Die erste Geduldsprobe muss jeder Gamescom-Besucher vor den Hallen des Kölner Messegeländes bestehen: Wer über Europas größte Videospielmesse schlendern – und dort auch wirklich an den zahlreichen Ständen der Hersteller spielen will – muss sich ein Bändchen besorgen, an dem sich erkennen lässt, ob er volljährig ist.
Diese Bändchen gibt es in verschiedenen Pavillons vor dem Haupteingang – vor denen sich jeweils Hunderte Jugendliche und junge Erwachsene tummeln. Nur wer das rote Altersbändchen besitzt, darf vor Ort beliebte Action-Games spielen, die erst ab 18 Jahren freigegeben sind.
Wenn am Dienstag die Gamescom für fünf Tage ihre Pforten öffnet, werden sich wieder Massen von Videospiel-Begeisterten vor den Pavillons drängeln: Zum zehnten Mal findet die Videospielmesse in Köln statt; bis 2008 war die Veranstaltung in Leipzig beheimatet. In dieser Dekade hat sich die Gamescom zu Europas größter Messe für Computer- und Videospiele entwickelt.
So pilgerten im vergangenen Jahr immerhin 350.000 Spieler auf das Messegelände der Dom-Metropole. Zur Einordnung: Die in diesem Jahr erstmals im Sommer ausgerichtete Computermesse Cebit verzeichnete nur noch 120.000 Besucher. In der aktuellen Größenordnung der Gamescom lag die IT-Leitmesse in Hannover zuletzt im Jahr 2010.
Anders ausgedrückt: Das vermeintliche Spaß-Thema Gaming ist inzwischen für viele Menschen bedeutsamer als schnöde Computer und Software. Hinter dem Gedaddel steht inzwischen ein ernst zu nehmender Wirtschaftszweig.
Ob zusammen vor dem heimischen Fernseher oder unterwegs auf dem Smartphone – gespielt wird überall und jederzeit. Mittlerweile spielt rund jeder zweite Deutsche. Insgesamt spielen laut Branchenverband Game 34,3 Millionen Menschen. Fast die Hälfte der Spielerschaft sind Frauen (47 Prozent). Um allein oder gemeinsam Abenteuer zu erleben oder einfach eine Pause vom Alltag zu nehmen, greifen sie am häufigsten zum Smartphone: Das nämlich ist inzwischen die beliebteste Spiele-Plattform Deutschlands, vor PC, Konsole oder Tablet, wie der Game-Verband im Juli berichtete: So spielten im vergangenen Jahr rund 18,2 Millionen Menschen auf ihren Smartphones. Das sind rund 900.000 mehr als noch 2016 – oder ein Plus von fünf Prozent.
Die Gamescom in Zahlen und Fakten
Der erste Messetag am Dienstag (21. August) ist vor allem Fachbesuchern und Medien vorbehalten, von Mittwoch (22. August) an dürfen alle rein. Abschlusstag ist der Samstag (25. August). Im vergangenen Jahr kamen mehr als 350.000 Besucher zur Gamescom. Da nicht jedes Spiel auf der Messe für jedes Alter geeignet ist, werden am Eingang Bändchen verteilt. An den Ständen ist dann schnell erkennbar, wer einen Titel anspielen darf und wer nicht. Grün steht etwa für eine Altersfreigabe ab 12 Jahren, rot für 18 Jahre aufwärts.
Die Gamescom knackt in diesem Jahr nach eigenen Angaben die Marke von 1000 Ausstellern – neuer Rekord. Darunter sind natürlich bekannte Branchen-Größen wie Nintendo, Sony, Activision Blizzard, Ubisoft und Microsoft, aber auch zum Beispiel Amazon und Facebook. Partnerland ist 2018 Spanien, das sich nicht nur den Fachbesuchern, sondern auch allen Hobby-Spielern mit seinen Gaming-Unternehmen präsentieren will. Das Land ist der viertgrößte Computer- und Videospielmarkt in Europa.
