Harte Schale, schlauer Kern Der überraschende Boom der Outdoor-Smartphones

Stürze und Wasser können ihnen nichts anhaben: Robuste Smartphones erleben einen unerwarteten Boom - nicht nur bei Outdoor-Fans.

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Das Cat61 auf der Werkbank: Geht es nach dem Hersteller Bullitt Group, ist das Smartphone besonders für Handwerker und Bauarbeiter geeignet.

Düsseldorf Beim Radfahren, Handwerkern oder auf der Toilette: Das Smartphone ist fast überall dabei. Kein Wunder, dass es immer wieder zu Unglücken kommt, wenn Geräte aufs Display oder die gläserne Rückseite stürzen oder im Wasser untertauchen. Für die Handy-Werkstätten ist es ein gutes Geschäft, für die Nutzer ein schlechtes.

Doch einige Unternehmen bieten Alternativen zu den zerbrechlichen Handschmeichlern. Ihre Smartphones sind mit Gummipolstern und wasserdichter Hülle ausgestattet, können Staub und Hitze widerstehen, erfüllen teils sogar militärische Standards in Sachen Robustheit. Dabei geht es nicht nur um praktische Erwägungen: Outdoor ist ein Mega-Trend, von dem bereits Auto- und Textilhersteller profitieren.

Und jetzt auch die Smartphone-Branche: Nach Einschätzung des Marktforschers CCS Insight verkauften die Hersteller 2017 rund 30 Millionen Geräte, in drei Jahren sollen es bereits doppelt so viele sein. Auf einem Markt, auf dem 1,5 Milliarden Stück verkauft werden, sei das zwar um eine Nische, urteilt der Analyst Ben Wood – aber diese sei für Hersteller wie Bullit, Rug Gear, Samsung und andere sehr attraktiv.

Für den Boom sieht Wood mehrere Gründe. So werden die hochwertigen Smartphones mit ihren großen Bildschirmen und schmalen Ränder als zerbrechlich wahrgenommen, während die robusten Modelle inzwischen attraktiv aussehen. „Angesichts der Eintönigkeit bei den heutigen Smartphones gibt es eine wachsende Nachfrage nach Geräten, die sich deutlich vom Mainstream unterscheiden“, sagt der CCS-Analyst.

Gleichzeitig setzen immer mehr Unternehmen Smartphones in Spezialbereichen ein, zum Beispiel auf dem Bau, in der Industrie, im Handel oder bei Notfalldiensten. Damit nicht genug: „Langfristig besteht eine große Chance, andere Funktechnologien zu ersetzen“, sagt Wood. Statt Walkie Talkies haben Bauarbeiter künftig robuste Smartphones.

Rug Gear steht exemplarisch für diese Entwicklung. Die deutsch-chinesische Firma hat bislang vornehmlich robuste Geräte für den kommerziellen Einsatz gebaut, auf Baustellen oder Ölplattformen. So gibt es ein Tablet, das mit einer dicken Gummihülle gegen Wasser, Staub und Stürze geschützt ist und auch bei minus 20 Grad nicht ausgeht. Oder ein Smartphone, das mit einer langen Antenne auch als Walkie Talkie funktioniert.

200.000 dieser Spezialgeräte verkauft das Unternehmen im Jahr. Nun will es die Zielgruppe erweitern: Neben den teuren Spezialprodukten soll es günstigere Modelle für den Massenmarkt geben. Zum Beispiel das RG 850, ein Smartphone mit großem Touchscreen und aktuellem Android-System, wie es Dutzende andere gibt. Allerdings erfüllt es in Sachen Robustheit einen militärischen Standard. Wasser, Staub und Stöße sollen ihm nichts anhaben.

Zur Zielgruppe zählt Firmenchef Oliver Schulte Handwerker und Bauarbeiter, „die nach der Arbeit nicht ein anderes Gerät nutzen wollen“. Tagsüber soll das Smartphone im Blaumann stecken, abends in der Jackentasche. Dementsprechend brauche es nicht nur einen robusten Schutz, sondern auch eine zeitgemäße Ausstattung, was Prozessor, Bildschirm und Kamera angeht.

Bereits einen Namen gemacht hat sich die Bullitt Group. Das britische Unternehmen ist darauf spezialisiert, Elektronikprodukte für bestimmte Marken zu entwickeln und unter Lizenz zu fertigen. Schon seit einigen Jahren verkauft es im Namen von Caterpillar robuste Smartphones, nun kommt auch Land Rover dazu – beides steht für Robustheit und Abenteuer.

Neu auf den Markt kommt zum Beispiel das Cat S61, das mit Extras wie einem Feuchtigkeitssensor, einem Laser-Entfernungsmesser und einer Wärmebildkamera ausgestattet ist, aber auch ein Display mit Full-HD-Auflösung bietet. Dick gepolstert ist es sowieso. Preis: rund 900 Euro.

Das Land Rover Explore soll ebenfalls von der Marke profitieren – weshalb das Gerät nicht nur so robust wie ein SUV wirkt, sondern auch ein Mikrofon im Stil eines Kühlergrills hat. Per Magnet können Nutzer Module an der Rückseite befestigen, wie es Lenovo bei seiner Marke Motorola ebenfalls anbietet. So gibt es zusätzliche Akkus und eine Fahrradhalterung zum Nachrüsten. Ganz klar: Das Produkt zielt auf Outdoor-Enthusiasten.

Die Kunden seien zunehmend unzufrieden mit der Zerbrechlichkeit und der geringen Akkulaufzeit ihrer Smartphones, mein Bullitt-Chef Peter Stephens. Geräte wie das Landrover-Modell seien für den Outdoor-Einsatz perfekt. Ob die Nutzer damit regelmäßig ins Gelände gehen, ist allerdings - ähnlich wie bei SUVs – eine andere Frage.

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