
Mit Comic-Videos und elektronischen Grußkarten scheffelt Gregg Spiridellis Millionen. Nun ist der Mitgründer der US-Satireseite JibJab nach eigenem Bekunden auch noch zur Speerspitze im Kampf um die Vorherrschaft im mobilen Internet geworden – dank einer Offerte aus dem Silicon Valley, die ihn Anfang Januar erreichte.
Ob er nicht ganz vorn mit dabei sein wolle, wenn Facebook seinen Kurzmitteilungsdienst Messenger, mit dessen Hilfe Nutzer von Mobiltelefonen sich Textnachrichten schicken können, erstmals für externe Unternehmen öffne?
Facebook in Zahlen
Facebook war lange verschwiegen, wenn es um die Geschäftszahlen ging. Das hat sich mit dem Börsengang im Mai 2012 geändert – nun muss das Unternehmen die Börsianer genau informieren. Die Dokumente offenbaren zudem einen Blick in die ersten Jahre des Sozialen Netzwerks. Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick.
In den ersten Jahren verlor Facebook zwar Geld – wie fast alle Startups. Doch schon 2009 erreichte das Unternehmen mit einem Gewinn von 229 Millionen Dollar die schwarzen Zahlen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr machte Facebook 7,9 Milliarden Dollar Umsatz aus Werbung und Online-Spielen und verdienten 1,5 Milliarden Dollar Gewinn. Damit hängt das Netzwerk Internet-Urgesteine wie AOL und Yahoo längst ab.
Facebook macht sein Geld vor allem mit Werbung. Zuletzt lag der Anteil bei rund 90 Prozent. Der Rest resultiert vor allem daraus, dass Facebook an den Einnahmen aus Online-Spielen beteiligt wird. Im ersten Quartal 2014 schnellte der Umsatz um 72 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar hoch, der Gewinn verdreifachte sich auf 642 Millionen Dollar.
Facebook hat ein beispielloses Wachstum hinter sich: Binnen zehn Jahren ist die Zahl der aktiven Nutzer auf 1,28 Milliarden gewachsen, das entspricht grob der Hälfte der globalen Internet-Population.
Gründer und Firmenchef Mark Zuckerberg hat Facebook auch nach dem Börsengang fest im Griff. Er hält Aktien der Klasse B, die zehn Stimmen haben, während Anleger beim Börsengang nur A-Klasse-Aktien mit einer Stimme bekommen haben.
Fast die ganze Welt ist blau: In beinahe allen Ländern ist Facebook das größte Soziale Netzwerk – nennenswerte Ausnahmen sind Russland und China, wo lokale Unternehmen dominieren.
Auch wenn StudiVZ lange vorne lag, ist Facebook in Deutschland inzwischen die unangefochtene Nummer 1. Nach jüngsten Schätzungen des Portals allfacebook.com hat Facebook hierzulande 27 Millionen aktive Mitglieder.
Spiridellis wollte und kommandierte flugs seine besten Entwickler ab. Dank der Kunst der Online-Kreativen können jetzt weltweit 600 Millionen Messenger-Nutzer ihr Konterfei digital aufhübschen – mit Perücken, Hüten, Kronen oder im Osterhasen- oder Weihnachtsmannkostüm. Ob dies nun wirklich die Zukunft des mobilen Internets ist oder doch nur der Satire-Gag eines Scherzbolds, mag dahingestellt sein. Die Öffnung des Messengers preist Spiridellis jedenfalls ganz im Ernst: „Das ist einer der klügsten Schachzüge von Mark Zuckerberg.“
Für Spiridellis ist klar: Die Einbindung von anderen Unternehmen ist für Facebook ein ähnlicher Meilenstein wie die Freigabe seiner Web-Version für externe Entwickler im Sommer 2008. Damals beschleunigte Facebook durch eine Fülle neuer Dienste und Inhalte seinen Aufstieg zum weltweit größten Netzwerk und neuen Online-Werbegiganten. „Und genau das wiederholen sie nun im mobilen Internet“, sagt Spiridellis.
Schlag gegen Google
Die Öffnung von Messenger und die engere Anbindung von WhatsApp in die Facebook-App sind derzeit die mit Abstand wichtigsten Projekte des Internet-Konzerns – und zugleich ein empfindlicher Doppelschlag gegen den Erzrivalen Google. Denn mithilfe der beiden weltweit beliebten Kurztextanbieter dokumentiert Facebook vor allem eins: Zuckerberg reklamiert auch die mobilen Einfallstore in das Internet für sich.
Mit Facebook, Messenger, Instagram und WhatsApp, das er im vergangenen Jahr für 19 Milliarden Dollar gekauft hatte, kontrolliert Zuckerberg schon heute weltweit extrem populäre Apps und damit den Zugang zu einem Milliardenpublikum. Apps machen mittlerweile das Gros der Internet-Nutzung aus. Doch dabei wird es nicht bleiben. „Niemand will auf Dauer ständig zwischen verschiedensten Apps wechseln“, meint Phil Libin, Chef des Softwareanbieters Evernote, „ihre Funktionen werden daher in universelle Kommunikationskanäle einfließen“.
Facebooks Messenger hat das Potenzial für solch ein praktisch universelles Portal, über das alle möglichen Internet-Dienste abrufbar wären. Zum Start ist das Angebot mit 46 Partnern zwar noch bescheiden. Größtenteils sind es Anbieter wie JibJab, die Kurznachrichten grafisch aufpeppen. „Daraus könnte ein mobiles Portal für ein Milliardenpublikum entstehen“, sagt Julie Ask, Analystin beim Marktforschungsunternehmen Forrester.
David Marcus, von Zuckerberg abgeworbener Ex-Chef des Online-Zahldienstes PayPal, gibt schon mal einen Vorgeschmack darauf, welche Möglichkeiten in der Plattform stecken. Marcus’ erster Streich: Seit Kurzem können Messenger-Nutzer in den USA einander direkt im Mitteilungsdienst Geld schicken.
Nächster Schritt soll der Einkauf über den Messenger sein: Kunden können Waren bereits heute direkt über den Kommunikationskanal beim Händler bestellen. Noch testet Messenger diese Art des Einkaufens erst mit den US-Modehändlern Zulily und Everlane. Doch weitere Geschäftspartner sollen folgen, denkbar sind etwa Hotel- und Flugbuchungen sowie Restaurantreservierungen.