Handelsblatt IT Innovation Award Innovation in der Braunkohlegrube

Schmutziger Strom, sauberes Geschäftsmodell: RWE schickt seine Techniker künftig mit Tablets los. Das soll die Wartung erleichtern – auch bei anderen Firmen. Dafür erhält der Energiekonzern den IT Innovation Award.

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RWE erhält den IT Innovation Award 2016. Quelle: dpa

München Wenn ein Wartungstechniker von RWE rausfährt zur Braunkohlegrube, hat er bislang einen Stapel Papier dabei. Er druckt seinen Arbeitsauftrag aus, aber zum Beispiel auch die Sicherheitshinweise. Und wenn er den Schaufelradbagger überprüft hat, fährt er zurück ins Büro und gibt die Ergebnisse am PC ins System ein. Ein umständliches Prozedere.

Doch damit soll es bald vorbei sein: Die Stromerzeugungssparte des Dax-Konzerns, RWE Generation, stattet künftig alle Techniker mit kleinen Tablets aus, die genau in die Taschen der orangenen Overalls passen. Sie geben die Daten direkt ins System ein. Und weil andere Anbieter ähnliche Probleme haben, will das Unternehmen die Lösung künftig vermarkten und so ein neues Geschäftsmodell aufbauen.

Es ist ein Projekt, das die Möglichkeiten der Digitalisierung zeigt – und dafür am Dienstag den IT Innovation Award des Handelsblatts erhalten hat. „RWE bietet einen ganzheitlichen Innovationsansatz“, lobte Jury-Mitglied Uwe Dumslaff. Das neue Geschäftsmodell biete dem gesamten Konzern neue Chancen, erklärte der Topmanager des IT-Dienstleisters Capgemini auf der Handelsblatt-Tagung Strategisches IT-Management. Die Projekt stamme zudem aus einem Unternehmen und einer Branche, „in der man zunächst die digitale Transformation nicht erwarten würde“, sagte Walter Brenner, Jurymitglied und Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen.

Für Andreas Lamken, IT-Chef von RWE Generation, ist der Award eine Genugtuung. „Wir wissen, dass wir langfristig ein schrumpfendes Geschäftsmodell haben“, sagte er bei der Preisverleihung. „Aber mit der Digitalisierung können wir neue Chancen erschließen.“ Denn außerhalb von Deutschland wachse die Kohleförderung noch, auch andere Rohstoffe würden im Tagebau gewonnen. Gleichzeitig zeige die Lösung, dass der Konzern jenseits der Energieerzeugung etwas zu bieten habe. Die Braunkohle hat kein gutes Image – positive Schlagzeilen kann das Unternehmen daher gut gebrauchen.

Bei der Entwicklung der App rückte RWE die Techniker in den Mittelpunkt. Sie können nicht nur die Daten direkt eingeben, sondern auch Handbücher und Sicherheitshinweise abrufen. Und wenn noch etwas Zeit bleibt, können sie schauen, was noch zu erledigen ist. „Das ist alles in allem eine erhebliche Effizienzsteigerung für die Mitarbeiter“, sagt Lamken.

Bei der Umsetzung arbeitete RWE mit Apple und IBM zusammen, die Firmenkunden gemeinsam bei der Entwicklung von Anwendungen helfen wollen. Die Techniker aus dem Rheinischen Revier flogen nach Kalifornien, um dort mit den Entwicklern die Applikation zu entwickeln – mit agilen Methoden und immer mit dem Design im Blick. Die RWE-Leute profitierten dabei nicht nur vom Know-how der Partner: „Die Apple-Jungs treiben uns“, sagt Lamken. „Wir gucken, was wir davon intern übernehmen können, um mehr Tempo in der internen IT aufzunehmen.“

Das Projekt soll nur der Anfang sein. Die RWE-Tochter will die Technik für weitere Aufgaben anpassen, etwa die Instandsetzung von Kraftwerken oder die Beschaffung von Material. Diese Lösungen will sie zunächst intern einführen, dann aber auch vermarkten, etwa an Minenbetreiber oder Energieerzeuger – zumindest wenn diese nicht mit dem Dax-Konzern in Konkurrenz stehen. Lamken ist überzeugt, dass sich einige Chancen bieten, gerade derzeit: „Durch die niedrigen Rohstoffpreise sind im Tagebau derzeit kosteneffiziente Lösungen gefragt.“

Beratung, Betrieb und Wartung statt Buddeln, Fördern und Verbrennen: Wenn der Plan aufgeht, verdient RWE Generation auch dann noch Geld, wenn die Braunkohlebagger in Deutschland eines Tages stillstehen.

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