Großauftrag verloren Erneuter Rückschlag für T-Systems

Die Telekom-Tochter gibt einen millionenschweren Vertrag mit ThyssenKrupp ab, weil die Zusammenarbeit nicht funktioniert hat. Als wären die Probleme von T-Systems nicht ohnehin schon groß genug.

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Düsseldorf Die Telekom-Tochter T-Systems kommt aus den Schlagzeilen nicht heraus. Nachdem der neue Chef Adel Al-Saleh kaum zwei Wochen nach seinem Amtsantritt verkündet hatte, die Großkundensparte des Konzerns umbauen und aufspalten zu wollen, wirft eine neue Meldung nun wieder ein Schlaglicht auf die Probleme von T-Systems: Wie die Wirtschaftswoche berichtet, hat der Industriekonzern Thyssen-Krupp zum Jahreswechsel seinen Sieben-Jahres-Vertrag mit der Telekom-Tochter im Wert von schätzungsweise 700 Millionen Euro storniert.

Beide Konzerne bestätigten diese Information, erklärten aber ausdrücklich, die Zusammenarbeit sei einvernehmlich beendet worden. „Grund hierfür sind veränderte strategische Zielprioritäten auf Seiten beider Unternehmen, sowie veränderte Rahmenbedingungen auf dem Outsourcing-Markt“, heißt es in der offiziellen Verlautbarung, die auch auf neue Technologien und veränderte Schwerpunkte bei T-Systems hinweist.

Allerdings scheint letztendlich die Zusammenarbeit nicht funktioniert zu haben. Wie Insider dem Handelsblatt erklärten, hätten beide Unternehmen Probleme damit gehabt: Während T-Systems Dienstleistungen nicht liefern konnte, soll Thyssen-Krupp es auch nicht geschafft haben, die benötigten Voraussetzungen zu schaffen. Die Telekom sollte ursprünglich die zerstückelte IT-Landschaft des Industriekonzern harmonisieren und standardisieren.

Die Vereinheitlichung der ausgefransten IT-Infrastruktur genießt bei Thyssen-Krupp absolute Priorität. Denn ohne einheitliche IT ist ein Übergang des Essener Traditionskonzerns ins digitale Zeitalter unmöglich. Hiervon verspricht sich Thyssen-Krupp hohe Synergieeffekte und deutlich niedrigere Kosten. Zum anderen will das Management eine bessere Übersichtlichkeit der Abläufe, was die Steuerung des heterogenen und komplexen Konzerns deutlich erleichtern würde.

Dafür hat Thyssen-Krupp im Wesentlichen drei IT-Programme aufgelegt. Die beiden wichtigsten sind Daproh („data and process harmonization“) für die Daten und Prozessharmonisierung und Unite zur Vereinheitlichung der IT-Landschaft bei Rechenzentren, Servern und Desktop-Programmen. Seit sechs Jahren laufen beide Projekte schon, 2014 erhielt T-Systems von Thyssen-Krupp den Auftrag, für Unite 80.000 Computerarbeitsplätze und 10.000 Serversysteme in 34 Ländern in Telekom-Rechenzentren zu verlagern. Davon wolle man zum Teil wieder abrücken, hieß es bei Thyssen-Krupp: „Wir werden mehr auf Cloudlösungen setzen als auf Serverzentren.“

Angesichts der technischen Komplexität war es bei beiden Projekten immer wieder zu Verzögerungen gekommen. Auch wuchs die Erkenntnis, dass sich wohl nicht alles wie gewünscht vereinheitlichen lassen wird.

Die Kosten für Thyssen-Krupp stiegen deutlich an: So gaben die Essener im abgeschlossenen Geschäftsjahr 2016/17 (30. September) allein 120 Millionen Euro für ihre IT-Programme aus. Konzernkreise rechnen damit, dass es noch mindestens drei bis vier Jahre dauern wird, bis die IT-Projekte beendet sind.


