Der Zombie der E-Autohersteller Faraday Future hat Milliarden von Dollar verbrannt – jetzt muss der Chef gehen

Carsten Breitfeld muss bei Faraday Future seinen Hut nehmen. Quelle: imago images

Einst als Tesla-Konkurrent gehandelt, dann seit Jahren in der Krise: Der kalifornische Elektroautohersteller Faraday Future hat überraschend seinen Chef Carsten Breitfeld gefeuert, einen ehemaligen BMW-Manager.

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„Aufgeben? Nein, das ist überhaupt nicht meine Art“, bekräftigte Carsten Breitfeld, Chef des Elektroautoherstellers Faraday Future. Nur einmal habe er eine Ausnahme gemacht – beim Lernen von Mandarin. So scherzte der ehemalige BMW-Manager und einstige Gründer des Elektroautoherstellers Byton noch vor zehn Tagen, als ihn die WirtschaftsWoche im Hauptsitz des Unternehmens nahe Los Angeles besuchte.

Der promovierte Maschinenbauingenieur, der einst BMWs Elektroauto i3 mit aus der Taufe gehoben hatte, sprach von schlaflosen Nächten, seit er im September 2019 die Geschäftsführung des finanziell angeschlagenen Autoherstellers Faraday Future übernommen hatte. Im Juni 2020 wollte er eigentlich dessen 230.000 Dollar teure Luxuslimousine FF91 auf den Markt bringen. Dann kamen Corona, Entlassungen, bankrotte Zulieferer, der eilige Börsengang über einen Börsenmantel, Vorwürfe eines Short-Sellers, Morddrohungen gegen die Verwaltungsratschefin und immer wieder Finanzierungsprobleme.

Breitfeld, von dessen Reputation Faraday Future bei der Suche nach Kapitalgebern und dem Halten von Talenten zehrte, hielt durch. Bis Anfang dieser Woche. Dann feuerte der Verwaltungsrat den Branchenveteran. Sein Nachfolger ist Xuefeng Chen, der Chef des China-Ablegers von Faraday Future. Ob er Faraday zum Erfolg oder letztlich in den Bankrott führen wird, ist unklar. Denn das Unternehmen konnte sich zwar kürzlich bis zu 350 Millionen Dollar vom Hedgefonds Yorkville Advisors sichern. Doch es ist nur eine Kreditlinie.

Ex-BMW-Manager Breitfeld hält den Luxuslimousinen-Hersteller Faraday Future über Wasser. Beim LKW-Anbieter Nikola Motors wird der einstige Opel-Chef Lohscheller zum CEO aufsteigen. Die Herausforderungen sind immens.
von Matthias Hohensee

Die flüssigen Mittel, das räumte noch Chens Vorgänger Breitfeld ein, würden nicht reichen, die Limousine FF91 endlich auf den Markt zu bringen. Deren Fertigung in einem ehemaligen Pirelli-Reifenwerk im kalifornischen Hanford bei Fresno war eigentlich für November geplant, aber mangels finanzieller Mittel ins neue Jahr verschoben worden.

Einst galt Faraday Future als der gefährlichste Herausforderer Teslas. Dessen Model S hatte es Jia Yueting, auch YT genannt, angetan, als er 2014 Kalifornien besuchte. Der chinesische Internet-Milliardär, der sein Vermögen mit einer Telefongesellschaft und dem „Netflix Chinas“ gemacht hatte, beschloss, selbst unter die Elektroautohersteller zu gehen. In einem ambitionierten Zehnjahresplan sollten nicht nur Elektroautos gebaut, sondern auch moderne Städte entworfen werden. Geld spielte keine Rolle – zumindest damals nicht. YT warb Talente von Tesla, BMW, Apple und Ferrari ab. Im Januar 2016 stellte er das erste Fahrzeugkonzept am Rande der Unterhaltungselektronikmesse CES vor, mit dem ehemaligen BMW-Designer Richard Kim an seiner Seite. YT versprach Las Vegas eine Autofabrik.

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Kurz danach gab es die ersten Gerüchte über finanzielle Schwierigkeiten, dann Vorwürfe in China wegen Korruption. YT flüchtete nach Kalifornien. Hier lebt er seitdem, hat einen Bankrott hingelegt, arbeitet als Produktchef bei Faraday Future, soll aber laut Breitfeld keine Anteile mehr an dem Autohersteller halten. Zwischenzeitlich war die chinesische Immobiliengesellschaft Evergrande, inzwischen ebenfalls weltweit für Skandale bekannt, der größte Eigentümer. Jetzt sind es die Investorengruppe FF Global Partners, Finanzbeteiligungsunternehmen, Hedgefonds, Wagniskapitalgeber, Pensionskassen, das Datenanalyse-Unternehmen Palantir und Kleinanleger.

FF91: Wie steht es um das Prestigeprojekt?

Aber ist der FF91, für den es 400 Vorbestellungen gibt, überhaupt noch technisch konkurrenzfähig? Schließlich wurde er schon vor fünf Jahren vorgestellt. Breitfeld äußerte daran keine Zweifel. „Das Auto ist in den vergangenen zwei Jahren von Grund auf neu entwickelt worden“, so der Ex-Chef. Es könne schneller laden, habe den derzeit größten Akku des Marktes mit 144 kWh. Und seine Reichweite sei auf 610 Kilometer erhöht worden, fast 80 Kilometer mehr als die Vorgänger-Version. „Das ist für Kunden, die sich früher einen Rolls-Royce gekauft haben, aber sich nun lieber ein Elektroauto hinstellen wollen.“

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2023, so Breitfeld, werde man durchstarten. Klar ist nun, dass das ohne ihn geschehen wird. Am Potential des Elektroauto-Markts hatte der ehemalige BMW-Manager überhaupt keine Zweifel. Wegen der Vorgaben der Politik, dem Aussteigen aus dem Verbrenner, werde der Markt für Elektroautos in diesem Jahrzehnt boomen. „Wer soll denn diese ganzen Elektroautos bauen? Schon allein, wenn man im Markt bleibt, hat man eine große Chance“, meinte Breitfeld.

Darauf hoffen die verbliebenen Investoren. Knapp 3,3 Milliarden Dollar hat Faraday Future seit Gründung 2014 verbrannt. Das Delisting von der Technologiebörse Nasdaq droht. Der Börsenwert? Nur noch 160 Millionen Dollar.

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