Wenn jemand alles anders macht als die Konkurrenz, dann haftet ihm schnell das Etikett „verrückt“ an. Wer dabei auch noch en passant alle Glaubenssätze einer ganzen Branche über Bord wirft, gilt gar als „Revolutionär“.
Auf Peter Kamphuis trifft beides zu – auch wenn er gar nicht als „verrückter Revolutionär“ in die Geschichte des deutschen Telekommunikationsmarktes eingehen will. Ein „Pionier“ sei er, sagt Kamphuis, mehr nicht.
Mit seiner Idee löst Kamphuis gerade das größte Infrastrukturproblem in Deutschland, den Mangel an schnellen Internet-Verbindungen – und das ohne staatliche Subventionen. Ausgerechnet den entlegensten Dörfern der Republik, wo alle großen Telekommunikationskonzerne den Bau neuer Glasfaser-Datenautobahnen wegen der immens hohen Tiefbaukosten kategorisch ablehnen, bietet Kamphuis eine unkonventionelle Lösung an. Damit stellt er den Markt für superschnelle Internet-Anschlüsse auf den Kopf.
Kamphuis’ Unternehmen heißt Deutsche Glasfaser GmbH und ist eine Tochtergesellschaft des niederländischen Baukonzerns Reggeborgh. Der Name ist Programm. Denn der 45-Jährige tingelt mit einer Fräsmaschine von Dorf zu Dorf, zieht einen nur 10 Zentimeter breiten und 20 Zentimeter tiefen Schlitz in die Bürgersteige, legt dort Glasfaserkabel hinein und verschließt alles noch am gleichen Tag wieder. Das ist bis zu 80 Prozent preiswerter, als wie bisher tiefe Gräben zu buddeln.
Ein Anschluss kostet so 1.050 Euro pro Haushalt. „Die Bewohner bekommen von uns einen superschnellen Glasfaseranschluss“, verspricht er. Einzige Bedingung: 40 Prozent der Haushalte müssen vor Baubeginn einen Vertrag abschließen, dass sie den neuen Anschluss auch nutzen.
Trotz der „Digitalen Agenda“ hat sich wenig getan
Seit einem Jahr mahnt die große Koalition einen beschleunigten Glasfaserausbau in bisher unterversorgten ländlichen Regionen an. Das Thema steht ganz oben auf der kürzlich verabschiedeten „Digitalen Agenda“. Flächendeckend sollen sich alle Einwohner bis 2018 mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde vernetzen.
Doch getan hat sich bisher wenig. Nach wie vor feilschen große Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom und Vodafone um Bundes- und Landeszuschüsse in Milliardenhöhe, um die Wirtschaftlichkeitslücke beim Bau von Glasfasernetzen auf dem Lande zu schließen.
Auch ein Teil der Erlöse aus der Mobilfunkauktion im kommenden Sommer soll in den Breitbandausbau zurückfließen. Bei Ausbaukosten in Höhe von bis zu 5000 Euro pro Glasfaseranschluss in dünn besiedelten Regionen, rechnet die Telekom gerne vor, rentiere sich sonst die Investition nicht.
Die Internet-Anschlüsse der deutschen Haushalte
...besitzen einen Internet-Anschluss von 50 Megabit pro Sekunde und mehr.
Stand: Sommer 2014; Quelle: TÜV Rheinland
...besitzen einen Internet-Anschluss von 30 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 16 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 6 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 2 Megabit pro Sekunde und mehr.
...besitzen einen Internet-Anschluss von 1 Megabit pro Sekunde und mehr.
Ausgerechnet Newcomer Kamphuis beweist jetzt, dass sich der Neubau von Glasfasernetzen in ländlichen Regionen viel preiswerter und ohne staatliche Förderprogramme realisieren lässt. 100.000 Haushalte, vorwiegend in den nordrhein-westfälischen Landkreisen Borken und Heinsberg im deutsch-niederländischen Grenzgebiet, hängen schon am Netz der Deutschen Glasfaser. Vereinzelt ist das Unternehmen auch schon in Bayern und Schleswig-Holstein aktiv.
Im vergangenen Jahr bekamen so 60.000 zusätzliche Haushalte einen Glasfaseranschluss und können jetzt mit Geschwindigkeiten von einem Gigabit pro Sekunde durchs Internet surfen. Deutsche Glasfaser gehörte damit zu den am schnellsten wachsenden Betreibern von Glasfasernetzen in Deutschland.
