Five AI aus Cambridge Verhilft dieses Start-up dem autonomen Fahren zum Durchbruch?

Das 2015 gegründete Tech-Start-up Five AI versucht, einige der Probleme zu knacken, die derzeit noch verhindern, dass die Straßen voll von selbstfahrenden Autos sind. Quelle: PR

Zahlreiche Unternehmen arbeiten unter Hochdruck daran, autonome Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. So auch Bosch. Den Durchbruch erhoffen sich die Schwaben vom Erwerb von Five AI, einem Tech-Startup in Cambridge. Ein Ortsbesuch.

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An das Silicon Valley erinnert die kleine Gasse wenige Gehminuten vom Bahnhof in der Universitätsstadt Cambridge nicht: Die beigen, zwei- und dreistöckigen Reihenhäuser sehen aus wie Wohngebäude. Nur, wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass neben einigen der Eingangstüren Firmennamen prangen.

Eine von ihnen ist Five AI. Das 2015 gegründete Tech-Start-up versucht, einige der Probleme zu knacken, die derzeit noch verhindern, dass die Straßen voll von selbstfahrenden Autos sind. Schon bald könnte hier ein deutscher Name neben der Klingel stehen: Vor kurzem hat Bosch das Start-up gekauft.

Stan Boland sieht ein wenig so aus, wie man sich den Gründer eines Tech-Start-ups vorstellt: Der Mann Anfang 60 trägt ein weinrotes Longsleeve-Shirt und eine ausgewaschene schwarze Jeans. Die Umgebung entspricht ebenfalls den Erwartungen: Anstatt einzelner Büros gibt es mehrere Großraumbüros, in denen jeweils rund ein Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sitzen. Eine Wendeltreppe führt in den Dachstuhl, in dem Sofas stehen und der obligatorische Kicker. Neben dem Serverraum im Erdgeschoss stapeln sich in einem Schrank Hoodies mit dem Firmenlogo. „Das ist gut für die Corporate Identity“, sagt Boland.

Stan Boland im Gespräch mit WiWo-Reporter Sascha Zastiral. Quelle: Presse

65 der 140 Five-Mitarbeiter arbeiten am Hauptstandort in Cambridge. Am Tag des Besuchs sind die meisten davon im Homeoffice. Daneben unterhält der zukünftige Bosch-Ableger noch Außenstellen in London, Oxford, Edinburgh und Bristol. Nur das Führungsteam trifft sich vor allem in Cambridge.

Der Grund dafür: Boland wollte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort abholen, wo sie leben. Die Büros liegen zudem alle in Innenstädten. Auch das war eine bewusste Entscheidung: „Früher haben sich alle Start-ups in Gewerbegebieten eingerichtet“, sagt Boland. „Aber dort ist es wirklich langweilig.“ Menschen in ihren 20ern und 30ern wollten heutzutage gute Cafés und Restaurants in der Nähe haben und mit der Bahn und dem Fahrrad zur Arbeit kommen. „Deswegen sind wir hier.“

Demnächst werden Boland und sein Team mit der Suche nach neuen Büroräumen beginnen müssen. Denn Bosch möchte die Zahl der Mitarbeiter bei Five AI deutlich erhöhen.

Als er 2015 Five AI mit fünf Partnern gegründet hat, sei er nicht davon ausgegangen, dass er das Unternehmen einmal verkaufen würde, erzählt Boland. Er sitzt jetzt im Besprechungsraum im Erdgeschoss an einem langen Tisch. „Wir hatten damals diese verrückte Ambition, als Start-up ein vollständiges automatisiertes Fahrsystem zu entwickeln. Naivität war so gesehen unsere stärkste Waffe“, sagt er dann und lacht. „Hätten wir gewusst, was wir heute wissen, dann hätten wir vielleicht nie angefangen. Manchmal ist es gut, Sachen nicht zu wissen.“

Die Anschubfinanzierung für Five AI brachten Boland und seine Mitgründer aus eigenen Mitteln auf. „Ein paar hunderttausend Pfund“, sagt Boland. In zwei anschließenden Finanzierungsrunden sammelte das Unternehmen 10 und 20 Millionen Pfund an Investorengeldern ein. Auch die britische Regierung schoss Fördergelder zu.

Boland und sein Team realisierten damals schnell, dass vermutlich mehrere Milliarden notwendig wären, um die Konkurrenz in den USA und in China einzuholen. „Es hätte zehn Jahre dauern können oder mehr, diese Summe einzusammeln“, glaubt er. Daher konzentrierte sich Five AI stattdessen darauf, Software-Tools für die Entwicklung automatisierter Fahrsysteme zu entwickeln. Allen voran: Eine Simulation, mit der Autohersteller ihre Fahrsoftware testen können.

Eine vereinfachte Darstellung dessen, wie diese Simulation funktioniert, sieht so aus: Man sieht eine typische Kreuzung in der Londoner Innenstadt. In einer Fahrtrichtung führen zwei Spuren geradeaus, zwei weitere sind für Rechtsabbieger gedacht. Einer der Gehwege wird gerade erneuert, er ist mit Betonblöcken und Zäunen abgesperrt. Es gibt vier Verkehrsinseln, mehrere Fußgängerübergänge, ein Dutzend Ampeln und etliche Straßenschilder. Schon für einen nicht-computerisierten Fahrer ist es nicht einfach, sich hier zurechtzufinden.



Das selbstfahrende Testfahrzeug, das auf die Kreuzung zurollt, zeigt sich hingegen unbeeindruckt. Die Fahrsoftware ordnet augenblicklich zu, was man hier sieht: Die Straße wird rot hervorgehoben, die Verkehrsinseln rosa. Autos erscheinen dunkel-, Ampeln hellblau. Ein Fußgänger überquert die Straße. Die Software hebt ihn mit einem gelben Kasten hervor und stoppt das Fahrzeug. Die Simulation gaukelt der Fahrsoftware dabei vor, dass sie ein echtes Auto durch die reale Welt steuert. Binnen weniger Stunden kann die Simulation so mehrere zehntausend Szenarios durchspielen und beobachten, ob ein Fahrprogramm richtig und sicher reagiert.

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