Genügt das im Wettkampf mit Apple und Huawei? Samsung präsentiert das faltbare 2000-Dollar-Handy

Samsung Fold Galaxy Smartphone Quelle: dpa

Der südkoreanische Handy-Weltmarktführer startet mit gleich vier neuen Geräten die aktuelle Smartphone-Saison. Doch der Knüller ist ein Zwitter aus Smartphone und Tablet – den selbst Samsung als Luxus bezeichnet.

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Die Bill Graham Konferenzhalle, schräg gegenüber von San Franciscos Rathaus, hat in ihrer hundertjährigen Geschichte viele Kämpfe erlebt. Früher ging es ums Boxen, in jüngster Zeit um Hightech. Audi stellte hier im vergangenen Jahr seine Elektroautostrategie vor. Apple-Chef Tim Cook präsentierte im November 2016 mit dem iPhone 7 die zehnte Smartphone-Generation des Silicon Valley Konzerns.

Am Mittwoch war die Halle in den Farben von Samsung beflaggt. Wieder drehte es sich um Smartphones und die Zahl 10. Die Südkoreaner präsentierten mit dem Galaxy S10 ihre neue Smartphone Flotte für dieses Jahr. Inklusive des ersten Handys, das die nächste Mobilfunkgeneration 5G beherrscht.

Es ging darum, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Nämlich den Erzkonkurrenten und Lokalmatador Apple mit einer perfekt inszenierten Show direkt in dessen Vorgarten kräftig zu ärgern. Und Huawei die Show zu stehlen. Der neue Angstgegner aus dem Reich der Mitte wird seine neuen Produkte erst in ein paar Tagen auf dem Mobilfunkweltkongress in Barcelona zeigen.

Mehr noch: Geht es nach den vollmundigen Ankündigungen von DJ Koh, dem Chef von Samsungs Mobilfunksparte, dann hat sein Konzern am Mittwoch Geschichte geschrieben und eine „neue Smartphone-Kategorie“ geschaffen, die das Antlitz der Geräte in der nächsten Dekade grundlegend ändern und die Branche zu neuen Höhen führen wird.

Koh meint damit das Galaxy Fold, den eigentlichen Star der Präsentation. So heißt das erste serienmäßige Smartphone eines namhaften Herstellers, das sich zu einem Tablet auseinanderfaltet. Auf der Vorderseite wirkt das Fold wie ein - zumindest für derzeitige Standards- etwas klobiges Smartphone mit einem zu klein geratenen Display. Klappt man das 17 Millimeter dicke Gerät jedoch auseinander, so setzt sich ein Bildschirm mit einer Diagonale von 18,5 Zentimeter zusammen, dank einer speziellen Polymerschicht und einem ausgeklügelten Scharnier ganz ohne Bruchstelle. Das ist nur etwas kleiner als Apples iPad Mini, das eine Bildschirmdiagonale von 20,1 Zentimetern hat. Der Samsung Falter ist mit allem gespickt, was von modernen Smartphones erwartet wird und gleich mit sechs Kameras versehen, damit aus allen Positionen heraus fotografiert und gefilmt werden kann. Hinter den zusammengefügten Displays sind gleich zwei Akkus verbaut, die gemeinsam eine Kapazität von 4380 mAh offerieren.

Wie lange sich damit das Doppel-Display betreiben lässt, darüber schwieg Samsung am Mittwoch, ebenso über das Gewicht. Das Gerät wurde nur auf der Bühne gezeigt. Dafür steht sein Preis fest, dessen Höhe ein Raunen im Publikum auslöste. Denn der ist mehr als üppig. In den USA wird das Fold am 26. April zum Preis von 1980 Dollar auf den Markt kommen, der Start in Europa ist für den 3. Mai geplant. Das sind Dimensionen, in die sich noch kein Smartphone-Hersteller gewagt hat. Samsung selbst bezeichnet das Fold deshalb lieber als Luxus.

