Huawei zieht Bilanz „Was Huawei als Jahresbericht vorlegt, würden Börsen weltweit nicht akzeptieren“

Der Gewinn von Huawei ist im vergangenen Jahr um zwei Drittel gesunken, der Umsatz stagnierte. Quelle: imago images

Die neuen Zahlen von Huawei sagen wenig aus, aber eines wird deutlich: Das Unternehmen stagniert bestenfalls fünf Jahre nach Einführung der US-Sanktionen.

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Die Bühne ist geschmückt mit Blumengestecken aus lila Orchideen, rosa Nelken und weißen Rosen. Im Hintergrund werden überlebensgroße Zweige von weiß blühenden Pflaumenbäumen auf die Wand projiziert. Die Pflaume ist das Motto der diesjährigen, in die gesamte Welt ausgestrahlten Bilanzpressekonferenz vom chinesischen Technologiekonzern Huawei in Shenzen.

Finanzchefin Meng Wanzhou, die Tochter des Firmengründers, die drei Jahre in Kanada unter Hausarrest lebte, übernimmt ab April den rotierenden Chefsitz. Sie verkündet die Zahlen: Der Gewinn ist um zwei Drittel auf fünf Milliarden Dollar gesunken, der Umsatz stagnierte 2022 bei 92 Milliarden Dollar: „Dies ist ein Tiefpunkt.“ Ihr Amtsvorgänger, Eric Xu, zitiert ein chinesisches Gedicht: „Die Pflaumen werden süßer, wenn die Blüte den Frost übersteht.“

Vor einer Woche zelebrierte Huawei noch eine völlig andere Zeremonie: Hier marschieren Soldaten in Uniform zu schmetternder Trompetenmusik über die Bühne, ein Anführer brüllte die Kommandos. Feierlich überreicht Meng Wanzhou hier riesige rote chinesische Flaggen an ausgesuchte Mitarbeiter. Schließlich wird noch Mao Zedongs Rote Armee im Video eingeblendet. Es handelt sich um ein firmeninternes Event, wo verdiente Software-Developer ausgezeichnet werden.

Poesie oder Peitsche?

Unterschiedlicher könnte ein und dasselbe Unternehmen sich nach innen und nach außen nicht präsentieren: Nach außen – geschwächt und sanftmütig. Nach innen – stark und militaristisch. Huawei leidet unter den US-Sanktionen: US-Unternehmen dürfen Chips nur noch nach Einholung einer Lizenz an Huawei verkaufen, und für 5G-fähige Handy-Chips wird sie nicht mehr erteilt. Damit ist für Huawei das Smartphone-Geschäft, mit dem sie weltweit die Nummer zwei waren, weitgehend weggebrochen. Halbleiter für Telekommunikationsequipment werden noch an Huawei geliefert – hier aber greift ein anderer Bann: Immer weniger westliche Mobilfunkanbieter bauen aus Sorge vor Abhängigkeiten, Spionage und Sabotage noch chinesische Komponenten in ihre Netze ein.

„Huawei bekommt die Note 1 für die Poesie und die Note 6 für die Qualität ihrer Finanzberichterstattung“, sagt der dänische Telekommunikationsanalyst John Strand zu der sorgfältig inszenierten Enthüllung der Zahlen von 2022. „Was Huawei als Jahresbericht vorlegt, würde an den Börsen der Welt nicht akzeptiert werden.“ Das Dokument wird zwar von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG abgesegnet, wird aber, weil das Unternehmen völlig im Besitz seiner Mitarbeiter ist, nicht wie die Geschäftsberichte von Ericsson und Nokia von jeweils mehr als 30 Finanzanalysten auf Herz und Nieren geprüft.

Steigt der Absatz oder fällt er?

Auf den 179 Seiten des Reports berichtet Huawei von neuen Geschäftsfeldern, erzählt, wie es die Welt digitaler, intelligenter und grüner machen will. Es nennt viele Beispiele, nennt aber nie die Namen konkreter Kunden. Strand findet: „Es handelt sich mehr um Propaganda als um Information.“  

Zahlen sind in dem Werk zum Abschluss des vergangenen Geschäftsjahres selten zu finden. Schon gar nicht aussagekräftige Zahlen wie zu der Kompensation von Vorständen und die exakte Besitzstruktur. Das Werk beantwortet auch nicht die interessanteste Frage: Steigt der Absatz des Telekommunikationsequipments außerhalb von China oder fällt er?

