High-Speed-Internet Die Pirouetten der Telekom beim Glasfaserausbau

Seite 2/2

Gegenwehr der Telekom-Konkurrenten

In einem Papier für die Bundesnetzagentur wirbt die Telekom dabei besonders deutlich: „Eine grundsätzliche Abkehr von einer Logik, die in den letzten 20 Jahren eine Regulierung der Telekom als Normalfall betrachtet hat, ist dringend geboten.“ Ansonsten werde die Telekom die „äußerst hohen Risiken“ nicht eingehen.

Den Vorschlag findet nicht nur Brettens Oberbürgermeister befremdlich. Die größeren Telekom-Konkurrenten formieren sich zur Gegenwehr. Vor allem Vodafone befürchtet ein „Glasfaser-Monopol der Telekom“. Das Versprechen, im Alleingang solch ein Netz zu bauen, könne die Telekom ohnehin nicht halten. Dazu fehle ihr angesichts eines Schuldenbergs von mehr als 50 Milliarden Euro die Finanzkraft. „Kein Anbieter kann den Glasfaserausbau alleine stemmen“, attestiert auch Telefónica-Vorstand Valentina Daiber. Das Thema werde „nach der Bundestagswahl in allen Facetten und Modellen intensiv diskutiert werden“.

Dabei gibt es, auch jenseits von kommunaler Selbsthilfe wie in Bretten, durchaus Ideen für den Ausbau einer digitalen Netzinfrastruktur in alle Regionen. Doch bisher findet sich dafür in der Branche kein gemeinsamer Nenner.

Der Mobilfunkbetreiber Telefónica etwa stieß bereits im vergangenen Jahr eine konzertierte Aktion von Netzbetreibern, Staat und Finanzinvestoren an, um den Rückstand beim Bau von Glasfasernetzen aufzuholen. Weil sich in den meisten Regionen nur ein Glasfasernetz wirtschaftlich rentiert, sollten nach Auffassung von Telefónica die Betreiber ihre Aktivitäten zusammenlegen. Die Gründung dieser nationalen Glasfasergesellschaft sollte garantieren, dass sich die Netzbetreiber nicht auf den Ausbau in lukrativen Ballungsräumen konzentrieren, sondern genauso schnell auch die ländlichen Regionen versorgen. Exklusivrechte für einen Anbieter gäbe es dann nicht. Alle Telekomgesellschaften könnten ihre Kunden an dieses Netz anschließen.

Bei der Konkurrenz stößt solch ein Schulterschluss auf Widerstand. Vor allem die Telekom, die bisher fast vollständig auf den Glasfaserausbau bis in die Haushalte zugunsten der veralteten Kupferinfrastruktur verzichtete, will die Hoheit über ihre Netze behalten. Das Modell verschwand deshalb wieder in der Schublade. Politiker in Berlin finden die Idee „sympathisch“, aber stark macht sich dafür niemand. Telefónica will den Vorschlag modifizieren und arbeitet daran, bilaterale Kooperationspartner zu finden.

Fehlende Weitsicht in Berlin, kooperationsunwillige Konkurrenten und Investitionsbedarf in Milliardenhöhe – immerhin hat der Bau von Glasfaseranschlüssen, wenn schon nicht in Kleinstädten, so doch in Metropolen wie Köln und München geklappt. Zwei Millionen Anschlüsse wurden hierzulande verlegt. Doch auch in den Großstädten spielt die Telekom nicht die tragende Rolle, die sie jetzt beim landesweiten Ausbau verlangt: 90 Prozent der Glasfaserleitungen stammen von regionalen Anbietern, die kommunale Stadtwerke als größte Gesellschafter haben, so etwa Netcologne in Köln oder M-Net in München.

In den Glasfasermusterländern Europas engagieren sich die Kommunen ohnehin besonders stark. Schweden etwa gilt mit einer Glasfaserversorgungsquote von 40 Prozent (Deutschland: 7 Prozent) als Vorreiter. Wie Straße, Wasser und Strom müssen Kommunen als Teil der Daseinsvorsorge auch den Glasfaseranschluss bereitstellen.

Im Großraum Stockholm sind so inzwischen 98,7 Prozent der Fläche mit Leerrohren des kommunalen Glasfaserversorgers Stokab abgedeckt. Der lädt jede Telekomgesellschaft ein, eigene Glasfaserleitungen in die Leerrohre hineinzulegen. Weil die Kommune die hohen Kosten trägt, ist der Infrastrukturwettbewerb profitabel. Selbst dann, wenn – wie in Stockholm – ein 100-Megabit-Anschluss nur 15 Euro und der Gigabit-Anschluss nur 25 Euro kostet.

Diese Städte sind digitale Vorreiter
Menschen mit Laptops und Smartphones Quelle: dpa
Der Schlossplatz in Stuttgart Quelle: dpa
Luftaufnahme Dresden Quelle: dpa
Wuppertaler Schwebebahn Quelle: AP
Touristen vor dem Brandenburger Tor Quelle: dpa
Luftaufnahme Leipzig Quelle: dpa
Düsseldorf Quelle: dpa

Bernd Beckert, der für die Bertelsmann-Stiftung die Ausbaustrategien vieler Glasfaseranbieter europaweit verglichen hat, empfiehlt auch in Deutschland ein stärkeres Engagement der Kommunen: „Es ist sinnvoll, das Prinzip der Daseinsvorsorge auf das Breitbandinternet auszuweiten.“

In Bretten will man unbedingt beim rein privaten Ansatz bleiben. Denn es dürfte Wettbewerb geben – die BBV hat versprochen, das neue Glasfasernetz auch für andere Anbieter zu öffnen. Bouwfonds-Manager Peter Selgert kann sich sogar vorstellen, mit dem Modell in Großstädte zu expandieren.

Seine Investoren, darunter langfristig denkende Versicherungen und Pensionskassen, hätten dafür nur einen Wunsch: dass die nächste Bundesregierung die ständigen Mauscheleien mit der Telekom beende. Seine Geldgeber suchten nach langfristig kalkulierbaren Anlageobjekten mit stabilen Renditen über eine Laufzeit von 25 bis 30 Jahren. „Die sollte die Bundesregierung nicht vergraulen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%