
Im Zusammenhang mit dem Hacker-Angriff auf Hunderttausende Router von Kunden der Deutschen Telekom ermittelt nun auch das Bundeskriminalamt. „Wir haben das BKA mit den Ermittlungen beauftragt“, bestätigt der zuständige Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln, Daniel Vollmert, eine Exklusiv-Meldung der WirtschaftsWoche.
"Wir haben nach Paragraf 303 a und b des Strafgesetzbuches ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet wegen Computer-Sabotage und Datenveränderung hauptsächlich bei Routern der Deutschen Telekom", erklärt Vollmert, der für Wirtschaftsstrafsachen und Cybercrime zuständige Sprecher Behörde. Bei der Kölner Staatsanwaltschaft ist auch die Zentrale- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) des Landes Nordrhein-Westfalen angesiedelt. Die Ermittlungen erfolgten zunächst von Amts wegen, so Vollmert zur WirtschaftsWoche. Parallel dazu prüfe aber auch die Telekom, ob sie selbst Anzeige erstatte, erklärte eine Sprecherin der Telekom auf Anfrage. Am Montag bereits hatte das Unternehmen die Sicherheitsbehörden formal über die Vorfälle informiert.
Am Montagabend hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gemeldet, dass der Angriff, der seit dem Sonntagnachmittag bei zeitweilig bis zu 900.000 Telekom-Kunden für massive Störungen und Ausfälle der Telefon- und Internet-Anschlüsse gesorgt hatte, Folge eines „weltweiten Angriffs auf ausgewählte Fernwartungsports von DSL-Routern“ gewesen sei. Also Folge dieser Attacken konnten sich die Geräte nicht mehr im Netz der Telekom anmelden, beziehungsweise liefen nur noch instabil.
Betroffen waren nach Informationen der WirtschaftsWoche ausschließlich Modelle, die der taiwanische Hersteller Arcadyan für die Telekom fertigt, und die der Bonner Konzern unter dem Namen Speedport vertreibt. Für das Modell Speedport W921 V hat die Telekom bereits ein Software-Update bereitgestellt, das die Störung der Geräte beheben soll. Meldungen betroffener Kunden zufolge sollen aber auch andere Speedport-Modelle von der Störung betroffen sein.
„Ziel war offenbar, über das Internet auf Router zuzugreifen, dort Schad-Software zu installieren und die Geräte auf diese Weise zum Teil eines Bot-Netzes zu machen, über das die Hacker weitere Attacken hätten starten können“, so ein Experte des BSI auf Anfrage der WirtschaftsWoche.
Angriffsziele von aufsehenerregenden Cyberangriffen
Im Dezember 2015 fiel für mehr als 80.000 Menschen in der Ukraine der Strom aus. Zwei große Stromversorger erklärten, die Ursache sein ein Hacker-Angriff gewesen. Es wäre der erste bestätigte erfolgreiche Cyberangriff auf das Energienetz. Ukrainische Behörden und internationale Sicherheitsexperten vermuten eine Attacke aus Russland.
Im Februar 2016 legt ein Erpressungstrojaner die IT-Systeme des Lukaskrankenhauses in Neuss lahm. Es ist die gleiche Software, die oft auch Verbraucher trifft: Sie verschlüsselt den Inhalt eines Rechners und vom Nutzer wird eine Zahlung für die Entschlüsselung verlangt. Auch andere Krankenhäuser sollen betroffen gewesen sein, hätten dies aber geheim gehalten.
Ähnliche Erpressungstrojaner trafen im Februar auch die Verwaltungen der westfälischen Stadt Rheine und der bayerischen Kommune Dettelbach. Experten erklären, Behörden gerieten bei den breiten Angriffen eher zufällig ins Visier.
In San Francisco konnte man am vergangenen Wochenende kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, weil die rund 2000 Ticket-Automaten von Erpressungs-Software befallen wurden. Laut einem Medienbericht verlangten die Angreifer 73 000 Dollar für die Entsperrung.
