Google Das Ende einer Ära

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Was nun auf Sundar Pichai zukommt

Sundar Pichai, der neue Mann an der Spitze, muss nun den internen Zwist eindämmen. Die berühmte Fragestunde, lange ein Impulsmesser für die Stimmung im Konzern, wird stärker kontrolliert. Nicht nur, wer persönlich daran teilnehmen kann, sondern auch wer Zugriff auf die weltweit verfügbare Übertragung hat und vor allem welche Fragen öffentlich gestellt werden dürfen, wird strenger reglementiert. Zwar hatte sich Google unter dem Druck der Mitarbeiter von Projekten mit dem Militär verabschiedet. Wie beispielsweise dem Projekt Maven, das mittels Bilderkennung bei der Auswahl der Ziele von militärischen Drohnen unterstützen sollte: Im Sommer 2018 gab Pichai bekannt, dass man den Vertrag nicht verlängern würde.

Doch das bedeutet nicht, dass damit alle Projekte mit dem Militär vom Tisch wären. Jeff Dean, Chef der KI-Sparte, bestätigte der WirtschaftsWoche bei einem Interview im Mai, dass man im Bereich ziviler Nutzung von KI weiterhin zusammenarbeite, etwa bei Krankheitsdiagnosen in den Hospitälern des Militärs.

Es ist ein Spagat und fraglich, ob sich militärische und zivile Nutzung von Künstlicher Intelligenz wirklich so sauber trennen lassen. Zumal andere Tech-Konzerne weniger Berührungsängste haben. Der unter anderem von dem deutschstämmigen Finanzier Peter Thiel aus der Taufe gehobene Analysekonzern Palantir aus Palo Alto hilft der US-Armee beim Auswerten von Daten und hat auch einen Vertrag mit der Grenzschutzbehörde.

Der SAP-Konkurrent Salesforce arbeitet ebenfalls mit der Grenzschutzbehörde zusammen. Aktivisten störten deshalb jüngst eine Keynote von Salesforce-Mitgründer Marc Benioff in San Francisco und forderten den Abbruch der Beziehungen mit der Behörde. Doch die Salesforce-Spitze bleibt hart. „Die US-Regierung ist ein wichtiger Kunde“, beharrte Salesforce-Co-CEO Keith Block im November vergangenen Jahres im Gespräch mit der WirtschaftsWoche

Daran hat sich nichts geändert. Microsoft-Chef Satya Nadella nahm den Unmut seiner Mitarbeiter über Geschäftsbeziehungen mit der Grenzschutzbehörde zur Kenntnis – doch das Geschäft geht weiter. Amazon-Chef Jeff Bezos offeriert seit Jahren Cloud-Dienste an die CIA und will sich einen nun Microsoft zugesprochenen Militärauftrag gerichtlich wieder zurückholen.

Klar ist: Bei Google geht mit dem Rückzug seiner Gründer eine Epoche zu Ende, nicht aber zukunftsweisende Schlachten. Nicht nur über die Zusammenarbeit mit dem Militär, sondern vor allem über Regeln, was Tech-Konzerne in einem sich verschärfenden globalen Wettbewerb dürfen – und was nicht. Nicht nur über das Sammeln und Auswerten von Daten, sondern allgemein ihre Rolle und Verantwortung in der Gesellschaft. 

Zwar bleiben Brin und Page die größten Aktionäre von Alphabet und kontrollieren den mächtigen Tech-Konzern über ihre Stimmrechte. Doch die Kastanien muss jetzt auch ganz offiziell der gebürtige Inder Pichai aus dem Feuer holen und die Kulturrevolution im Konzern im Griff halten.

Wenn Gründer zurücktreten oder ausscheiden, ändert sich normalerweise die Dynamik eines Konzerns. Das war schon bei Microsoft und Bill Gates so, ebenso wie bei Apple und Steve Jobs. Wie sich das auf Google auswirken wird und ob vielleicht sogar die Verwaltungseinheit Alphabet wieder eingeklappt wird, muss sich zeigen.

Sicher scheint nur: Es wird noch mehr unpopuläre Entscheidungen geben, und mit einem Sonnyboy-Image sind sie nicht machbar. Vielleicht kehren die Gründer eines Tages an die Spitze zurück, wenn die Kämpfe ausgestanden ist. Pichai ist mit 47 Jahren ja sogar ein Jahr älter als das Gründer-Duo.

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