
Wie oft hat man schon das Verlangen, beim Autofahren das Outfit fremder Passanten zu filmen und es gleich an Ort und Stelle anzuprobieren. Nie? Nun ja, aber man könnte es. Bald. Der Modeversandhändler präsentiert auf dem Genfer Autosalon seine Vision des „mobilen Shoppings“: das Zalando Fashion-Car. „Als innovatives E-Commerce-Unternehmen ist Mobile Commerce für uns weit mehr als Zukunftsmusik“, sagt Christian Meermann, Marketingmann von Zalando. Was das bedeutet, sagt er leider auch.
Auto filmt Passanten
Ungefragt filmt die umgebaute A-Klasse mit einer iPad-Kamera unbeteiligte Passanten, um ihr Outfit zu scannen und direkt im Internet danach zu suchen. „Augmented Reality“, nennt sich das im Marketingsprech. Ob wirklich alle Passanten ohne Anlass frontal vor einem Auto posieren wie im mitgelieferten Imagefilm des Unternehmens, darf bezweifelt werden.
Wenn die Ware trotzdem erkannt wird, kann man sie direkt im Auto bestellen – und nur wenige Tage später wird sie auch direkt ins Auto geliefert. Das Fashion Car wird dafür per GPS geortet. Die bestellten Outfits werden dann in einer Art Mini-Kleiderschrank namens „Fashion Box“ im Kofferraum deponiert. Der Bote kennt den Zugang und holt das Paket auch dort wieder ab, wenn das Outfit doch nicht gefällt.
Zalando auf einen Blick
Die Berliner Robert Gentz und David Schneider starteten im Oktober 2008 mit dem kleinen Online-Schuhshop Zalando. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.
Zu den Investoren zählen die Tengelmann-Gruppe (6 Prozent), der Facebook-Investor Digital Sky Technologies DST (9 Prozent), Holtzbrinck Ventures (8 Prozent) sowie die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander über ihren Berliner Startup-Entwickler Rocket Internet und European Funders Fund (17%). Die schwedische Investment AB Kinnevik hat mehrfach aufgestockt und hält mittlerweile 36 Prozent an Zalando direkt und indirekt via Rocket Internet. Damit sind die Schweden die größten Gesellschafter des E-Commerce Unternehmens. Im August 2013 stieg die Mode-Gruppe Bestseller von Anders Holch Povlsen mit 10 Prozent ein. Er kaufte u.a. Holtzbrinck und Tengelmann Anteile ab. Weitere Investoren wie der russischen Dotcom-Finanziers Yuri Milner halten insgesamt zusammen 13,5 Prozent.
Zalando expandierte in den vergangenen vier Jahren extrem schnell und aggressiv in ganz Europa und ist mittlerweile in 15 Ländern aktiv. Dafür setzte das Unternehmen große Summen für das Marketing, vor allem TV-Spots ein. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen berechnete die Ausgaben für die Spots im Jahr 2011 allein in Deutschland auf 90 Millionen Euro. Der Bekanntheitsgrad der Marke Zalando liegt in der werberelevanten Zielgruppe bei 95 Prozent. In Frankreich kennt den Online-Händler nach einem Jahr am Markt bereits jeder Zweie.
Laut Bundesanzeiger wies Zalando für 2009 einen Fehlbetrag von 1,6 Millionen aus. 2010 waren es 20,4 Millionen. Der Umsatz lag 2010 bei 150 Millionen Euro. 2011 waren es bereits 510 Millionen Euro, 2012 hat Zalando die Milliarden-Marke mit 1,15 Milliarden Euro Nettoumsatz geknackt und den Vorjahresumsatz verdoppelt. 2013 kletterte der Umsatz um 52 Prozent auf 1,76 Milliarden Euro. Dabei steht aber ein Rekordverlust von 100 Millionen Euro in den Büchern.
Zalando beschäftigt aktuell mehr als 1200 Mitarbeiter. In Berlin entsteht ein neuer Bürokomplex mit 20.000 Quadratmetern für mehrere hundert Mitarbeiter. Ab Sommer 2013 sollen weitere Büroflächen in Berlin Mitte angemietet werden. In Erfurt eröffnet Anfang Dezember das erste eigene Logistikzentrum, mit dem Bau eines weiteren hat der Online-Händler in Mönchengladbach begonnen, hier sollen bis zu 1000 Beschäftigte arbeiten.
Wer auf dem nächsten Parkplatz oder in der Innenstadt gleich das Bedürfnis hat, die bestellte Kleidung anzuprobieren, kann dafür aus dem Kofferraum eine mobile Umkleidekabine ausklappen. Warum man, wenn man unterwegs ist, nicht gleich im nächsten Modegeschäft einkauft, bleibt wohl das Geheimnis der Entwickler. Bisher galt es doch immer als Vorteil des Onlinehandels, dass die Ware bequem nach Hause geliefert wird.
Ein kleines Gimmick dürfte auch die Zahl der Auffahrunfälle in den nächsten Jahren nicht sinken lassen. Statt einer Hupe ist im Fashion-Car serienmäßig der aus der Werbung bekannte Zalando-Schrei integriert. Mit dem Wagen ist dem Schweizer Designer Frank M. Rinderknecht die wohl sinnloste Erfindung des diesjährigen Genfer Autosalons gelungen. „Durch Konnektivität und innovative Technologien wird das heute noch Unmögliche bald möglich sein“, sagt er. In fünf Jahren soll das Fashion-Car in Serie gehen.