Natürlich nicht. Über die laufenden Ermittlungen der EU-Kommission wegen Preisabsprachen beim Verkauf von Fernsehgeräten, auf die Sie anspielen, kann ich mich leider nicht im Einzelnen äußern. Doch ich möchte klarstellen: Ungesetzliches Verhalten wäre ein eindeutiger Verstoß gegen all unsere Geschäftsprinzipien. Da kennen wir von jeher keine Toleranz.
Bereits 2012 verhängte aber die EU-Kommission ein Rekordbußgeld von 509 Millionen Euro gegen Philips. Tun Sie genug in Sachen Compliance?
Selbstverständlich hat Philips schon lange vorher strenge Regeln für seine Geschäftstätigkeiten aufgestellt. Unser erster „Code of Conduct“ datiert auf das Jahr 1948. Sagen Sie, was wir noch tun können, und wir tun es! Wir haben unsere ohnehin umfangreichen Schulungen in der Frage, wie wir mit Lieferanten und Abnehmern umgehen, schon vor den aktuellen Fällen weiter ausgebaut. Dazu muss jeder Mitarbeiter Erklärungen unterschreiben, dass er sich an die Gesetze hält. Sie dürfen aber auch nicht vergessen: Die Fälle, die jetzt hochkommen, sind alle schon ein paar Jahre alt. Sie betreffen das Fernsehgeschäft, das wir gerade komplett an TPV aus Hongkong übergeben haben, und stammen aus der Zeit, bevor ich bei Philips die Leitung übernommen habe.
In Ihre Verantwortung fällt der Ende 2013 im letzten Augenblick geplatzte Verkauf der Philips-Unterhaltungselektroniksparte an den japanischen Elektronikkonzern Funai. Was haben Sie da falsch gemacht?
Für das Geschäft etwa mit Stereoanlagen und Videorekordern hatten wir seit Januar 2013 einen unterschriebenen Kaufvertrag mit Funai. Aber den konnten wir am Ende nicht umsetzen, weil wir in einen Rechtsstreit gerieten, über den ich leider ebenfalls nichts sagen kann. Aber das ändert nichts daran, dass wir das Geschäft verkaufen werden – nun halt an jemand anderen.
Wann rechnen Sie mit einem Abschluss?
Das wird sicher noch ein paar Monate dauern. Doch weil es ein gutes und profitables Geschäft ist, sind wir da nicht in Eile.
Trotz des geplanten Verkaufs der Unterhaltungselektroniksparte gilt Philips weiterhin als der letzte europäische Konzern für Konsumelektronik...
...was wir nicht mehr sind.
Was sind denn Küchenmaschinen, elektrische Zahnbürsten und via Smartphone gesteuerte Hausbeleuchtungen?
Die Produkte allein machen uns nicht zum Konsumelektronikunternehmen. Wir machen den Großteil unseres Umsatzes mit industriellen Gütern wie Medizintechnik und Straßenbeleuchtung. Nur gut 20 Prozent sind noch im weitesten Sinne Konsumprodukte. Seit wir uns nicht mehr um unser Fernseh- und Unterhaltungsgeschäft kümmern müssen, können wir uns auf immer profitableres Wachstum mit anderen Produkten konzentrieren. Unsere Schrumpfungsphase ist definitiv vorbei. Dabei spielen neue Technologien eine besondere Rolle. Gerade ein 123 Jahre altes Unternehmen wie wir muss sich fragen: Welches Existenzrecht haben wir in Zukunft? Das ist in unserem Fall die Fähigkeit, uns immer wieder neu zu erfinden. Und heute entwickeln wir eben Produkte, die nicht nur unterhalten, sondern das Leben der Menschen verbessern oder zumindest ihr Wohlbefinden steigern.
Keine Angst vor Wettbewerbern
Wir haben keine Angst vor Wettbewerbern. Wir als europäisches Unternehmen werden kaum die billigsten Anbieter in der Welt sein können. Weil die wachsende Konkurrenz aus Fernost über den Preis angreift, müssen wir einen echten Mehrwert für unsere Kunden schaffen, der die Leistung der Wettbewerber spürbar übertrifft.
Das sagt jedes Unternehmen.
Aber wir haben einen anderen Ansatz als die Konkurrenten in Fernost. Unsere wichtigste Frage ist: Wo gibt es Bedürfnisse, die kein anderer erfüllt, oder Probleme, die sonst keiner löst?
Philips sieht sich also als Beglücker der Menschheit?