Hoffnungsträger fürs kommende Jahrzehnt

Als großer Umsatzträger ist es ohnehin nicht gedacht, dafür als Trendsetter fürs nächste Jahrzehnt. Es ist Kohs Antwort auf „Skeptiker, die meinen, dass schon längst alles ausgereizt ist und die Ära der Smartphone-Innovation vorbei.“ Mit anderen Worten: Noch ist es ein Statussymbol, doch mit steigenden Stückzahlen und damit wachsender Popularität werden die Preise fallen. Zumal auch Konkurrenten wie Huawei und LG auf faltbare Displays setzen oder das mit sechs Milliarden Dollar Wagniskapital ausgestattete chinesisch-amerikanische Start-up Royole.

„Wie sich der Markt für faltbare Displays entwickelt, wird sehr stark vom Engagement von App-Entwicklern abhängen“, meint Technologieanalyst Avi Greengart vom Beratungsunternehmen Techsponential. Google, Microsoft und Facebook sind beim Fold schon mal an Bord, für die Präsentation am Mittwoch wurden vor allem die Vorteile von Google Maps auf dem größeren Display gepriesen.

Bis faltbare Smartphones florieren, müssen jedoch erstmal die klassischen Geräte die Käufer begeistern und das Geld für die neuen Innovationen heranschaffen. Zwei Milliarden seiner Galaxy-Smartphones, so enthüllte Koh, hat Samsung seit Start vor zehn Jahren weltweit abgesetzt. Zudem verdienen die Südkoreaner auch bei Wettbewerbern wie Apple mit, für die sie Komponenten fertigen. Apple mag die Smartphone-Revolution ins Rollen gebracht haben, doch Samsung ist mit ihr zum Weltmarktführer aufgestiegen. Und damit eine feste Größe in einer der raren Kategorien von teuren Produkten, die relativ regelmäßig nachgekauft werden.

Laut Erhebungen des Beratungsunternehmens Gartner kam im dritten Quartal 2018 fast jedes fünfte Smartphone aus dem Hause Samsung, mit 13,4 Prozent ging Platz 2 an Huawei und der dritte Rang mit 11,8 Prozent an Apple.
Doch das Geschäft läuft nicht mehr so prächtig. Im vierten Quartal hatte Samsung wegen einer schwächeren Nachfrage nach Speicherchips und Smartphones einen Umsatzrückgang von zehn Prozent vermelden müssen, der Gewinn fiel sogar um 31 Prozent. Auch Apple setzte im Weihnachtsquartal weit weniger Smartphone ab als ursprünglich prognostiziert

Das Beratungsunternehmen Strategy Analytics schätzt, dass Marktführer Samsung im vergangenen Jahr rund 291 Millionen Smartphones verkauft hat – 8,3 Prozent weniger als im Vorjahr.

Alle Modelle eint ein happiger Preis

Nahezu alles über die Galaxy S10 Reihe war schon vor der Premiere am Mittwochabend deutscher Zeit durchgesickert. Wobei eine Samsung-Sprecherin dementierte, dass man die zahlreichen Details und Produktfotos selber lanciert hätte. Tatsache ist, dass Samsung damit mehrere Wochen in den Schlagzeilen war und die Kunde neuer Galaxy Smartphones bis in den letzten Winkel der Welt vorgedrungen ist.

Nun also ganz offiziell: Samsung bringt im März gleich vier neue Modelle auf den Markt statt der sonst üblichen zwei. Sie unterscheiden sich in der Größe ihrer Amoled-Displays - von 5,8 Zoll (14,7 cm) beim S10e über 6,1 Zoll (15,5 cm) beim S10 sowie 6,4 Zoll (16,3 cm) beim S10+. Außerdem reicht die Kapazität ihrer fest verbauten Akkus von von 3100 bis 4100 mAh und die des integrierten Speichers von 128 Gigabyte bis zu einem Terabyte.

