
Mountain View/San Francisco Ein bisschen Sommerlager, ein bisschen Spielplatz für Erwachsene. Zum zehnjährigen Jubiläum kehrt Google mit der Entwicklerkonferenz in die Nähe der Konzernzentrale in Mountain View zurück. Der DJ spielt Lykke Li bis Lady Gaga und zwischendurch Titel aus dem Kinofilm „Die fabelhafte Welt der Amélie“. Das Publikum macht La Ola.
Die Laune ist fantastisch und so soll es sein, versucht Google-Chef Sundar Pichai an diesem Tag doch die Wiederzauberung der Googlewelt. Natürlich ist der Konzern, dessen Motto mal „Don’t be evil” lautete, heute kein Startup mehr, sondern ein globaler Player, die putzige Weltverbesserungsattitüde durch diverse Kartellverfahren maximal infrage gestellt.
Als Pichai unter Beifall des zwangsjugendlichen Publikums, artig in Sneakers und Shirts erschienen, die Keynote beginnt, will er denn auch jeden Eindruck zerstreuen, seine Firma verdiene immer noch über 90 Prozent der Einnahmen mit dem alten Suchmaschinengeschäft, das auf Daten basiert – auch auf denen der Leute im Publikum.





Vielmehr will der 43-jährige Inder zeigen, dass die Sammelbegeisterung nur Vorteile für den Nutzer hat. Der Konzern stellt Allo vor, einen digitalen Assistenten, der auf die Wissensmaschine von Google, den Knowledge Graph zugreift, und Nutzern Informationen via Chat zur Verfügung stellt. Vor allem gedacht ist das für Mobil-Geräte, die laut Pichai inzwischen die Hälfte aller Googles Suchanfragen verarbeiten.
„Wir wollen, dass der Nutzer einen Dialog mit Google hat”, sagt er. „Wir wollen da sein, wenn er Hilfe braucht.” Mit der eigenen Technologie liege Google „weit vor dem, was andere Assistenten tun können”, erklärt der Chef. Er dürfte recht behalten.
Die Vision von Pichai ist größer als alles, was die Branche bisher gesehen hat. Kein Unternehmen auf der ganzen Welt sitzt auf so einem Datenschatz wie der Suchmaschinenriese, kein Unternehmen betreibt das Sammelgeschäft quer über alle Geräte emsiger und weiß die Informationen besser auszulesen.
Mit dem Assistenten will Google kommunikativer, ja vielleicht sogar menschlicher werden. In der digitalen Welt, in der alles allen prinzipiell zugänglich ist, sind Nutzer zunehmend von der Masse an Informationen überfordert und suchen Orientierung. Allo soll Filter im Überangebot sein, der maßgeschneiderte Brocken aus dem Informationschaos schlägt.
Da ist Ironie dabei. Google, zu dessen Mission es gehört, alle Informationen der Welt digital oder online verfügbar machen will, liefert die Lösung für ein Problem, das es selbst miterzeugt hat.
Mit neuen Funktionen zur Sprachsteuerung soll auch das lästige Starren auf den kleinen Bildschirm wegfallen, ein Problem, das Google auch bei Smartphones wie Wearables umtreibt. Eine von fünf Suchanfragen auf den Mobilgeräten sei inzwischen sprachgesteuert, sagt Pichai. „Wir wollen uns da noch sehr viel verbessern.”
Google will Suche, Navigation und Kommunikation intuitiver machen, der Nutzer soll von seinem Smartphone aus in die Welt blicken. Google zelebriert die Wiederentdeckung des aufrechten Gangs. Mountain View will mitten im Leben der Menschen ankommen.
Die materielle Variante der Idee heißt Google Home, ein formschönes Gerät in Gestalt einer Vase, als Konkurrenz-Produkt zu Amazons Echo, das Kommandos ausführt, Musik streamt oder Licht an- und ausschaltet. Ein Video von Anwendern zeigt, wie erstaunlich einfach sich Menschen einen solchen Sensor in ihren intimsten Wohnbereich installieren lassen, und auch noch dafür bezahlen, für ein kleines bisschen Service.