Glasfaserausbau Wer schnelles Netz will, muss zahlen

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Neue Rohre braucht das Land

Lüttingens Anwohner, wie tausende in ganz Deutschland in Neubaugebieten oder abgelegenen Regionen lebenden Menschen, konnten deswegen in der heißen Phase der Werbung um ihren Antrag bei dem Plakataufsteller Deutsche Glasfaser eine Menge lernen über Deutschlands Infrastruktur, sperrige Kürzel wie FFTH und TFFC, oder Begriffe wie 5G oder Vectoring. Stellt man sich eine Breitbandleitung wie ein Abwasserohr vor, dann ist es zwar schön, wenn durchs Dorf unterirdisch ein breites Rohr verläuft, aber nutzlos, wenn vom Haus bis dorthin nur ein Strohhalm liegt. Das digitale Nadelöhr befindet sich unter dem eigenen Vorgarten. Es dort aufzubohren ist dann auch Privatsache.

Die Engstelle besteht derzeit aus Kupfer. Dieses seit Jahrzehnten bewährte Material für die Telefonverbindungen hat seine Grenzen. Und die endet bei ziemlich genau 100 Megabit pro Sekunde. Die Telekom als größter deutscher Netzanbieter hat ein Verfahren entwickelt, das sogenannte Vectoring. Das können Lüttingens Bürger bereits heute haben. Sie können, wie alle Bürger Deutschlands auch, auf der Webseite der Telekom in einer interaktiven Grafik schauen, ob sich auf absehbare Angebot des Konzerns daran etwas ändert.

Die Kombination aus Glasfaserkabel bis zum grauen Verteilerkasten und anschließend aufgemotzter Kupferleitung wird mit FTTC abgekürzt. Daumen runter tönte es da Anfang September in Berlin beim Symposium Breitbandpolitik, einzig allein Leitungen mit der technischen Voraussetzung für 1 Gigabit pro Sekunde seien ausreichend.

Wer auf der Telekom-Karte alle Standorte sehen will, die die Telekom mit Glasfaser-Leitungen versorgt hat, die Geschwindigkeiten von bis zu 200 Megabit pro Sekunde erlaubt, muss tief hineinzoomen. Stade ist unter anderem dabei, einige Stadtteile Hannovers, Mettmann im Rheinland (nicht alle Straßen, wohlgemerkt) oder Waltershausen bei Gotha.

Wer die Gesamtansicht für Deutschland wählt sieht im Prinzip einen großen weißen Fleck. Wann immer ein Unternehmen für die großen Datenmengen in Design oder Produktion ein Glasfaserkabel verwendet, ist die Chance groß, dass es das letzte Stück aus eigener Kasse bezahlt hat, um gewappnet zu sein.

Die Telekom, so Kritiker aus der Politik, sei ein Rosinenpicker, der nur in Ballungsräumen ausbaue und die ländlichen Regionen vernachlässige. Obwohl dort mit staatlicher Förderung auch wirtschaftlich nicht darstellbare Vernetzungen möglich sind.

Glasfaser Netzausbau in ländlicher Region. Quelle: Thorsten Firlus für WirtschaftsWoche

"Rosinen zu picken gehört zum Wesen der Marktwirtschaft", sagt Christof Sommerberg, Sprecher der Deutschen Glasfaser. Das 2011 in Borken gegründete Unternehmen nutzt die Chance, jene ländlichen Räume mit Glasfaserangeboten zu beackern, in denen die Telekom derzeit auf die aufgerüsteten Kupferkabel-Bandbreiten setzt. In Lüttingen wirbt die Deutsche Glasfaser mit ihren blauen Plakaten für "echte Glasfaser". Als ob es gefälschte gäbe. Bürger müssen sich an Infoabenden oder im Internet erkundigen, was genau eigentlich dahintersteckt. Eine weitere unbequeme Wahrheit - aus Internetnutzern müssen ein wenig Infrastrukturexperten werden, wenn es rasch voran gehen soll.

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