Anders als Konsumelektronikhersteller setzen wir bei den vielen großen Problemen der Menschheit an. Weil die Bevölkerung altert, leiden immer mehr Menschen unter chronischen Herz-Kreislauf-Problemen, Lungenerkrankungen, Alzheimer oder Diabetes. Gleichzeitig steigen die Kosten, und nicht jeder hat Zugang zu Behandlungen. Das ist nicht nur ein großes Problem, sondern auch ein lukrativer Markt, in dem Philips mit Innovation helfen und an dem der Konzern partizipieren kann. Noch sind 90 Prozent der Gesundheitsausgaben Arbeitskosten und Medikamente, Technologie spielt fast keine Rolle. Dabei ist sie ist der einzige Weg, um ohne weitere Kostensteigerungen das Leben all der chronisch Kranken zu erleichtern.
Und was hat Philips hier zu bieten?
Wir entwickeln zum Beispiel Technik, die nach Mustern möglicher Erkrankungen sucht oder mithilfe von Befunden anderer Kranker gezielt Vorboten für Gefahren und Notfälle entdeckt.
Müssten Sie statt mehr High Tech nicht eher preiswerte und robuste Produkte für arme Länder und Schwellenländer bauen?
Das ist sicher ein wichtiges Feld. Aber High-Tech-Lösungen sind nötig, um etwa in Afrika die hohe Kindersterblichkeit zu senken. Das ist für uns ein gutes Geschäft. Es bringt beispielsweise wenig, alte Ultraschallgeräte in Afrika zu verteilen, wenn die Daten am Ende nicht richtig ausgewertet werden, weil gut ausgebildete Ärzte fehlen. Unser Ansatz ist daher, stattdessen günstige neue Geräte zu nutzen, die ihre Daten über Telefon und Internet an Spezialisten etwa in den Städten übermitteln. Die Fachärzte dort stellen anschließend eine deutlich fundiertere und für die Schwestern vor Ort umsetzbare Diagnose und vergeuden ihre Zeit nicht mit Reisen.
Bei den großen Problemen der Menschheit ansetzen
Wieso lösen Leuchten und Küchenmaschinen die Probleme der Menschheit?
Unsere LED-Lampen mindern die Umweltbelastung durch Stromerzeugung und die Klimaveränderungen. Beleuchtung steht für 19 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Dabei haben mehr als 600 Millionen Menschen in Afrika noch keinen Zugang zu künstlichem Licht, und in den Entwicklungs- und Schwellenländern wächst der Bedarf an Beleuchtung. Weil Strom noch auf Jahre vorwiegend aus Öl und Gas gewonnen wird, führt das zu kaum beherrschbaren Umweltproblemen. Es sei denn, wir schaffen den Sprung zu LED-Lampen. Die verbrauchen nicht nur einen Bruchteil der Energie. Sie erlauben auch eine intelligente Steuerung etwa von Stadtbeleuchtung. Die Lampen leuchten schwach, wenn die Straßen leer sind, und werden heller, wenn ein Bewegungsmelder erkennt, dass ein Fußgänger oder ein Auto kommt. Das spart bis zu 70 Prozent des Stroms und damit rechnerisch 600 Kraftwerke weltweit.
Wie sollen die klammen Kommunen teure Steuerungen für Beleuchtung bezahlen?
Wir bieten den Gemeinden ein neues Geschäftsmodell. Wir stellen auf unsere Kosten die Beleuchtung auf unsere neuen intelligenten LED-Systeme um und recyceln die alten Lampen. Anschließend zahlen uns die Gemeinden Teile der Ersparnisse auf der Stromrechnung und behalten sogar noch Geld übrig. Wir können das als Partnerunternehmen oder als Lichtlieferant machen, der für jede Lichteinheit Lux bezahlt wird. So gewinnen beide Seiten.
Und welches Menschheitsproblem lösen Ihre Bügeleisen oder Fritteusen?
Ich gebe zu, nicht alle Produkte passen im gleichen Umfang zu unserem Motto, aber jedes hat seinen Platz. Unser Airfryer ist keine simple Fritteuse, sondern ein Gerät, das Menschen mit einem Kreislaufleiden oder Übergewicht erlaubt, statt Schonkost auch wieder Pommes frites zu essen, weil die dann nicht mit ungesunden Fetten, sondern mit heißer Luft zubereitet werden.
Welche Rolle spielt für Sie der deutsche Markt?
Eine wichtige. Viele glauben, weil die Industrieländer in Europa in einer Krise stecken, sollten wir vor allem in den Schwellenländern wachsen. Doch ich glaube, wir müssen uns gerade um die angeblich reifen Märkte in Europa kümmern. Dabei ist Deutschland unser wichtigster Markt, gemeinsam mit Österreich und der Schweiz der drittgrößte Markt für Philips weltweit. Hier haben wir zwar bereits eine sehr starke Position, sind profitabel und wachsen. Doch wir können noch deutlich stärker zulegen.