Ein großer Teil des Publikums besteht immer noch aus überzeugten Videospielfans, die auch bereit sind, stundenlang vor einem Stand zu warten. Die Warteschlangen auf der Gamescom sind legendär, ebenso wie die Menschenmassen, die sich durch die Hallen drücken. Die Messe ist auch ein Treffpunkt für Cosplayer – das sind kostümierte Video- und Computerspielefans, die sich als ihre Lieblingsfiguren verkleiden. Für sie wurden „Kostümgestaltungsregeln“ veröffentlicht – man ist in Deutschland. Scharfkantige Kostümteile sind verboten.
Köln mit dem Auto zu besuchen, ist per se nicht die allerbeste Idee. Die Bahn-Unternehmen in der Region setzen 32 Sonderzüge ein. In den Morgenstunden wird zum Beispiel die Verbindung aus Richtung Dortmund und Düsseldorf (RE 1) nach Köln aufgestockt. Wer in Köln bleiben möchte und eine Unterkunft braucht, kann über das sogenannte Gamescom Camp, „Europas größtes Gaming-Zeltlager“, nachdenken – direkt am Rheinufer. Das Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) will dort auch die erste „Pop-up-Jugendherberge“ eröffnen. 80 Messebesucher sollen so eine „komfortable, einzigartige Unterkunft in Messenähe“ erhalten.
2009 öffnete die Gamescom erstmals in Köln, sie löste damals die Games Convention in Leipzig ab. Wer durchzählt, stellt fest: 2018 findet die zehnte Gamescom statt. Land und Stadt feiern den Geburtstag mit einer aufwendigen Illumination am Rheinufer. Rund 7000 Leuchtstoffröhren sollen allabendlich markante Kölner Bauwerke in Szene setzen, darunter auch Rhein-Brücken.
Wer Computerspiele trotz allem doof findet, kann dennoch von der Gamescom profitieren. In der Kölner Innenstadt findet erneut das „Gamescom City Festival“ mit Musik satt – und kostenlosem Eintritt. Vor allem Fans des deutschen Hip-Hop vor der Zeit des Gangsta-Raps dürften sich freuen, da Fünf Sterne Deluxe auftreten. Mit dabei sind auch Kettcar und eher lokale Top-Gruppen wie „Querbeat“.
Zudem wird im Rahmen der Gamescom wieder fleißig debattiert und konferiert. Am Mittwoch (22. August) etwa gibt es den „Gamescom Congress“ zum Thema „Mehr als Spiele“. Eröffnet wird er von einer politischen Runde, in der Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Nicola Beer (FDP), Jörg Schindler (Die Linke) und Michael Kellner (Grüne) aufeinandertreffen.
Dass nun mehr Menschen am Smartphone spielen statt am PC, hat zwei einfache Gründe: Zum einen sind die Mobiltelefone in den vergangenen Jahren immer leistungsfähiger geworden. Zum anderen haben die meisten Menschen sie auch dann dabei, wenn sie gerade nichts anderes zu tun haben: Wer sich in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit oder in der Büropause die Zeit vertreiben will, nutzt dazu einfach am Smartphone.
Mehr Eindruck machen aber die aufwändigeren Computerspiele – auch auf der Gamescom: Eine der größten Hallen ist jene, in denen die Hersteller der Spielekonsolen ihre riesigen Stände haben – auf der einen Seite Sony mit seiner Playstation 4 (PS4), schräg gegenüber Microsoft mit der Xbox One. Auf den Bühnen treten im Stundentakt YouTube-Stars auf.
Als im vergangenen Jahr der Webvideo-Produzent Paluten auf der PS4-Bühne auftaucht, kreischen die meist jugendlichen Fans wie beim Auftritt eines Popstars – und ältere Gamescom-Besucher reiben sich verwundert die Augen. Paluten betreibt einen erfolgreichen Videokanal mit fast drei Millionen Abonnenten – und ist einer der Stars der sogenannten Let’s-Play-Szene, indem er sich selbst beim Spielen des Videospiels Minecraft filmt. Sony hat den 30-jährigen Hamburger als Testimonial für seine PS4-Games angeheuert.