt. Denn viele Partnerschaften entstehen im Bekanntenkreis.

Damit jedoch das Abschirmen des Bekanntenkreis vom Flirt-Profil funktioniert, muss Facebook noch genauer die Listen von Freunden und Bekannten abgleichen, also noch enger in das Leben seiner Nutzer eindringen. Und wie will Zuckerberg verhindern, dass die neue Funktion „nicht zum Aufreißen“ missbraucht wird, wie er verspricht? Hat der Facebook-Chef wirklich aus den vergangenen Monaten gelernt, dass er ausgerechnet jetzt so einen Dienst ankündigt?

Schnell wird klar: Allen Entschuldigungen zum Trotz, Zuckerberg hat seinen Anspruch nicht aufgegeben, die Menschheit zu vernetzen. Und dabei unter der Flagge des „Guten“ eine Art paralleles Internet aufzubauen, in dem seine Nutzer alles finden, was sie zur Kommunikation brauchen – kontrolliert durch das allmächtige Netzwerk aus dem Silicon Valley. Das muss für seine zumindest auf dem Reißbrett besseren Welt nun nur noch das Böse abschalten – wie Russenpropaganda, Falschnachrichten und Betrügereien mit gefälschten Profilen. All dies wird gelingen, ist sich Zuckerberg sicher – dank der ordnenden Hand der Ingenieure hinter dem sozialen Netzwerk, assistiert von Künstlicher Intelligenz und natürlich den Nutzern selber, die ihre Profile noch besser organisieren, beispielsweise durch das Anlegen von Gruppen aller Jogging-Freunde oder Hundeliebhaber.

Zumindest ein Zugeständnis macht Facebook: Künftig soll es wie im Internet-Browser die Funktion geben, dass man seinen Surfverlauf löschen kann, also welche Facebook-Seiten man besucht hat und worauf geklickt wurde. Klar ist: Facebook wird sein Geschäftsmodell, die Daten seiner Nutzer zu vermarkten, nicht aufgeben. Dafür läuft es zu gut. Im vergangenen Quartal hat das soziale Netzwerk fünf Milliarden Dollar verdient - ein neuer Rekord. Mehr noch gibt der Wirbel um den Missbrauch der Daten durch Cambridge Analytica dem sozialen Netzwerk die Chance, die Daten seiner Nutzer künftig noch viel enger zu kontrollieren und mögliche Konkurrenten fernzuhalten. Facebook hält die Schlüssel zu seiner 2,2-Milliarden-Einwohner-zählenden Welt fest in der Hand. In der sich nach den Stürmen der vergangenen Monate nun die Wogen wieder glätten sollen. Ab sofort, so verspricht Zuckerberg unter dem Beifall seiner Entwickler, können wieder neue Apps zum Genehmigen eingereicht werden. Das war nach dem Cambridge Analytica Skandal gestoppt worden.

„We will keep building“, bekräftigt Zuckerberg mehrfach in seiner Rede. Flappsig übersetzt, heißt das: „Weiter so.“ Dafür liebt ihn die Wall Street.

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