Im Mai 2015 fallen verdächtige Aktivitäten im Computernetz des Parlaments auf. Die Angreifer konnten sich so weitreichenden Zugang verschaffen, das die Bundestags-IT ausgetauscht werden. Als Urheber wird die Hacker-Gruppe APT28 vermutet, der Verbindungen zu russischen Geheimdiensten nachgesagt werden.
Die selbe Hacker-Gruppe soll nach Angaben amerikanischer Experten auch den Parteivorstand der Demokraten in den USA und die E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampf-Stabschef John Podesta gehackt haben. Nach der Attacke im März wurden die E-Mails wirksam in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfs im Oktober 2016 veröffentlicht.
APT28 könnte auch hinter dem Hack der Weltdopingagentur WADA stecken. Die Angreifer veröffentlichen im September 2016 Unterlagen zu Ausnahmegenehmigungen zur Einnahme von Medikamenten, mit einem Fokus auf US-Sportler.
Ein Angriff, hinter dem Hacker aus Nordkorea vermutet wurden, legte im November für Wochen das gesamte Computernetz des Filmstudios lahm. Zudem wurden E-Mails aus mehreren Jahren erbeutet. Es war das erste Mal, dass ein Unternehmen durch eine Hackerattacke zu Papier und Fax zurückgeworfen wurde. Die Veröffentlichung vertraulicher Nachrichten sorgte für unangenehme Momente für mehrere Hollywood-Player.
Bei dem bisher größten bekanntgewordenen Datendiebstahl verschaffen sich Angreifer Zugang zu Informationen von mindestens einer Milliarde Nutzer des Internet-Konzerns. Es gehe um Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Geburtsdaten und verschlüsselte Passwörter. Der Angriff aus dem Jahr 2014 wurde erst im vergangenen September bekannt.
Ein Hack der Kassensysteme des US-Supermarkt-Betreibers Target macht Kreditkarten-Daten von 110 Millionen Kunden zur Beute. Die Angreifer konnten sich einige Zeit unbemerkt im Netz bewegen. Die Verkäufe von Target sackten nach der Bekanntgabe des Zwischenfalls im Dezember 2013 ab, weil Kunden die Läden mieden.
Eine Hacker-Gruppe stahl im Juli 2015 Daten von rund 37 Millionen Kunden des Dating-Portals. Da Ashley Madison den Nutzern besondere Vertraulichkeit beim Fremdgehen versprach, erschütterten die Enthüllungen das Leben vieler Kunden.
Im Frühjahr 2016 haben Hacker den Industriekonzern Thyssenkrupp angegriffen. Sie hatten in den IT-Systemen versteckte Zugänge platziert, um wertvolles Know-how auszuspähen. In einer sechsmonatigen Abwehrschlacht haben die IT-Experten des Konzerns den Angriff abgewehrt – ohne, dass einer der 150.000 Mitarbeiter des Konzerns es mitbekommen hat. Die WirtschaftsWoche hatte die Abwehr begleitet und einen exklusiven Report erstellt.
Im Mai 2017 ging die Ransomware-Attacke "WannaCry" um die Welt – mehr als 200.000 Geräte in 150 Ländern waren betroffen. Eine bislang unbekannte Hackergruppe hatte die Kontrolle über die befallenen Computer übernommen und Lösegeld gefordert – nach der Zahlung sollten die verschlüsselten Daten wieder freigegeben werden. In Großbritannien und Frankreich waren viele Einrichtungen betroffen, unter anderem Krankenhäuser. In Deutschland betraf es vor allem die Deutsche Bahn.
Parallel zu den Störungen bei den Telekom-Kunden hatten auch Alarmsensoren im von BSI geschützten Kommunikationsnetz der Bundesregierung den Versuch von externen Zugriffen auf Internet-Router verzeichnet. Im Gegensatz zu den Geräten der Telekom, seien diese aber aufgrund der Schutzmaßnahmen im Regierungsnetz folgenlos geblieben.