Facebook-Managerin Sheryl Sandberg Die Vertrauensmaklerin

Auf der Fachmesse Dmexco wirbt Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg für die Mission Ihres Unternehmens. Auch wenn viele Werber das Geschäftsgebahren kritisieren: An dem Netzgiganten kommt keiner mehr vorbei.

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Die Geschäftsführerin von Facebook wirbt um das Vertrauen der Branche. Quelle: dpa

Köln Sie hat diese Mischung aus Zielstrebigkeit und zugewandter Freundlichkeit, die Sheryl Sandberg zum freundlichen Gesicht des Facebook-Konzerns macht. Als sie die Bühne betritt, ist der Jubel fast euphorisch. Dann wird es still in der Kongresshalle auf der Kölner Fachmesse Dmexco – die Facebook-Geschäftsführerin ergreift das Wort. Die Halle ist an der Belastungsgrenze – mehr als 2.000 Menschen sind gekommen. Wer nicht frühzeitig da war, kommt nicht mehr rein. Sie ist Zuckerbergs Außenministerin. Und die Branche weiß: Was Facebook tut und sagt, hat Gewicht. Fast keiner kommt an dem Netzwerk und seinen Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp mehr vorbei.

Jedes Jahr feiert sich die Werbe- und Marketingbranche in Köln ein bisschen selbst. Die Jahre kommen und gehen und so verändert sich auch die Branche: Klassische Werbeformen treten zurück, neue Technologien wie Augmented Reality oder künstliche Intelligenz kommen. Und auch die Werbeflächen verändern sich – das digitale Werbebudget weltweit wird mehrheitlich von zwei Konzernen bestimmt: Google und Facebook. Die größte Suchmaschine und das größte soziale Netzwerk der Welt sind unausweichlich für fast jede Branche geworden. Wer dort nicht auftaucht, existiert nicht.

Das wissen die beiden Quasi-Monopolisten und leisten sich ein Geschäftsgebaren, das bei Branchenvertretern mitunter zu Kritik führt. Die Rede ist von mangelnder Transparenz bei Reichweitenmessung und Zielgruppenbestimmung, aber auch von Markensicherheit in einer Zeit, in der immer die Gefahr bestehen könnte, dass die Werbeanzeige in der Nähe von Hass und Fake auftaucht. Sheryl Sandberg, die in dieser Woche gleich mehrere Auftritte in Deutschland absolviert, weiß um die ambivalente Einstellung der Branche gegenüber ihrem Unternehmen, die sich irgendwo zwischen Ärger und Abhängigkeit bewegt. Doch wahr ist auch: Genauso wie Unternehmen das Netzwerk brauchen, braucht es auch die Werbekunden. Schließlich macht Facebook fast den gesamten Umsatz mit Werbung.

Zu Beginn ihrer Rede sucht Sandberg Augenhöhe: Es sei eine herausfordernde Zeit für Menschen und Unternehmen überall auf der Welt. Man lebe in einer Zeit, in der sich die Kommunikationstechnologie so schnell verändere wie noch nie. Das schaffe Herausforderungen, aber auch Möglichkeiten. Es gäbe nicht die perfekte Antwort darauf. Sie bleibe Technologin und Optimistin – denn sie glaube daran, dass Technologie die Welt besser mache. Ein Zeichen an die Branche: Ja, wir verstehen euch. Wir sind hier, um diese Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Die Frage sei, wie man Wachstum entdecke. Wichtig sei eine Mission – alles müsse dieser folgen. Und dann wiederholt die Facebook-Managerin jenes Mantra, das auch Zuckerberg gerne aufsagt, wenn er über sein Netzwerk spricht: Facebooks Mission sei gewesen, Menschen miteinander zu verbinden und ihnen eine Stimme zu geben. Das sei nicht mehr genug: Nun ginge es darum, Menschen die Kraft zu geben, Gemeinschaft zu bauen und näher zusammen zu bringen. Sie zeichnet von Facebook das Bild einer Wohltätigkeitsorganisation, die es fast zufällig geschafft hat, jedes Quartal mehrere Milliarden Dollar an Gewinnen einzustreichen.

