
Auch wenn er immer wieder eine Absage bekam – Martin Wolff hat seine Suche nach einem Investor für den Sprung seiner Kommune ins Gigabit-Zeitalter nie aufgegeben. Zunächst hakte der parteilose Oberbürgermeister von Bretten in Baden bei den Telekomkonzernen nach: Wann sie denn endlich auch in seiner Stadt Glasfaser bis in jedes Haus legen würden, wollte er wissen. Wolff konnte ihnen sogar einen historischen Anlass bieten: In diesem Jahr wird das nordöstlich des IT-Zentrums Karlsruhe gelegene Städtchen 1250 Jahre alt. Doch Deutsche Telekom, Vodafone und Unitymedia lehnten ab.
Für eine Kleinstadt wie Bretten mit 29.000 Einwohnern lohne sich der Ausbau einfach nicht, so die Ansage. „Die Großen haben sich jahrelang die Rosinen in den Ballungszentren herausgepickt und den ländlichen Raum vernachlässigt“, sagt der 60-jährige Oberbürgermeister.
Wolff, ein überzeugter Marktwirtschaftler, hat das Schicksal der Brettener selbst in die Hand genommen. Um den 8700 Haushalten die Glasfaser bis ins Haus zu legen – nur so können Höchstgeschwindigkeiten von einem und mehr Gigabit pro Sekunde erreicht werden –, hat er einer neuen Glasfasergesellschaft das Buddeln gestattet. Die Breitbandversorgung Rhein Neckar (BBV) baut mit eigenem Geld nun ein neues Netz. Der erste Spatenstich fand vor den Sommerferien statt.

Als Investor im Hintergrund unterstützt ein Infrastrukturfonds mit rund zehn Millionen Euro das Vorhaben. Der Bouwfonds wurde von der niederländischen Rabo Real Estate Gruppe aufgelegt. Kommune, Netzbetreiber und Privatinvestor – so ein Bündnis in Sachen Breitbandausbau gibt es bisher noch nirgends in Deutschland. „Das größte Problem ist die Finanzierung der hohen Baukosten“, sagt BBV-Geschäftsführer Manfred Maschek. „Mit dem Bouwfonds haben wir eine gute Lösung gefunden“, fügt er hinzu.
Bretten mag damit den Weg in die digitale Zukunft für sich gefunden haben. Für viele andere Kleinstädte, Kommunen und Gemeinden gilt das nicht (siehe Grafik Seite 44). Dabei wurde vor bald 20 Jahren in Deutschland der Telekommunikationsmarkt liberalisiert. Dass ein privat finanziertes Modell wie in Bretten in Deutschland erstmals im Jahr 2018 fertiggestellt wird, ist eine Bankrotterklärung: Ohne staatliche Unterstützung sind außerhalb der Großstädte kaum neue Glasfasernetze entstanden. Die Öffnung der Märkte hat außer sinkenden Preisen kaum etwas gebracht.
Streitende Konzerne, unentschlossene Politiker und ein ehemaliger Monopolist, der immer wieder Sonderregelungen für sich herausschlägt, haben den Wettbewerb vielmehr ausgehebelt. Und die Verhinderungstaktik geht in die nächste Runde: Die Deutsche Telekom ist dabei, sich erneut einen Freifahrtschein auszuhandeln.





Dabei versprechen alle Bundestagsparteien ein Ende des Internetnotstands und den Bau von superschnellen Glasfasernetzen in Deutschland. Bis spätestens 2025, so steht es etwa in den Wahlprogrammen von CDU und SPD, soll in Deutschland ein nahezu flächendeckendes Glasfasernetz für alle 40 Millionen Haushalte und drei Millionen Unternehmen entstehen. Doch wer die Federführung beim Bau des mindestens 50 Milliarden Euro teuren Megaprojekts bis in alle Winkel Deutschlands übernimmt – und welche Formen von Wettbewerb dafür notwendig sind –, darüber ist in Berlin ein heftiger Streit entbrannt.
Das ungewöhnliche Kooperationsmodell aus Bretten sorgt dabei für besonders viel Diskussionsstoff – würde es sich doch für viele unterversorgte Regionen anbieten. Es wäre auf jede Kommune übertragbar: Die private Glasfasergesellschaft baut und betreibt das neue Netz, verkauft es aber kurz nach der Fertigstellung an den von der Rabobank aufgelegten Bouwfonds. Gegen eine mit der Kundenzahl wachsende monatliche Gebühr least die BVV die Nutzungsrechte dann wieder zurück. Mit diesem Sale-and-lease-back-Verfahren schließen Unternehmen und Kommunen schon lange Liquiditätslücken bei anderen langfristigen Vermögensanlagen wie Immobilien oder Maschinen. Auch wenn so manche Kommune damit keine guten Erfahrungen gemacht hat, Wolff hält es für die beste Option: „Ich bevorzuge private Initiativen, bevor die Stadtkasse mit den Steuergeldern angezapft wird.“
Doch die Deutsche Telekom will solche Initiativen – wie viele andere zuvor – in Zukunft am liebsten verhindern. Dafür bietet sie sich als Retter aus dem Glasfasernotstand an. Sie würde flächendeckend Glasfaser in jedes Haus ziehen. Bedingung: Berlin soll ihr die Konkurrenz auf Abstand halten.
In Kamingesprächen mit den beiden noch zuständigen Bundesministern, Brigitte Zypries (SPD) für Wirtschaft und Alexander Dobrindt (CSU) für Infrastruktur, rechnen die Lobbyisten von Telekom-Chef Tim Höttges derzeit vor, dass die Telekom solch eine Milliardeninvestition nur alleine stemmen könne, wenn sie von allen regulatorischen Zwängen und Pflichten befreit würde.