Google-Entwicklerkonferenz i/o Künstliche Intelligenz ist Googles Mantra

Auf der Google-Entwicklerkonferenz i/o doziert Google-Chef Sundar Pichai über die Segnungen der Künstlichen Intelligenz. Quelle: dpa

Google will nicht nur Gutes, sondern auch Nützliches tun, verspricht sein Chef Sundar Pichai auf der Entwicklerkonferenz i/o und bejubelt die Künstliche Intelligenz. Die i/o zeigt, im 20. Jahr seines Bestehens ist Google mächtiger denn je.

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Nichts „Böses“ zu tun, hatten die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin beim Börsengang ihres Unternehmens gelobt. Der ist fast anderthalb Jahrzehnte her. Doch der Schwur ist dieser Tage wieder hochaktuell, nachdem das technikgläubige Silicon Valley entdeckt hat, dass seine Werkzeuge die Welt eben nicht nur verbessern, sondern auch in Schwierigkeiten bringen können.

Nach seinem Datenskandal bekräftigte Facebook-Chef Mark Zuckerberg in der vergangenen Woche bei seiner Entwicklerkonferenz, dass man nicht nur gute Werkzeuge bauen wolle, sondern diese auch „für Gutes“ einsetzen müsse.

Auf der derzeit in Mountain View laufenden Google-Entwicklerkonferenz i/o – der wichtigsten Hausmesse des Suchkonzerns mit 7000 Teilnehmern – formulierte dessen Chef Sundar Pichai den Anspruch am Dienstagabend deutscher Zeit etwas anders. „Wir wollen nützliche Dinge vorantreiben“, postulierte Pichai und dozierte dann über die Segnungen der Künstlichen Intelligenz.

Sie ist das derzeitige Mantra bei Google, das alle Produkte nutzerfreundlicher und sinnvoller machen soll. Dabei geht es Google nicht nur über eher künftige Einsatzgebiete wie die Früherkennung von Herzkrankheiten, beispielsweise über das Auswerten von Retina-Scans. Sondern auch ganz alltägliche Hilfe – wie das Vereinbaren eines Termins beim Frisör oder eine Restaurantreservierung. Besonders beeindruckend: Ein Forschungsprojekt namens Duplex bei dem Googles digitaler Assistent mittlerweile ganz eigenständig mit einem Menschen am anderen Ende der Leitung plaudert, ohne dass es anhand von Tonfall, Stimme oder Reaktion auszumachen ist, dass dieser mit einer Machine kommuniziert. Wie in einem aufgezeichneten Telefongespräch demonstriert, gelang dies etwa mit einer ziemlich zerstreuten menschlichen Partnerin am anderen Ende, die partout nicht verstehen wollte, an welchem Wochentag und mit wieviel Leuten ein Tisch im Restaurant gebucht werden sollte. „Wir wollen unseren Nutzern Zeit sparen“, gibt Pichai das Ziel aus. Noch ist Duplex ein Experiment, das ab Sommer breiter getestet werden soll.

Google Assistant kommt inzwischen also auch mit vielschichtigen Fragen klar und soll künftig noch menschlicher wirken. Dafür wurden sechs neue Stimmen für den Google Assistant vorgestellt. Eine davon mit dem Stimmmuster von R&B-Musiker John Legend.

Neue Version von Google News

Mögliche Fallstricke von maschineller Intelligenz ließ der Google-Chef unter den Tisch fallen. Während Zuckerberg immerhin in der vergangenen Woche einräumte, dass die Ethik beim Weiterentwickeln der Künstlichen Intelligenz eine größere Rolle spielen müsse, streifte Pichai dieses Thema nur, als er über die „große Verantwortung“ sprach, die IT-Firmen heute tragen.

Auch die Debatte über „Fake News“ berührte der Google-Chef nur, als er bekräftigte, dass Google News weiterhin möglichst viele Informationsquellen präsentieren will. Dafür wird das Angebot gerade komplett umgebaut, mit größerem Fokus auf Herkunft der Nachrichten. Google will im Gegensatz zu Facebook und Apple beim Ordnen mehr auf Maschinen als auf menschliche Hilfe setzen. Künstliche Intelligenz soll demnach je nach Nutzungsverhalten die relevantesten Nachrichten offerieren – auch auf lokaler Ebene – dabei aber gleichzeitig die nationalen und globalen Schlagzeilen bieten, um wichtige Informationen nicht herauszufiltern. Die neue Version von Google News wird in den nächsten Tagen in 127 Ländern freigeschaltet.

Was von der Google-Entwicklerkonferenz zu erwarten ist
Google Entwicklerkonferenz I/O Quelle: dpa
Google Entwicklerkonferenz I/O Quelle: REUTERS
Google Entwicklerkonferenz I/O Quelle: AP
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Auch das Thema Datenschutz und Privatsphäre ließ Pichai in seiner Auftaktrede weg. Aus seiner Sicht verständlich. Momentan ist Facebook – berechtigterweise – der Prügelknabe, obwohl Google ähnlich viele Informationen über seine Nutzer sammelt. Doch der Suchkonzern hat kein Interesse daran, bei diesen Themen freiwillig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Immerhin will Google nun stärker Werkzeuge anbieten, um Smartphone-und Internetsucht entgegenzutreten. Beispielweise mit einer Übersicht in Android, welche Applikationen besonders oft genutzt werden und der Möglichkeit, für bestimmte Anwendungen eine Zeitsperre einzubauen oder zumindest einen Hinweis zu geben, dass es Zeit ist, das Smartphone mal wegzulegen. Zudem soll eine Art Feierabend-Modus dabei helfen, abzuschalten. Dabei wird der Handy-Bildschirm langsam auf grau gestellt, um den Nutzer zu signalisieren, dass die Nachtruhe näher rückt.