Mikromanagement und Kontrollwahn

Auch bei T-Systems wurde immer deutlicher, dass der Vertrag mit Thyssen-Krupp so nicht weitergeführt werden konnte. Zum einen sei es Insidern zufolge wohl schwierig gewesen, geplante Prozesse in Gang zu bringen, weil der Industriekonzern es nicht schaffte, Standorte zusammenzuziehen. Gleichzeitig habe aber schlicht die Qualität der gelieferten Leistungen von T-Systems nicht gestimmt, weswegen die Bonner zu oft nachbessern mussten. Offenbar betonen die beiden Konzerne auch deswegen, die Trennung sei „einvernehmlich“ beschlossen worden.

Klar ist allerdings auch: Probleme mit Großkunden sind bei T-Systems nicht neu. Bereits 2016 musste die Telekom-Tochter 575 Millionen Euro abschreiben, weil bei großen Kunden viel schiefgelaufen war. Im Mai 2017 sagte der ehemalige Chef, Reinhard Clemens, im Interview mit dem Handelsblatt: „Wir mussten im vergangenen Jahr bilanzielle Vorsorge vor allem für zwei Kundenverträge vornehmen, die auch auf absehbare Zeit keinen Gewinn erwirtschaften werden.“ Diese Maßnahmen hätten dem Unternehmen ohne Frage wehgetan. Gründe dafür seien unter anderem gewesen, dass in einem Altvertrag die Komponenten technisch einfach nicht wie gewünscht lieferbar gewesen seien. „Bei einem anderen haben wir die Komplexität beim Kunden unterschätzt.“ Auf die Frage, ob weitere riskante Verträge im Kundenportfolio schlummern könnten, erklärte er: „Es gibt kein Nullrisiko. Nicht bei uns, nicht bei anderen. Das gehört zum Business.“

Fast sieben Milliarden Euro hat die Telekom-Tochter zwischen 2007 und 2017 abgeschrieben. Alleine 2016 kostete sie den Konzern fast 480 Millionen Euro. Im Herbst vergangenen Jahres verkündete der Konzern, dass der langjährige Vorstand Reinhard Clemens das Unternehmen zum Jahreswechsel verlässt.

„In den vergangenen fünf Jahren sind unsere Umsätze kontinuierlich zurückgegangen, wir nehmen von den meisten unserer größten Kunden weniger ein“, hatte der neue Chef Adel Al-Saleh in seinem ersten Brief an die Mitarbeiter erklärt. „Der Auftragseingang ist in diesen fünf Jahren sogar noch stärker zurückgegangen“, schreibt der Amerikaner, der erst seit Anfang des Monats an der Spitze der Telekom-Großkundentochter steht. Und: „Wir waren nicht in der Lage, die verlorenen Umsätze von ablaufenden Verträgen wettzumachen.“

Er kritisiert die Komplexität, die Fragmentierung, die veralteten, schwerfälligen Strukturen, die zu signifikanten Mehrkosten führten und die Arbeit unproduktiver mache. „Unseren Angeboten fehlt es an Standardisierung, und unsere Organisationsstruktur macht uns langsamer“, erklärt der Manager. Er habe so viele intelligente, innovative Menschen kennengelernt, schreibt er, „aber wir schaffen es nicht, diese Kapazitäten erfolgreich im Markt zu kapitalisieren“.
Al-Saleh will T-Systems nun in zwei Gesellschaften teilen. Eine, die Kunden-IT betreut und eine für die anderen Geschäftsfelder wie Vernetztes Fahren, E-Health und sonstige zukunftsträchtige Dienstleistungen. Der Betriebsrat hatte dieses Vorhaben in einem Brief an die Mitarbeiter stark kritisiert. Er sieht die Probleme von T-Systems bei der Unternehmensführung.

„Diese Aufteilung ist in unseren Augen eher der fehlenden Fähigkeit des Managements geschuldet, T-Systems als Ganzes steuern zu können.“ Das Gremium sprach dabei auch vom „Mikromanagement und dem Kontrollwahn in der T-Systems“.
In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres ist der Umsatz von T-Systems um knapp drei Prozent auf rund 5,1 Milliarden Euro gesunken. Das bereinigte Ergebnis (Ebitda) fiel im selben Zeitraum um 18,8 Prozent auf 362 Millionen Euro.

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