Foto-App Snap-Kurs stürzt ab – Wird die Google Cloud dem Unternehmen zum Verhängnis?

Die Snap-Aktie taumelt auf neue Tiefstkurse und Analysten sind entsetzt. Die Neuerfindung des sozialen Foto-Netzwerks ist gescheitert. Wird ausgerechnet ein Vertrag mit Google zum entscheidenden Problem?

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Insgesamt 191 Millionen Menschen nutzen die Foto-App. Quelle: Reuters

San Francisco Die Börsen-Schnodderschnauze Jim Cramer konnte sich einfach nicht mehr zurückhalten: „Ich dachte, das war doch eine Saturday-Night-Live-Parodie eines Analystengesprächs“, echauffierte sich der frühere Hedgefonds-Manager und heutige Börsenkommentator auf CNBC lautstark über die Telefonkonferenz zur Vorlage der Quartalszahlen beim Börsenneuling Snap.

Saturday Night Live ist eine der beliebtesten Night-Talkshows der USA und für ihre Parodien und humoristischen Einlagen bekannt. Aber so richtig witzig fand Cramer, Moderator der Börsensendung „Mad Money“ das nicht, was „diese Clowns, oh, ich meine natürlich Geschäftsleute“ da vorgelegt hatten.

Im November 2017 musste Snap bereits angesichts miserabler Geschäftszahlen handeln und entschied sich für eine Radikalkur mit allen Risiken und Chancen. Weil das Nutzerwachstum der Social-Media-Plattform mit dem Fokus auf Bilder und Kamerafilter praktisch zum Erliegen gekommen war, verordnete Vorstandschef Evan Spiegel ein komplettes Neudesign der Smartphone-App, um die Software bedienungsfreundlicher und auch für ältere Nutzer attraktiv zu machen.

Snap galt bis dahin als Spielwiese für pubertierende Teenager, die sich gegenseitig Bilder mit lustigen Filtern zusenden konnten, die nach einer gewissen Zeit wieder verschwanden.

Doch das Redesign erwies sich als totaler Flop und das Mitgliederwachstum kam nicht in die Gänge. Im Gegenteil: Immer mehr Werbetreibende verloren das Interesse und Spiegel musste am Dienstag die ganze Wahrheit enthüllen.

Der Umsatz im ersten Quartal 2018 erreichte mit 230 Millionen Dollar nicht ansatzweise die erhofften 245 Millionen Dollar, die von Bloomberg befragte Analysten erwartet hatten. Der Zuwachs war im Vorjahresvergleich zwar 54 Prozent höher, gegenüber dem direkten Vorquartal, also vor dem Neudesign, gab es jedoch ein Minus von 19 Prozent. Ein Fiasko.

Die Nutzerzahl pendelte sich bei 191 Millionen ein, 194 Millionen war das Ziel der Analysten. Für das laufende Quartal wird eine weitere „spürbare Verlangsamung“ des Umsatzwachstums erwartet, räumt das Unternehmen ein. Mehrere Führungskräfte haben Snap mittlerweile verlassen und rund sieben Prozent der Angestellten mussten gehen.

Für Gründer und CEO Evan Spiegel war das Fiasko ebenfalls persönlich direkt spürbar. War sein Vermögen zum Börsenschluss am Dienstag noch knapp 3 Milliarden Dollar schwer, wachte er am Mittwochmorgen 700 Millionen Dollar leichter auf. Der Aktienkurs stürzte um gut 20 Prozent ab und konnte bis in den frühen Nachmittag praktisch nichts von den Verlusten aufholen.

Analysten gehen reihenweise auf Distanz, bis sich der Nebel über der Zukunft von Snap wieder lichtet. Morgan Stanley hat ein neues Kursziel von acht Dollar und „Untergewichten“ als Empfehlung. Piper Jaffray hat zwar noch ein Kursziel von 11,50 Dollar, geht aber hart mit dem jungen CEO ins Gericht, der sich die Alleinherrschaft im Börsenprospekt hat sichern lassen: „Snap ist ein lausig strukturiertes Unternehmen mit klaren Zeichen von Missmanagement.“

Stephen Ju von der Deutschen Bank ist vorsichtig optimistisch. Es verlange zwar „einiges an Geduld“, aber es gebe Potenzial, weshalb es ein „Outperform-Rating“ habe, also eine Kursperformance besser als der Gesamtmarkt.

Doch da gibt es in der Tat einige Risiken, die Cramer zum Beispiel nicht ruhig schlafen lassen: „Haben sie den Vertrag mit Google gesehen?“, fragt er polemisch in die TV-Runde. 400 Millionen Dollar für fünf Jahre, also insgesamt zwei Milliarden Dollar, muss Snap für seine IT-Infrastruktur in der Google Cloud bezahlen, das ist vertraglich vereinbart.

Am Ende des ersten Quartals wies Snap Bargeld und handelbare Wertpapiere in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar und einen Nettoverlust von 385 Millionen Dollar aus. Trotz eines Aktienkurses auf Rekordtief unter elf Dollar am Mittwoch bleibt Snap ein riskantes Spekulationsobjekt.

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