Das ist bemerkenswert, wurden doch bislang viele Internet-Unternehmen an der Verweildauer ihrer Nutzer im Angebot gemessen, mit dem Ziel, diese möglichst auszuweiten. Zwar kokettiert Google damit, dass man bei der Suche den Nutzer möglichst schnell von der Suchbox zur Information leiten will. Doch der Konzern hat großes Interesse daran, dass die Nutzer so schnell wie möglich ins Ecosystem von Google zurückkehren.

Google ist mächtiger denn je

Das Sorgen um das „digitale, psychische Wohlbefinden“ seiner Kunden kommt auch aus einer Position der Stärke. Im 20. Jahr seines Bestehens steht Google mächtiger denn je da. Microsoft, der vormals wichtigste Wettbewerber, hat es längst aufgegeben, bei der Suche zu konkurrieren. Yahoo ist nur noch eine Fußnote der Internet-Geschichte.

Allein in China und Russland dominieren lokale Unternehmen, nicht aus technologischen, sondern politischen Gründen. Der Geschäftszweck – das Finden und Präsentieren von Informationen – hat sich nicht verändert. Nur, dass dies zunehmend über Smartphones stattfindet, sei es über die klassische Suchmaske, App oder virtuelle Assistenten wie Google Assistant.

Dass Google seine Dominanz sogar ausgebaut hat, liegt an seinem mobilen Betriebssystem Android, das laut dem Beratungsunternehmen Gartner auf 86 Prozent aller Smartphones läuft. Und selbst auf dem iPhone sind Google Produkte fest etabliert, auch weil Google Maps der Goldstandard bei der Navigation ist.

Android ist mehr und mehr das Fundament von Googles Geschäftserfolg, dem Googles Entwicklerkonferenz entsprechend Tribut zollt. Dort wurde die Android P Beta Version vorgestellt, die vor allem bessere Batterie-Laufzeiten verspricht, indem sie den Zugriff häufig genutzter Apps auf dem Prozessor besser verwaltet. Effizienter soll auch die Bildschirmhelligkeit gesteuert werden – angepasst ans Umgebungslicht oder die gerade genutzte App. Zudem setzt Google Künstliche Intelligenz ein, die ahnen soll, beispielsweise beim Anschluss eines Kopfhörer das Abspielen von Musik oder einen Anruf vorschlagen.

Im iPhone Revier wildern

Während Android den Smartphone-Markt fest im Griff hat – nach Ansicht der europäischen Wettbewerbshüter viel zu stark – ist bei smarten Armbanduhren, Fernsehern und Fahrzeugen der Widerstand der Konkurrenz größer. Im Geschäft mit smarten Uhren setzt sich Apple laut dem Beratungsunternehmen IDC immer stärker vom Wettbewerb ab. Im vergangenen Jahr stieg Apple mit einem Marktanteil von 21 Prozent zum führenden Smartwatch-Anbieter auf. Auch wenn Google dank der Vielzahl seiner Partner wie bei den Smartphones mit seinem Betriebssystem dominanter ist.

Apples Stärke speist sich daraus, dass viele iPhone Nutzer die Apple Watch bevorzugen. Aber nicht alle – laut Google nutzten im vergangenen Jahr ein Drittel aller Android-Wear-Uhren-Neubesitzer ein iPhone.

Im Revier der iPhone-Nutzer will Google noch stärker wildern und hat deshalb seine Android-Wear-Alternative, die von LG, Huawei und ZTE, aber auch von klassischen Uhrenmarken wie Montblanc und Tag Heuer genutzt wird, im März in das neutraler klingende Wear OS umgetauft.

Das sind die wertvollsten Marken der Welt
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Und Google wilder auch weiterhin noch in ganz anderen Gefilden: Der intelligente Kühlschrank, der einen Einkaufszettel verfasst oder sogar automatisch nachordert, gehört seit langem zu den Zukunftsvisionen von Hausgeräteherstellern wie Samsung und Bosch. Das hindert jedoch Google nicht daran, nun mit einer auf intelligente Hausgeräte zugeschnittenen Android-Version namens Android Things stärker in den Markt einzusteigen. Auch im Fahrzeuggeschäft schärft Google seine Waffen. Bei Android Auto liegt das Unternehmen mit derzeit über 400 unterstützten Automodellen klar vor Apples Car Play, das auf etwa die Hälfte kommt.

Doch die eigentliche Schlacht, so zeigt sich auf der Google i/o beginnt erst. Denn bislang war Android Auto hauptsächlich eine Benutzeroberfläche für an ihre Smartphones gewöhnte Fahrzeugbesitzer. Nun soll es als Bedienzentrale für das Fahrzeug-Unterhaltungssystem aufgebohrt werden, mit der Sprachsteuerung durch Googles Assistant und einer noch tieferen Integration von Googles Navigations-und Stau-Umfahrungssystemen.
Während BMW, Volkswagen und Daimler mit ihrem Kartendienst Here versuchen, zumindest etwas Unabhängigkeit zu bewahren, haben Fahrzeughersteller wie Volvo diese Berührungsängste nicht. Ja, erhoffen sogar durch Googles milliardenschwere Investitionen in seine Dienste einen Wettbewerbsvorteil. Auf der Google i/o zeigt der chinesische Fahrzeughersteller wie der Google Assistent in sein Unterhaltungssystem Sensus stärker integriert wird, um so via Sprachbefehl Klimaanlage oder Musik zu steuern. Ganz nach dem Versprechen von Pichai, dem Nutzer Zeit zu ersparen.

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