„Gequält, bedroht und schikaniert “ „Telekom-Beamte in Not“ senden Hilferuf

In einem offenen Brief beschweren sich mehr als 300 Telekom-Beamte über die Personalpolitik der Deutschen Telekom. Quelle: REUTERS

Viele Beamte bestätigten in Leserbriefen den WirtschaftsWoche-Bericht über die unzumutbaren Schikanen, mit denen die Deutsche Telekom sie aus dem Unternehmen drängen will. Jetzt soll Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ihren Kampf gegen Altersdiskriminierung unterstützen.

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Es klingt wie eine Verzweiflungstat – und ist es wohl auch. „Wir sind eine Gruppe von mehr als 300 Telekom-Beamten, die zur Zeit sehr unter der Personalpolitik der Deutschen Telekom leiden.“ Mit diesen Worten beginnt der offene Brief mit der Betreffzeile „Altersdiskriminierung bei der Deutschen Telekom AG“. Unterzeichnet ist das dreiseitige Schreiben mit „Telekom-Beamte in Not“. Einziger Adressat ist die „sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin Christine Lambrecht“. Die Sozialdemokratin – so hoffen die anonymen Schreiber der Protestnote – soll „die Ungerechtigkeit beenden und das Leiden unserer Familien stoppen“. Als Mitglied der Bundesregierung, hoffen die Beamten, „haben Sie sicherlich Möglichkeiten, uns zu helfen“.

Dann schildern die Telekom-Beamten mit eigenen Worten ihren offenbar untragbaren Arbeitsalltag – genau so wie in dem Bericht, der im Oktober in der WirtschaftsWoche erschienen und von der Telekom zurückgewiesen wurde.

Zu Wort melden sich Staatsdiener, die „ohne sachlichen Grund“ zur internen Arbeitsagentur – den TPS Telekom Placement Services (früher: Vivento) – versetzt wurden. Die Vorwürfe sind hart: Die beiden TPS-Hauptstandorte in Darmstadt und im rheinischen Brühl seien „Folterlager“, in denen „Beamte, die das Unternehmen los werden möchte, derart gequält, gedemütigt, bedroht und schikaniert werden, bis sie freiwillig und ohne faire Abfindung als psychisch und physisch gebrochene Menschen das Unternehmen verlassen“. Da würden Menschen, die noch zehn bis 15 Jahre zu arbeiten hätten, „vorsätzlich krank gemacht, um sie als dienstunfähig hinzustellen und in den Ruhestand abzuschieben“. Das alles geschehe nicht „rein zufällig“, sondern „nur bei Beamten, die älter als 55 Jahre sind“.

Die Aussagen der Beschäftigten zeigen, welcher Graben das Unternehmen durchzieht. Bei der Telekom fällt er besonders tief aus, weil für ein Viertel ihres Personals besondere Regeln gelten. Rund 24.000 der aktuell 98.000 Beschäftigten in Deutschland haben ihren Dienst vor dem Jahr 1995 angetreten, in dem sich die damals staatliche Bundespost in Vorbereitung auf die Privatisierung in die drei Aktiengesellschaften Post, Telekom und Postbank umwandelte. Dass die drei Unternehmen die Beamten „unter Wahrung ihrer Rechtsstellung“ beschäftigen müssen, regelt seitdem sogar ein eigener Artikel im Grundgesetz. Während andere Arbeitgeber ältere Beschäftigte seit Jahren in Teilzeit oder gleich ganz nach Hause schicken, können Staatsdiener bei der Telekom bis zum Erreichen der Altersgrenze an Bord bleiben. Im Alltag unterscheiden sich die Beamten kaum von anderen Beschäftigten im Unternehmen. Doch seit rund eineinhalb Jahren verfestigt sich bei manchen der Eindruck, dass sich die oberen Telekom-Manager zunehmend an ihnen störten.

Detailliert listen die Beamten nun in ihrem Hilferuf an die Ministerin all die ihrer Meinung nach „rücksichtslosen Methoden“ auf, die beim Personalabbau zum Einsatz kommen. „Einige von uns wurden völlig sinnlos vier Mal innerhalb eines kurzen Zeitraumes versetzt, obwohl wir Kinder und Familienangehörige haben, die uns zu Hause brauchen.“ Sogar Beamte des höheren Dienstes würden nach vielen Jahren in Top-Management-Positionen gezwungen, niederste Bürotätigkeiten zu verrichten, „die jeder Lehrling als stumpfsinnig bezeichnen würde“. Sogenannte Mentoren „begleiten und überwachen uns von morgens bis abends“ und „beleidigen uns als wertlos, alt, unfähig und überflüssig“.

Schon oft sei der Betriebsrat eingeschaltet worden, die Beschwerden seien jedoch regelmäßig im Sande verlaufen. Auch juristisch „kommen wir nicht weiter, da die Telekom systematisch die Verwaltungsgerichte belügt und behauptet, wir würden als Beamte vollkommen „amtsangemessen“ in der TPS eingesetzt. „Aber in Wirklichkeit entfernen wir den ganzen Tag nur Büroklammern oder kopieren und scannen Unterlagen.“ Eine derart schikanöse Behandlung sei eine „klare Altersdiskriminierung und darüber hinaus menschenverachtend“. Die Ministerin möge sie bitte mal besuchen und sich selbst davon überzeugen, wie selbst 60-Jährige Spitzenbeamte, die viele Jahre hochrangige Telekom-Manager waren, „nun Aushilfstätigkeiten machen müssen und dabei lächerlich gemacht werden“.

Es könne doch nicht sein, dass in einem Unternehmen wie der Deutschen Telekom, das sich noch zu über 30 Prozent im Besitz des Bundes befindet, „eine wahre Hexenjagd auf Beamte“ stattfindet – nur um Personalkosten zu sparen. „Wo bleibt die Fürsorgepflicht des Bundes für seine Beamten?“ fragen die in die TPS abgeschobenen Beamten und hoffen auf die Hilfe der Bundesjustizministerin. „Gerade bei einem Konzern mit Bundesbeteiligung sollte so etwas nicht vorkommen.“

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