Haribo, Lidl, Deutsche Post & Co. Die lange Liste schwieriger und gefloppter SAP-Projekte

SAP: Gefloppte Projekte bei Haribo, Lidl, Otto & Co. Quelle: imago images

Weniger Gummibärchen: Der Verkauf der Goldbären geht zurück, weil der Süßwarenkonzern Haribo Probleme bei der Einführung von SAP hat. Damit ist das Unternehmen nicht allein.

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Haribo macht Kinder froh – und Erwachsene ebenso. Was für den Hersteller von Gummibärchen und Co. stimmen mag, gilt für den Softwarekonzern SAP eher selten.

Wie weit die schöne Werbung und der eher schnöde Unternehmensalltag auseinander liegen, spürt der Süßwarenhersteller Haribo mit Hauptsitz in der Gemeinde Grafschaft nördlich von Bad-Neuenahr-Ahrweiler gerade selbst schmerzlich. Wie am Wochenende durchsickerte, muss Haribo einen Verkaufseinbruch verkraften: Von seinen Goldbären setzt das Unternehmen in diesem Jahr ein Viertel weniger um als im vergangenen Jahr.

Und das liegt auch der Einführung eines neuen Softwaresystems aus dem Hause SAP. Weil das neue Warenwirtschaftssystem und die Logistik noch nicht so funktionieren wie geplant, verschickt Haribo nicht die richtige Menge Goldbären. Die Supermärkte können daher ihre Regale nicht rechtzeitig auffüllen, tagelang fehlen einzelne Produkte.

Bisher nutzt Haribo teilweise noch Uralt-IT aus den achtziger Jahren. Zudem arbeiten die auf zehn Länder verteilten 16 Produktionsstätten jeweils mit verschiedenen Softwaresystemen. Entsprechend komplex ist die Verknüpfung der unterschiedlichen Anwendungen und die Integration der Daten.

Seit Oktober stellt das Unternehmen seine IT-Programme weltweit auf das einheitliche SAP-System S4/Hana um. Dazu führen die IT-Experten von Haribo zum einen aufwändig neue Software auf Servern rund um den Globus ein. Zum anderen müssen sie Prozesse und Daten aus den Altsystemen anpassen und diese in die neue SAP-Lösung übertragen. Wie aus Unternehmenskreisen verlautet, hat Haribo durchaus mit Verzögerungen gerechnet – aber nicht in dem Ausmaß.

Die Erfahrungen, die nun Haribo macht, treiben Unternehmen immer wieder zur Verzweiflung. „Die Einführung von SAP-Software ist in der Regel ein IT-Großprojekt, weil sie das komplette Unternehmen von Produktion über Warenwirtschaft bis hin zu Finanz- und Personalwesen betrifft“, sagt Axel Oppermann, Chef des IT-Analysehauses Avispador aus Kassel. „Bei SAP S4/Hana handelt es sich zudem um das neueste Softwarepaket der Walldorfer, da fehlen oft noch Erfahrungswerte aus der Praxis.“

Lange Liste gescheiterter SAP-Großprojekte

Es dürfte die Manager bei Haribo kaum trösten, dass viele andere Unternehmen bereits mit der Komplexität der Software made in Walldorf gerungen haben: Der Otto-Konzern kippte im Jahr 2012 eine SAP-Einführung mit dem Namen „Passion for Performance“. Das im Jahr 2009 gestartete Vorhaben galt als das größte IT-Projekt in der Geschichte des Versandhändlers, der seine diversen IT-Systeme mithilfe von SAP vereinheitlichen wollte. Die knappe Begründung der Hamburger für das Scheitern: zu komplex.

2015 stoppte die Deutsche Bank ein SAP-Projekt, das intern den Code-Namen „Magellan“ hatte: Die Frankfurter wollten damit die von ihr übernommene Postbank integrieren. Bis zum Scheitern hatte das Projekt dem Vernehmen nach bereits eine dreistellige Millionensumme verschlungen.

Die Deutsche Post musste im gleichen Jahr wegen einer gefloppten SAP-Einführung sogar seine offiziellen Gewinnziele kappen. In dem Projekt namens „New Forwarding Environment“ wollte der Konzern aus Bonn eigentlich ein komplett neues IT-System einführen. Ende 2015 räumte die Post dann offiziell ein, insgesamt 345 Millionen Euro in den Sand gesetzt zu haben: 308 Millionen Euro für Abschreibungen auf das Projekt – und weitere 37 Millionen Euro Rückstellungen für dessen Rückabwicklung.

Millionensummen verschlang auch ein SAP-Großprojekt bei Edeka: Als der größte deutsche Lebensmittelhändler im Jahr 2007 entschied, seine komplexen Einkaufs- und Warenwirtschaftsabläufe im Projekt „Lunar“ mit SAP zu standardisieren, veranschlagte das Unternehmen dafür ein Budget von 200 Millionen Euro. Als Lunar im Jahr 2012 abgeschlossen war, hatte Edeka insgesamt satte 350 Millionen Euro investiert – und der damalige Edeka-IT-Vorstand Reinhard Schütte bezeichnete das Projekt freimütig als „eine der weltweit kompliziertesten SAP-Installationen der vergangenen Jahre.“

Noch krasser traf es Edeka-Rivale Lidl, wie Mitte dieses Jahres bekannt wurde. Im Jahr 2011 hatte der Discounter unter dem Codenamen „Elwis“ eine SAP-Offensive für ein weltweit einheitliches Warenwirtschaftssystem gestartet. Fast sieben Jahre später zog Lidl nach Investitionen von fast einer halben Milliarde Euro die Reißleine und beerdigte „Elwis“; die ursprünglichen Projektziele seien „nicht mit vertretbarem Aufwand“ erreichbar.

Solch einen radikalen Schritt erwägt bei Haribo niemand, ganz im Gegenteil: „Das SAP-Projekt ist für uns ein alternativloser Schritt, um unsere Alt-IT abzulösen“, beteuert ein Haribo-Sprecher. Aktuell bekomme man die Probleme immer besser in den Griff. „Wir ziehen das weiter durch.“

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