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Immerhin bricht Huawei erstmals seinen Umsatz über mehr als die drei Sparten Telekommunikationsausrüstung, Industrie und Konsumenten hinunter. Dabei wird klar: Huawei kann längst nicht so schnell auf neue Geschäftsbereiche umsatteln, wie ihr Storytelling glauben machen will. Cloud Computing und Digitales Energiemanagement machen je nur zehn bis zwanzig Prozent des Umsatzes aus, den die Konsumentenprodukte und die Telekommunikationsinfrastruktur erzielen. Das vernetze Fahren ist mit 0,5 Prozent des Umsatzes noch winzig.

Auf den Heimatmarkt zusammengeschrumpft

Eine Zahl aber ist klar: Huawei macht immer mehr von ihrem Umsatz in China selbst. Heute liegt der Anteil des inländischen Umsatzes bei 63 Prozent. Im Vorjahr waren es noch vier Prozentpunkte weniger; vor fünf Jahren sogar noch nur 51 Prozent. „Wenn Huawei nur Lateinamerika, Afrika und Teile Asiens als Auslandsmarkt übrigbleiben, dann schrumpft Huawei auf die Rolle des einheimischen Lieferanten zusammen“, sagt Torsten Gerpott, der auf die Telekommunikationswirtschaft spezialisierte Professor an der Universität Duisburg-Essen. „Für den ehemaligen Global Player ist das lebensgefährlich.“

Das Problem: Zusammen mit Japan und Südkorea war China eines der ersten Länder weltweit, die den 5G-Ausbau ihres Mobilfunknetzes starteten. Die große erste Welle, die Netzabdeckung zu erreichen, ist deshalb schon geschafft. Deshalb gibt es die kommenden Jahre eine Nachfrageflaute, bis in einer zweiten Welle die Kapazitäten weiter ausgebaut werden müssen. Magere Zeiten also für Huawei im Heimatmarkt.

Fünfmal mehr für die Forschung als bei Nokia

Eine Zahl sticht besonders hervor: Die Investitionen in Forschung und Entwicklung wurden um 13 Prozent gesteigert auf 23 Milliarden Dollar. Eine stolze Summe insbesondere angesichts der Tatsache, dass Huaweis Assets im Vergleich zum Vorjahr auf ein Sechstel, nur mehr 152 Milliarden Dollar, geschmolzen sind. Investiert das Unternehmen in dieser Rate weiter, hat es seine Reserven in sechs Jahren aufgezehrt. Die europäischen Konkurrenten Nokia und Ericsson wenden jeweils knapp fünf Milliarden Dollar für die Forschung auf. Diese Zahlen sind aber nur bedingt vergleichbar. Anders als Huawei, dass seine Geschäftsbereiche immer weiter diversifiziert, konzentrieren die sich die Europäer ausschließlich auf Telekommunikationsausrüstung. Und Huawei lässt im Dunkeln, wie viel ihrer enormen Investitionen wirklich auf diesen Kernbereich entfällt.

Wie stark sind die Patente?

Interessant ist auch der Blick auf Huaweis Einnahmen aus ihrem Patentportfolio. Bei 5G hält Huawei schließlich fast die Hälfte aller angemeldeten Patente. Hier nimmt das chinesische Unternehmen deutlich weniger ein als seine beide skandinavischen Konkurrenten: Huawei weist 600 Millionen Euro an Lizenzeinnahmen aus. Zum Vergleich: Ericsson erzielte 940 Millionen Euro, Nokia 1,6 Milliarden Euro.

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Allgemein gilt das Patentportfolio von Huawei als sehr stark. Die Frage ist nur, warum das Unternehmen es angesichts der heiklen finanziellen Position nicht besser monetarisieren kann. „Am Ende sind die Patente vielleicht nicht so stark, wie Huawei behauptet“, glaubt Strand. So hat das Unternehmen aus Shenzen etwa mit dem VW-Zulieferer Rolling Rock einen eher bescheidenen Deal abgeschlossen, statt wie andere 5G-Patentbesitzer gegen den Autohersteller selbst für die verbauten Mobilitätskonsolen vor Gericht aufs Ganze zu gehen. Vielleicht ist die Vorsicht berechtigt: Erst vor Gericht wird entschieden, ob ein angemeldetes Patent wirklich valide und belastbar ist.


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