Gegen das Monopol der Telekom
Für Kamphuis ist das nur der Aufgalopp für ein Riesenprojekt, das er in den kommenden vier Jahren stemmen will. Denn mit seiner Firma Deutsche Glasfaser will der Niederländer das Monopol der Telekom in ländlichen Regionen knacken.
„14 Millionen Haushalte in Deutschland besitzen keinen internetfähigen TV-Kabelanschluss und werden auch von der Deutschen Telekom vernachlässigt“, sagt Kamphuis. „2015 wollen wir das Ausbautempo verdoppeln und innerhalb von vier Jahren vervierfachen“, kündigt der Geschäftsführer an.
Bereits dann würde sich die Deutsche Glasfaser beim Neubau von Glasfasernetzen an die Spitze setzen und Branchenriesen wie die Deutsche Telekom abhängen. Gerade mal 1,7 Millionen Haushalte besitzen derzeit einen Glasfaseranschluss, 385.000 Haushalte nutzen ihn auch. Mit einer Quote von lediglich einem Prozent gehört Deutschland damit zu den Schlusslichtern in Europa.
Vorbild in den Niederlanden
Dabei will Kamphuis die Versorgungslücken in Deutschland nicht im Alleingang schließen. Seine Muttergesellschaft Reggeborgh sucht noch einen starken Investor, der sich mit einer Kapitalspritze die Kontrolle über diese neue Infrastruktur sichert. „Wir können dann das Ausbautempo auf 500.000 bis eine Million Haushalte pro Jahr hochschrauben“, sagt Kamphuis.
In den Niederlanden hat das schon geklappt. Dort gehörte Kamphuis 2006 zum Gründerteam der Schwestergesellschaft Reggefiber, die im Nachbarland das größte Glasfasernetz mit inzwischen 1,9 Millionen Hausanschlüssen ausrollte. „Dort haben wir in unserem besten Jahr 450.000 Haushalte angeschlossen“, sagt Kamphuis. „In Deutschland könnten wir das übertreffen.“
Die Deutschen im Internet
2013: 41,3 Prozent
2012: 42,2 Prozent
Quelle: Initiative D21
2013: 9,6 Prozent
2012: 8,5 Prozent
2013: 7,1 Prozent
2012: 7,5 Prozent
2013: 6,2 Prozent
2012: 5,1 Prozent
2013: 3,7 Prozent
2012: 3,2 Prozent
2013: 1,5 Prozent
2012: 1,5 Prozent
2013: 1,2 Prozent
2012: 1,2 Prozent
2013: 0,8 Prozent
2012: 1,0 Prozent
Das Erfolgsmodell würde Reggeborgh gerne nach Deutschland exportieren. In den Niederlanden konnte der Baukonzern frühzeitig den holländischen Ex-Monopolisten KPN als strategischen Investor gewinnen. Bereits zwei Jahre nach dem Start, im Mai 2008, stieg KPN mit 41 Prozent bei Reggefiber ein.
Im vergangenen Jahr, als der Endausbau nahezu abgeschlossen war, schluckte KPN dann für 610 Millionen Euro das Joint Venture ganz. Immerhin ein Drittel der mit Glasfaser versorgten Haushalte konnte Reggefiber als Kunden gewinnen, obwohl es mit dem Fernsehkabelnetz fast überall einen ebenbürtigen Konkurrenten gibt.
Bedenken der Tiefbauämter
In Deutschland muss der Newcomer allerdings noch Hürden aus dem Weg räumen. „Viele Bürgermeister rollen uns den roten Teppich aus, aber in den Tiefbauämtern gibt es noch Bedenkenträger“, sagt Kamphuis. Fast schon dogmatisch beharren einige Beamte darauf, dass auch für die Glasfaserkabel die gleichen Buddelvorgaben gelten wie für die anderen Versorgungsleitungen und deshalb – wie bei Gas, Wasser und Strom – ein etwa ein Meter tiefer Schacht ausgehoben werden muss.
Dabei wurde im Telekommunikationsgesetz extra ein Passus eingefügt, der den Einsatz der deutlich günstigeren Frästechnik erlaubt. Doch insbesondere die vielen lokalen Tiefbauunternehmer, die seit Jahrzehnten im Auftrag der Stadtwerke und der Deutschen Telekom tiefe Kabelschächte ausheben, weigern sich noch, die neue Technik einzusetzen.