Freenet-Chef Vilanek "Weiteres großes Standbein"

Der Chef des Mobilfunkanbieters Freenet, Christoph Vilanek, erklärt die neue strategische Ausrichtung des Unternehmens nach der heute verkündeten Akquisition von Media Broadcast und Exaring.

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Christoph Vilanek Quelle: Presse

WirtschaftWoche Online: Herr Vilanek, Sie haben die Finanzmärkte heute Morgen mit der Ankündigung überrascht, dass Sie die TV-Plattform Media Broadcast übernehmen und dass Sie als Großaktionär bei der Münchner Firma Exaring einsteigen. Was haben Sie mit den beiden Unternehmen vor?

Christoph Vilanek: Wir sind bekannt als Mobilfunkanbieter und haben in den vergangenen zwei Jahren zusätzlich Produkte rund um das Thema Digital Lifestyle verkauft. Zuletzt haben wir durch unsere Partnerschaften mit Video- und Streaming-Anbietern wie Maxdome und Zattoo gesehen, dass ein großes Potenzial im Fernsehgeschäft steckt. Das gilt insbesondere für das Zugangsgeschäft für alle Formen der Kommunikation mit bewegten Bildern. Der Hunger nach Bandbreite ist da.

Der Konsum von Bewegtbildern steigt dramatisch. Das Unternehmen Media Broadcast verfügt mit DVB-T2 über eine Technologie, die sowohl stationär zu Hause, aber auch mobilen Endgeräten einsetzbar ist. Die Exaring besitzt ein gut ausgebautes Glasfasernetz, das mit allen Internetknoten in Deutschland verbunden ist.  Mit beiden Unternehmen können wir modernes, hochauflösendes Digitalfernsehen in einer ganz neuen Form an die Nutzer bringen. Der Kunde braucht nur einen Internetanschluss mit einer Mindestgeschwindigkeit von 16 Megabit pro Sekunde.

Die beliebtesten Video-on-Demand-Anbietern in Deutschland

Das heißt: Sie treten gegen die Deutsche Telekom und die Betreiber von Kabel-TV-Netzen an, um sich ein Stück vom Fernsehkuchen abzuschneiden?

Bislang hatten wir weder ein eigenes Fernsehgeschäft aufgebaut, noch die Produkte der etablierten Betreiber in unseren Shops angeboten. Das ändert sich durch die Akquisitionen. Wir sehen die Chance, mit unserer Stärke im Vertrieb ein zweites Standbein aufzubauen. Aus dem Verkauf von DSL-Anschlüssen hatten wir uns ja früh zurückgezogen. Jetzt bekommen wir Zugang zu Infrastrukturen, durch die wir konsequent Wettbewerbsvorteile aufbauen können. Kein Konkurrent kann es jetzt so schnell einholen. Das neue Geschäftsfeld besitzt langfristig erhebliches Potenzial und soll für Freenet ein weiteres großes Standbein in der Entwicklung bilden.  

Aber erklären Sie die strategische Neuausrichtung mal dem Laien. Der TV-Markt ist heftig umkämpft. Es gibt die Telekom mit ihren TV-Produkt Entertain, die Kabel-TV-Betreiber Vodafone und Unitymedia bieten analoges und digitales Fernsehen seit jeher an. Jetzt drängen auch noch Streaming-Plattformen wie Netflix und Zattoo in den TV-Markt. Was bleibt da noch für Freenet übrig?

Wir haben uns die Schwächen der heute im Markt verfügbaren TV-Technologien sehr genau angeschaut. Wenn Sie heute am Samstagnachmittag über mobile Geräte versuchen, die Live-Übertragungen vom Pay-TV-Sender Sky zu verfolgen, bekommen Sie Riesenprobleme. Die Technologie funktioniert nicht bei 100.000 oder 200.000 simultanen Nutzern. Und auch die TV-Kabelkunden sind unzufrieden, wenn Sie auf einer Festplatte TV-Sendungen aufzeichnen und gleichzeitig über einen zweiten Fernseher auf ihr Video-Archiv zugreifen. Wir nutzen Cloud-Computing für die Video-Aufzeichnungen und bieten den Kunden eine deutlich flexiblere, jederzeit abrufbare Lösung an. Jedes Familienmitglied bekommt seinen eigenen Videorecorder aus der Cloud. Unsere Markterhebungen zeigen, dass die Kunden unzufrieden sind mit den verschiedenen TV- und Video-Bildschirmen und den verschiedenen Fernbedienungen. Wir integrieren all diese stationären und mobilen TV-Angebote in eine Lösung, die Sie über eine einzige App auf dem Smartphone fernsteuern können. Dadurch vereinfacht sich die Nutzung dramatisch. Hinzu kommt: Wir werden mit Preisen starten, die deutlich unter den bisher am Markt verfügbaren TV-Monatsgebühren liegen.

"Unser TV-Produkt kann jeder kaufen"

Dürfen die App nur die Kunden herunterladen, die einen Mobilfunkvertrag bei Freenet haben?

Nein. Unser TV-Produkt kann jeder kaufen. Aber natürlich wird unser Vertrieb auch die Bestandskunden ansprechen. Wir wollen ja ein paar Prozent Marktanteil im TV-Geschäft erobern. Deshalb gibt es die App in den App-Stores der beiden großen mobilen Betriebssysteme, Android von Google und iOS von Apple.

Welche Umsatzvolumina streben Sie in ihrem neuen Geschäftsfeld Fernsehen an?

Wir können noch keine Prognosen  abgeben. Wir werden Ende 2016 starten, aber größere Volumina erwarten wir erst für 2017. Es gibt in Deutschland 60 Millionen Fernsehgeräte, 70 Millionen Smartphones und 20 Millionen Tablets. Insgesamt adressieren wir einen Markt mit 150 Millionen mobilen und stationären Abspielgeräten. Wenn wir nur einen kleinen Marktanteil erreichen und mit einem einstelligen Euro-Betrag, den wir als Gebühr ansetzen, multiplizieren, erreichen wir schnell Umsätze in Millionenhöhe. Auch Konkurrenten wie Zattoo kamen schnell auf attraktive Nutzerzahlen. Die Kunst ist, die hochauflösenden Bewegtbilder auch auf einen 55-Zoll-HD-Fernseher zu bringen. Da brauchen Sie Bandbreite, sonst bekommen Sie Bilder mit einer miesen Qualität wie auf einem alten Röhrenfernseher.

Welches Produkt muss der Kunde kaufen, damit er Fernsehen made by Freenet nutzen kann?

Für DVB-T2 brauche ich eine kleine Antenne und ein bisschen Software, die üblicherweise in einer kleinen Smartcard enthalten ist. Damit kann der Kunde alle relevanten Kanäle auch in HD sehen. Kombiniert mit einer Internet-Verbindung hat dann auch Zugang zu der Multithek – also dem IP-Angebot der Media Broadcast. Besonders gut funktioniert es mit Googles Chromecast oder Apple-TV. Dann ist der Installationsaufwand minimal. Ein Klick – und es läuft.

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