Anders als Hatscher wirft Dirk B. mit Reichtum um sich. Er kauft sich Luxuskarossen: erst einen Audi Q7, dann einen Audi Q7 V12 und einen Mercedes G AMG, kurz vor seiner Verhaftung noch den Supersportwagen Audi R8. Und er legt sich eine Kreditkarte nach der anderen zu. „Als Kompensation dafür, dass er anfangs keine hatte“, sagt Hatscher. „Ich habe versucht, auf dem Teppich zu bleiben, und ihn immer gewarnt, nicht so viel Aufsehen zu erregen.“
Fühlen sich Dirk B., Hatscher und Bastian P. anfangs vor Verfolgern sicher, kommen sie im Laufe des Jahres 2009 zunehmend in die Bredouille. Beim Serverbetreiber Euroaccess in Holland, mit dessen Hilfe Kino.to die Raubkopien unter die Internet-Nutzer bringt, beschweren sich immer mehr Filmstudios und Verleiher über Urheberrechtsverletzungen. Zudem verklagt die holländische Antipiraterie-Organisation BREIN den Serverbetreiber.
Dirk B. und inzwischen auch Hatscher spüren, dass es eng werden könnte. Aufhören, berichtet Hatscher, kommt nicht infrage. Stattdessen kommt ihnen der Zufall zur Hilfe. Ein Deutsch-Russe unter ihren Helfern kennt einen Serverbetreiber bei Moskau, stellt den Kontakt zum Unternehmen her. Dirk B. und Hatscher entscheiden daraufhin, mit ihren Kino.to-Daten von Holland nach Russland zu fliehen.
Die Opfer wehren sich
Unterliefen die beiden mit Kino.to bis dahin eher dreist das Urheberrecht, entfalten sie nun ganz gezielt Energie, um staatlichen Verfolgern ein Schnippchen zu schlagen. Hatscher und Bastian P. programmieren die Kino.to-Web-Site so um, dass niemand von Russland aus sie erreichen kann. Damit kann der Server, auf dem Kino.to läuft, auf russischem Staatsgebiet keine Urheberrechte verletzen und von dortigen Behörden auch nicht verfolgt werden.
Zwar halten die Betreiber von Kino.to so erst einmal die russische Staatsmacht auf Abstand. In den Folgemonaten muss Hatscher jedoch immer wieder mit den Russen telefonieren, weil zunehmend Hacker Kino.to so lange angreifen, bis die Web-Site zusammenbricht. Hinter den Attacken steckt meist das Konkurrenzportal Movie2k.to. Hatscher vermutet aber auch, dass einige Videothekenketten, die besonders von Kino.to getroffen sind, Angriffe veranlassen.
Als Hatscher im Februar 2010 in der WirtschaftsWoche liest, wie die Filmbranche Jagd auf Kino.to macht, wird es ihm mulmig. „Es wurde mir klar, dass ich mit Copyrightverletzung Geld verdiene“, behauptet er heute. Gleichwohl gibt er zu, sich schon vorher Scheinadressen in Zwickau ausgedacht zu haben, die er zur Registrierung etwa bei Serverbetreibern benutzt hat. Als die in dem Artikel auftauchten, räumt er zudem ein, „da wurden wir hellhörig, haben unsere Sicherheitsvorkehrungen noch mal verbessert“.
Tatsächlich lassen sich Dirk B., Hatscher und Co. bis zu ihrer Verhaftung im Juni 2011 noch einige „Sicherheitsvorkehrungen“ einfallen, um die Spuren besser zu verwischen. So bezahlt Kino.to die Mitarbeiter, die Filme prüfen und freischalten, bald nicht mehr über Dirk B.’s Firma PAD Medianet im spanischen Lloret de Mar. Denn auch diese wurde in dem WirtschaftsWoche-Artikel ausdrücklich genannt.