Sandberg erwähnt den Mittelstand: Selbst Jahrhunderte alte Winzer nutzten Facebook und generierten Gewinne dadurch. Das mache sie stolz, so Sandberg. Mittelstand und eine stolze Sandberg, spätestens jetzt liegt ihr das Publikum zu Füßen. Sie nennt weitere Erfolgsgeschichten aus Deutschland. Facebook, so nahbar.

Sandberg nimmt die Gemeinschaft wieder auf – Unternehmen würden diese schaffen. Überall: An Straßenecken, in Cafés und Geschäften. Und zeigt alte Bilder von Kölner Straßenszenen. Nun täten sie dies auch über ihre Webseiten und Apps. Facebook wolle es ihnen einfacher machen, diese Gemeinschaften zu bauen. Die Basis für jede Gemeinschaft sei Vertrauen – und genau das wisse Facebook.


Mahnendes Beispiel: MySpace

Vertrauen in Facebook, das fällt manchem schwer: Der Umgang mit Hasskommentaren, das Phänomen der Fake-News und die oft kritisierte mangelnde Transparenz in Bezug auf die Daten für Werbetreibende und Nutzer. Facebook nehme seine Verantwortung ernst, das Vertrauen von Menschen und Unternehmen zu verdienen und auszubauen. Facebook wolle zudem Unternehmen mehr Kontrolle darüber geben, wo sie Anzeigen präsentierten – vorher, während und nach Kampagnen. Daran würde man weiter arbeiten.

Auch auf den von ihrem Chef als „Megatrend“ bezeichneten Bereich Video geht Sandberg ein: Es sei eine neue Möglichkeit für Unternehmen, Geschichten zu erzählen und authentisch zu interagieren – mit der Gemeinschaft natürlich. Bewegtbild ist der Wachstumsmarkt für Facebook, bei der auch werbetreibende Unternehmen hellhörig werden dürften.

Neben der Einführung einer eigenen Videosparte mit den Namen „Watch“, soll Facebook auch mit Produktionsfirmen und Agenturen über die Herstellung eigener Inhalte verhandeln. Das soll ich auszahlen: Facebook will dafür Werbeunterbrechungen in Videos einführen. Die Maßnahme tut Not, schließlich kann das Netzwerk etablierte Anzeigenplätze wie beispielsweise den Newsfeed nicht unbegrenzt mit Werbung bespielen.

Facebook weiß um das Schicksal des einstigen Großkonkurrenten MySpace: Nach Übernahme durch den Medienunternehmer Rupert Murdoch stand die Monetarisierung im Vordergrund, was zu einer Überfrachtung mit Anzeigen führte. Einer der Gründe, warum die Plattform schließlich immer mehr Nutzer verlor und schließlich in der digitalen Bedeutungslosigkeit versank.

Videos sind nicht die einzige neue Form der Monetarisierung, die Facebook eingeführt hat. Für den Kurznachrichtendienst WhatsApp will der Konzern eine Gebühr erheben, wenn Unternehmen diesen für die Interaktion mit Kunden nutzen. Auch das ist ein Wachstumsmarkt: Allein die Technologie der Chatbots, den automatisierten Kundenbetreuern, dürfte diesen Kommunikationskanal für Unternehmen zu großer Bedeutung verhelfen. Auch hier hat Facebook ein Quasi-Monopol aufgebaut: Der Dienstes weltweit in fast allen Altersgruppen in weit verbreitet.

Wenn man zusammen arbeite, werde man die Herausforderungen meistern, sagt Sandberg zum Schluss. Man sei stolz mit allen zusammen zu arbeiten. Als sie die Bühne verlässt, brandet lauter Applaus auf. Für das Gesagte? Vielleicht aber auch dafür, einmal Sheryl Sandberg in Person erlebt zu haben.

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