Genforschung Programmierte Zellen als Krebskiller

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"Biologie ist Nanotechnologie"

Eine Gruppe um den MIT-Forscher Xuanhe Zhao hat kürzlich einen Plastikhandschuh entwickelt, auf dem solche Sensor-Bakterien dauerhaft leben – immer einsatzbereit, um bei Kontakt mit bestimmten giftigen Chemikalien gelb aufzuleuchten. Dazu haben sie einen biokompatiblen Kunststoff entwickelt, in dem winzige Kanäle mit Wasser enthalten sind, in dem die Bakterien schwimmen. Jede Fingerspitze des Handschuh-Prototypen reagierte auf ein anderes Umweltgift.

MIT-Forscher Nielsen hat kürzlich ein Start-up namens Asimov gegründet, finanziert vom renommierten Wagniskapitalgeber Andreessen Horowitz, das den Bau von Bio-Bricks so leicht machen will wie das Schreiben einer Smartphone-App. „Wir haben eine Plattform entwickelt“, sagt er, „mit der Biologen Schaltkreise entwickeln können, die dann automatisch in genetischen Code übersetzt werden.“ Auf Basis dieses Coder-Baukastens für Erbgut könnten Biologen künftig hilfreiche Lebewesen entwickeln: Bakterien, die im Magen helfen, Laktose zu verdauen; Organismen, die auf den Wurzeln von Pflanzen leben und Insektizide produzieren, wenn sie spüren, dass die Pflanze angegriffen wird; oder Mikroben, die im Körper Krankheiten aufspüren und dann heilende Wirkstoffe produzieren.

Letzteres wollen Forscher am Weiss Lab for Synthetic Biology am MIT erreichen. Die Forscher publizierten Anfang Februar im Fachmagazin Science einen Aufsatz über den Nutzen genetischer Schaltkreise für die Medizin. Demzufolge lassen sich Gen-Zirkel entwickeln, die erkennen, ob eine Zelle mit einem HI-Virus befallen ist – und dann eine Selbstmord-Sequenz auslösen, damit die Zelle das Virus nicht weiterverbreitet.

Auch dem Krebs sind die Forscher auf der Spur. Krebszellen zu erkennen, ist deutlich schwieriger als ein einzelnes Virus, denn es gibt nicht ein einziges bestimmtes Merkmal, mit dem sich die Krankheit verraten würde. Dennoch gelang es den MIT-Forschern immerhin im Labor, Schaltkreise zu entwickeln, die Krebszellen identifizierten und dann die Produktion eines passenden Proteins ankurbelten, das die mutierten Zellen zerstörte. Noch hat die Technik ihre Hürden. Längst sind nicht alle Wechselwirkungen und Nebenwirkungen bekannt, die in der Interaktion von tausenden natürlichen und künstlich erzeugten Genen entstehen können. Auch ist es nicht immer leicht, neue Gene in Zellen einzubringen – bei Bakterien und Blutzellen funktioniert es noch relativ leicht, bei Muskel- oder Organzellen wird es komplizierter.

BioBricks-Erfinder Tom Knight ist dennoch optimistisch, dass die Technik eine ganz neue Welt eröffnen wird. Auch er hat ein Start-up gegründet, Ginkgo Bioworks, das in Boston Designer-Bakterien für die Industrie entwickelt und sagenhafte 430 Millionen Dollar eingesammelt hat, um Organismen dazu zu bringen, Aromen, Chemikalien oder Medikamente herzustellen.

Künftig ließen sich so Produkte herstellen, von denen wir heute noch nicht einmal träumen, glaubt Knight. „Biologie ist Nanotechnologie“, erklärt er. Mit ihr ließen sich künftig Atome neu stapeln, wie es dem Menschen am besten diene. Ein Lego des Lebens eben, gebaut von Menschen.

DNA-Anwendungen

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