Während das Einstiegsmodell nur zwei rückseitige Kameras offeriert, sind die größeren Brüder mit einer dritten Kamera verstärkt, die Aufnahmen mit Tele gestattet.
Allen Modellen gemein sind happige Preise: Von 750 Euro über 899 Euro und 999 Euro für die jeweiligen Basisversionen. Neu ist ein kabelloser Ohrhörer, Samsungs Antwort auf Apples populäre Airpods.
Das vierte Telefon im Reigen ist das Sondermodell S10 5G. Wie der Name verrät, ist es mit einem Modul für den neuesten Mobilfunkstandard versehen. Sein Bildschirm ist mit 6,7 Zoll (17 cm) das größte Display, das Samsung je in einem Smartphone verbaut hat.

Erfreulich ist, dass Samsung weiterhin das Erweitern des Speichers mit microSD-Karten erlaubt, was die Speicherkapazität des Topmodells auf stattliche 1,5 Terabyte hochschraubt. Einzig der Speicher des 5G Sondermodells ist nicht erweiterbar.
Vier Dinge muss man über Samsungs Topmodelle anno 2019 wissen: Sie bieten etwas mehr nutzbare Displayfläche, haben leistungsstärkere Akkus, setzen bei der Identifikation des Nutzers auf Fingerprint-Scanner und offerieren noch mehr Möglichkeiten beim Fotografieren, nicht nur bei der Wahl des Bildwinkels, sondern auch eingeschränkten Lichtverhältnissen.

Bei der Kameraqualität ist Samsung an Apple vorbeigezogen

Gerade die Qualität der Kameras kann Apple gefährlich werden. Die Kalifornier haben das Smartphone definiert und die saftigsten Früchte in Form von noch immer üppigen Profitmargen geerntet.
Das lag lange nicht nur am Design ihrer Geräte und der Kontrolle über deren Betriebssystem – Samsung ist bei Android auf Tempo und Innovationskraft von Google angewiesen – sondern vor allem dem exzellenten Ruf der iPhone Kameras. Sie setzte den Goldstandard bei der Handy-Fotografie. Doch die Zeiten sind vorbei. Was früher bei den Displays galt, trifft nun auch auf die Kameras zu: Die Konkurrenz aus Asien hat überholt.

Laut Smartphone-Kameraspezialist Hubert Nguyen, Mitgründer der Tech-Seite Übergizmo, hat schon die Galaxy 9 Reihe Apples Topmodell iPhone XS den Rang abgelaufen, wegen qualitativ besserer Aufnahmen bei schlechten Lichtverhältnissen.
Das liegt nach der Einschätzung des ehemaligen Ingenieurs für Computergrafik-Hardware an den leistungsfähigeren Hardware-Komponenten, die Samsung benutzt und die Apples Ingenieure nur allein durch Software nicht wettmachen können. Die Galaxy 10 Reihe wird diesen Vorsprung gegenüber dem iPhone XS vermutlich noch ausbauen. Mehr noch: Auch Huawei ist dank Kooperation mit den Kameraspezialisten Leica mit seinem Mate 20 Pro in die Spitzenliga der Handy-Kameras aufgestiegen.

Da viele wechselwillige Käufer neben der Leistungsfähigkeit des Akkus besonders auf die Kameraleistung achten, wird für Samsung entscheidend sein, ob die Bildqualität der Galaxy 10 Reihe tatsächlich so gut ist, dass sie sich überzeugend vermarkten lässt.
Um Kunden zu locken, greift Samsung zudem zu einer Taktik, von der Apple Kunden nur träumen können: Es gibt etwas gratis. Vorbesteller bekommen die drahtlosen Ohrhörer kostenlos dazu.

Mindestens ein halbes Jahr ist nun Zeit, bis Apple im Herbst mit einer neuen Produktgeneration kontern kann. Der Gigant aus dem Silicon Valley hat den Vorteil, dass er sich im nordamerikanischen Markt voll auf die Auseinandersetzung mit Samsung fokussieren kann. Huawei kann die beiden Smartphone-Ikonen nur in seinem Heimatmarkt China und in Europa piesacken.

Weil die US-Regierung die Produkte des Konzerns als trojanisches Pferd betrachtet – Gründer Ren Zhengfei arbeitete einst als Technologiespezialist für die chinesische Volksarmee – ist der US-Markt für Huawei erst einmal verschlossen. Da helfen auch die beste Kamera oder das günstigste faltbare Display nichts.

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