Facebook Neue App erklärt Bilder für Sehbehinderte

Soziale Netzwerke leben von Bildern. Eine neue Facebook-Funktion hilft nun Blinden und Sehschwachen dabei, sie wahrzunehmen.

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Blinden dabei zu helfen, Dinge zu „sehen“, verspricht sich Facebook-Gründer Mark Zuckerberg von Künstlicher Intelligenz. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Mit „automatic alternative text“ – etwa automatische Textalternative -  geht das soziale Netzwerk nun einen Schritt in die Richtung. Die neue Funktion, die es ab sofort für die englischsprachige Version von Facebook iPhone App gibt, erfasst die Inhalte von Bildern, fasst sie in Worte und gibt sie per Sprachausgabe aus.

Möglich ist das durch ein neuronales Netzwerk, das Objekte mit mehr als neunzig Prozent Präzession identifiziert. So zeigt es beispielsweise, ob ein Foto Berge, Seen oder Gras zeigt oder etwa Autos, Fahrräder und Flugzeuge. Ob Menschen auftauchen und ob diese lächeln oder Sonnenbrillen tragen. Noch ist das System eingeschränkt und nur in englischer Sprache verfügbar. Sein Benutzer wird vorsorglich gewarnt, dass es sich bei der Beschreibung nicht um Fakten, sondern nur um Wahrscheinlichkeiten handelt.  

Facebooks Künstliche Intelligenz kann bereits wesentlich mehr. Beispielsweise nicht nur feststellen, ob Hunde zu sehen sind, sondern auch um welche Rasse es sich dabei handelt. „Wir sind bewusst vorsichtig beim Einsatz“, erklärt Jeff Wieland, bei Facebook für die Entwicklung von Zugriffssystemen für Menschen mit Behinderungen zuständig. Nur zu gut ist der Skandal bei Google in Erinnerung, wo eine Bilderkennungssoftware versehentlich Afro-Amerikaner als Gorillas bezeichnet hatte. Die Kategorie Tier hat man deshalb bei Facebook erst einmal ausgeklammert. Auch auf die Angabe der Identität von Personen, die in Bildern gezeigt werden, hat man verzichtet.

Quelle: Facebook

Wie das System funktioniert, demonstriert Matt King in einem fensterlosen Konferenzraum in Facebooks Hauptquartier in Menlo Park. King ist blind, verlor während seines Studiums vollständig sein Augenlicht. Nach seiner Ausbildung als Elektroingenieur heuerte bei IBM an, konzentrierte sich dort 25 Jahre lang auf Systeme, die Behinderten mittels Computern das Erfassen von Informationen erleichtern oder erst ermöglichen. „Das ist meine Lebensaufgabe“, sagt der Athlet, der den Weltrekord im Tandem-Bahnradfahren bei den Paralympischen Spielen hält. Seit vergangenen Jahr treibt er diese Berufung nun bei Facebook voran.

 

„Wir wollen keine falschen Eindrücke verbreiten“

Um zu verdeutlichen wie eingeschränkt er als Blinder Facebook wahrnimmt, wirft King mit dem Projektor eine schwarze Fläche an die Wand. Als nächstes erscheint via Sprachausgabe der Urheber des geposteten Bildes – Clara Valentine – und ihr Kommentar: „Ich mag meine neue Kamera, was für ein Blick“.  Das sind die Informationen, die King bislang über seinen Bildschirmleser erhielt, ein Programm zum Umwandeln von Text in Sprache, inklusive der Angabe, an welcher Stelle des Displays die Angaben stehen.

Facebooks Entwicklerkonferenz kommende Woche

Die „automatische Text-Alternative“ gibt ihm nun die zusätzliche Information, dass das Foto „Berge und Bäume enthalten könnte“. Das ist korrekt, allerdings nur im Ansatz.

Denn das Foto zeigt eine verschneite Landschaft. „Das könnte aber auch eine Lichtspiegelung sein“, erklärt Wieland. „Wir wollen keine falschen Eindrücke verbreiten.“ Das nächste Foto verdeutlicht den Nutzen schon besser. „Ich habe mir Sonntagnacht was gegönnt“, beschreibt Facebook-Nutzer Chelsea Kohler. Früher hatte King hier nur raten können, was sie genau meint.

Nun weiß er es: „Bild könnte Pizza und Nahrungsmittel enthalten“, ermittelt die Software korrekt.

Facebook hat den Prototypen mit zehntausend Nutzern getestet, davon die Hälfte blind oder mit sehr eingeschränkten Sehvermögen. Bei den Tests zeigte sich, dass auch Sehbehinderte genau wie andere Facebook-Nutzer das soziale Netzwerk hauptsächlich über Smartphone nutzen. Deshalb hat man damit begonnen. Nach Apples iOS soll als nächstes Android folgen. Zunächst erfasst die Funktion nur Bilder in Facebooks Nachrichtenstrom. Aber Facebooks Bilderdienst Instagram wäre der nächste logische Schritt. Auch, das dahinter stehende System der Allgemeinheit verfügbar zu machen, wie es Microsoft, Google und Facebook schon bei Algorithmen für Künstliche Intelligenz praktizieren. Möglich, dass dies auf der Facebook-Entwicklerkonferenz nächste Woche angekündigt wird.

Selfie schicken

Nun soll die Funktion Schritt für Schritt ausgebaut und mit Zusatzinformationen versehen werden. „Beispielsweise, dass die Menschen auf dem Bild wandern oder gemeinsam essen“, sagt King. Oder auch Farben. Selbst wann man sich Farben nicht mehr erinnert oder sie nie kannte – im Kontext macht es einen großen Unterschied, ob ein Himmel strahlendblau oder grau ist.

Der potenzielle Nutzen ist groß. Weltweit gibt es mindestens eine viertel Milliarde Menschen mit extremer Sehbeschränkung und mehr als 39 Millionen Blinde. IBM arbeitet schon seit Jahrzehnten an Systemen, um ihnen die Aufnahme von Informationen zu erleichtern. Auch Microsoft, Apple und Google unterhalten eigene Entwicklungsabteilungen dafür. Das Smartphone, das ständig mit sich getragen werden kann und die stetig steigende interne oder via Internet zuschaltbare Rechenleistung, eröffnen ganz neue Möglichkeiten.

Nicht nur für das Surfen im Internet oder sozialen Netzwerken.  Denkbar ist auch, dass Blinde und Sehbehinderten, die Fotos mit ihren Smartphones schießen, automatisch beschrieben wird, was die Aufnahme zeigt. King macht beispielsweise regelmäßig Selfies von sich. Einige Leute vergessen ab und an, dass er blind ist. „Sie fragen mich, was ich heute für Kleidung trage“, sagt King. „Ich schicke inzwischen einfach ein Selfie.“

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