Facebook Menschenrechtsaktivisten in Asien klagen Mark Zuckerberg an

Facebook gerät in Asien zunehmend unter Druck: Aktivisten werfen Mark Zuckerberg vor, autoritäre Regime zu stützen und zu wenig gegen Rassenhass zu tun.

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Facebook: In Asien wächst die Kritik an Mark Zuckerberg Quelle: Reuters

Bangkok Auf den Facebook-Seiten von Regimegegnern herrschte in Vietnam vergangene Woche Aktivisten zufolge eine erstaunliche Ruhe. Während sechs Menschenrechtler zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, blieben prominente Kritiker der kommunistischen Regierung in dem sozialen Netzwerk offenbar still – und zwar unfreiwillig, wie ein am Dienstag veröffentlichter offener Brief an Facebook-Chef Mark Zuckerberg behauptet.

Die Accounts der Kritiker seien während des aufsehenerregenden Prozesses suspendiert worden, heißt es in dem gemeinsamen Schreiben von mehreren Dutzend Menschenrechtlern und Bürgerjournalisten. Sie werfen Facebook vor, die Arbeit des Regimes zu übernehmen – und Meinungen von Dissidenten zu unterdrücken.

Öffentlich wurden die Anschuldigungen der Aktivisten wenige Stunden vor der Anhörung Zuckerbergs im US-Kongress. Sie zeigen, dass die Probleme von Facebook rund um den Globus weit über die jüngste Datenaffäre hinausgehen.

In Süd- und Südostasien – eine Region, die zu Facebooks am schnellsten wachsenden Märkten zählt – steht der Konzern wegen seiner politischen Rolle unter zunehmendem öffentlichen Druck. In Myanmar und Sri Lanka beschuldigen zivilgesellschaftliche Gruppen das Unternehmen, zu wenig gegen Rassenhass und die Anstachelung zur Gewalt auf seiner Plattform zu tun.

In Kambodscha nutzt mit Hun Sen ein zunehmend autoritärer Machthaber das soziale Netzwerk als Werbebühne. Und in Indien – das Land mit der weltweit größten Zahl an Facebook-Nutzern – denken Wirtschaftsgrößen angesichts der Skandale offen darüber nach, sich von Zuckerbergs Unternehmen zu einer Alternative abzuwenden.

Vereinte Nationen geben Facebook Mitschuld an ethnischer Säuberung

Besonders ernst wurden die Probleme vergangenen Herbst in Myanmar, als hunderttausende Angehörige der muslimischen Minderheit Rohingya nach einer Welle der Gewalt fluchtartig das Land verließen. Ein Bericht der Vereinten Nationen gab Facebook eine Mitverantwortung bei der mutmaßlichen ethnischen Säuberung. Der Konflikt sei auf der Plattform angestachelt worden – und Facebook habe zu wenig dagegen unternommen.

Vergangene Woche nannte Zuckerberg in einem Interview mit der US-Nachrichtenseite Vox Myanmar als Beispiel für Situationen, in denen Menschen versuchen würden, Facebook zu nutzen um echten Schaden anzurichten. Doch Facebooks Systeme hätten angeschlagen und hetzerische Nachrichten gestoppt.

Eine Gruppe von lokalen Nichtregierungsorganisationen wies diese Behauptung jedoch öffentlich zurück: Facebook habe mehrere Tage gebraucht um auf eine hetzerische Nachricht zu reagieren, die in der Zeit offenbar hunderttausendfach geteilt wurde: Muslime würden einen Dschihad für den 11. September vorbereiten, hieß es darin. „Die Armee hat bereits angeordnet, sich mit Waffen auszurüsten.“

Das falsche Gerücht habe zu echten gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt, schreiben die Organisationen, zu denen der Start-up-Förderer Phandeeyar gehört, an Zuckerberg. Sie betonen, dass nicht Facebooks System die Hassbotschaft erkannt habe, sondern dass sie selbst diejenigen waren, die das soziale Netzwerk auf das Problem hingewiesen hatten. Die aktuellen Vorkehrungen, die Facebook für solche Fälle hat, beschreiben sie als unzureichend.


Zuckerberg verspricht, die Probleme abzustellen

Zuckerberg antwortete in einer persönlichen E-Mail mit dem Versprechen, mehr Muttersprachler in Myanmar einzustellen, um Probleme künftig schneller zu erkennen. Myanmar, wo Facebook für einen großen Teil der Bevölkerung binnen weniger Jahre zur primären Nachrichtenquelle wurde, ist mit der Flut an Hassbotschaften aber nicht allein. Auch in Sri Lanka spielten anti-muslimische Facebook-Botschaften dieses Jahr Beobachtern zufolge eine entscheidende Rolle für das Zustandekommen gewalttätiger Ausschreitungen.

Während in den beiden Ländern Facebook seinen Kritikern zufolge zu wenig Einträge löscht, sind es in Vietnam laut den Aktivisten zu viele. Die Regierung in Hanoi geht seit Jahren mit großer Härte gegen oppositionelle Blogger vor. Facebook war für viele Dissidenten einer der wenigen Orte, an denen sie ihre Ansichten einer großen Gruppe zugänglich machen konnten. Doch seit einem Jahr würden die kritischen Posts immer öfter ohne Erklärungen gelöscht.

Die Aktivisten mutmaßen einen Zusammenhang mit einem Treffen von Facebook-Managerin Monika Bickert mit der vietnamesischen Regierung vor einem Jahr. Nach den Gesprächen hatte das Regime verkündet, künftig einen direkten Draht zu Facebook im Fall von Beschwerden zu haben. Wie eng die Zusammenarbeit mit der Regierung ist, verriet Facebook nicht. „Wir finden den Mangel an Transparenz besorgniserregend“, schreiben die Aktivisten in ihrem offenen Brief.

Das Vertrauen der Inder in Facebook ist beschädigt

In Indien – der größten Demokratie der Welt, die im kommenden Jahr ein neues Parlament wählt – will Zuckerberg offenbar mit großem Einsatz vermeiden, ebenfalls in die politische Auseinandersetzung zu geraten. Er nannte Indien in einer vorbereiteten Stellungnahme für die Kongressanhörung als eines der Länder, in denen man besonders auf unzulässige Beeinflussung des Wahlkampfs achten werde – und dafür Tausende neue Mitarbeiter einstellen wolle.

Doch das Vertrauen von Asiens drittgrößter Volkswirtschaft in Facebook ist angekratzt. Dass fast 600.000 Inder ebenfalls von der Cambridge-Analytica-Datenaffäre betroffen waren, rief die indische Regierung auf den Plan, die Strafmaßnahmen erwägt.

Der milliardenschwere Chef des Firmenkonglomerats Mahindra, Anand Mahindra, rief angesichts der Skandale bei Facebook dazu auf, einen indischen Facebook-Konkurrenten ins Leben zu rufen, der "professionell geführt" werde und sich bereitwillig regulieren ließe. Mit dem nötigen Kapital dafür könne er gerne aushelfen, ließ der reiche Unternehmer wissen.

Seitdem Mahindra Ende März seine Idee öffentlich machte, gab es schon mehr als 1000 Zuschriften. Er sei überwältigt von der Resonanz, schrieb der Milliardär auf Twitter. Die besten Vorschläge würden ihm nun schon bald vorgelegt werden.

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