Der Fall von HTC ist ein tiefer - auf mehreren Ebenen. Besonders deutlich zeigt ihn die Börsenkurve. Lag die HTC-Aktie im Frühjahr 2011 noch bei 1300 Taiwan-Dollar, notiert sie derzeit bei rund 85. Darüber kann sich der Konzern sogar freuen. Zwischenzeitlich lag der Kurs schon bei knapp über 40 und damit so niedrig, dass das gesamte Unternehmen an der Börse weniger wert war als die eigenen Bargeldreserven.
Die Entwicklung der Verkaufszahlen ist ähnlich. Von einst über zehn Prozent ist HTC auf einen weltweiten Marktanteil von zwei Prozent abgestürzt. Hatte es der Konzern 2014 zumindest noch geschafft, ein Plus zu erwirtschaften, fielen die vergangenen Quartalszahlen tiefrot aus. Allein in Juli, August und September machte das Unternehmen 122 Millionen Euro Minus. Der Umsatz brach um fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein.
Dass es so steil bergab ging, hat HTC natürlich auch mit zu verantworten. Das Unternehmen hat es nie geschafft, aus seinen Geräten eine attraktive Marke zu formen. “Auch das Management hat nicht genug Druck gemacht”, sagt Branchenkennerin Cozza. “Nach den ersten Erfolgen mit der One-Serie ist man bei der Innovationsentwicklung wieder nachlässig geworden.”
Für den Niedergang ist der Konzern aber trotzdem nicht allein verantwortlich. Er fällt einem Wettbewerb zum Opfer, der kleinen Herstellern kaum eine Chance lässt. Denn auf dem Smartphone-Markt ist nur wenig Platz.
Wer Highend-Geräte will, kauft häufig Apple. Bei den teuren Android-Geräten ist Samsung eindeutiger Marktführer. Mit einer ganzen Flut an Smartphones ist der Konzern aus Südkorea zudem in allen Preisklassen vertreten, und längst zum absatzstärksten Smartphone-Hersteller der Welt aufgestiegen. Zwischen Apples Kultmarke rund um das iPhone und der schieren Masse von Samsung wird HTC einfach zer- und aus dem Oberklasse-Markt gedrückt.
Andere asiatische Anbieter wie Huawei und das aufstrebende Unternehmen Xiaomi wachsen kräftig - allerdings im Niedrigpreis- und Mittelklasse-Sektor. Doch die Chance, mit einem preiswerteren Smartphone Markanteile in Schwellenländern zu erobern, in denen der Aufstieg des Smartphones erst beginnt, hat HTC verpasst. Die Einsteigermodelle der Desire-Reihe kamen spät und haben es - trotz annehmbaren Preises, aber ohne Besonderheit - nie zum großen Durchbruch gebracht.
HTCs Versuche, abseits der Smartphones ein Geschäft aufzubauen, waren bestenfalls durchwachsen. Die Actionkamera RE war zwar innovativ und besonders handlich, bedient jedoch nur einen Nischenmarkt und zieht dort im Vergleich mit der wesentlich beliebteren GoPro den Kürzeren. Die Entwicklung des Fitnesstracker Grip wurde kurz vor Markteinführung eingestellt, die eigene Smartwatch lässt genauso auf sich warten wie die Virtual-Reality-Brille Vive. Und sein derzeit einziges Tablet, das Nexus 9, baute HTC nur im Auftrag von Google.
Jetzt steht der Konzern so schwach da, dass bereits die Geier kreisen. Im Sommer wurden schon Gerüchte laut, der Computer-Hersteller Asus könnte den schwächelnden Smartphone-Bauer schlucken. HTC schmetterte ab. Noch geht das offenbar.
Auf Dauer in der Nische
Auf den Druck reagierte das Unternehmen bislang mit den Rettungsankern der Krisen-Konzerne: Auf den Austausch der Führung folgte die Ankündigung von massivem Stellenabbau und Kürzungen bei der Modellbreite. Man wolle sich nun auf das Premiumsegment konzentrieren, erklärte des Unternehmen zuletzt. Der einzig richtige Schritt, glaubt Gartner-Analystin Cozza: “Auf einen Preiskampf mit den chinesischen Anbietern braucht sich HTC gar nicht einlassen. Das Unternehmen hätte keine Chance.”
Insofern ist das A9 mit dem gehoben Preis der richtige Ansatz. In Europa, den USA und auf den aufstrebenden Smartphone-Märkten wie China könnte HTC damit bei all jenen punkten, die statt ihres Einsteiger-Smartphones ein Gerät mit mehr Leistung suchen, vor den Highend-Geräten jenseits der 700-Euro-Grenze jedoch noch zurückschrecken.
Smartphones: diese Betriebssysteme verkaufen sich am besten
Android hat sich seit 2014 mit Abstand am besten verkauft. Ging es vor zwei Jahren bereits über eine Millionen Mal über den Ladentisch, so wird es sich 2016 - Expertenschätzungen zufolge - vermutlich fast1,4 Millionen Mal verkaufen.
Auch das Betriebssystem von Apple schlägt sich gut. Von fast 192.000 Verkäufen konnte es sich 2015 auf über 209.000 steigern, Tendenz für 2016 steigend (über 221.000).
Das nach Umsatz drittgrößte Smartphone-Betriebssystem Windows hat im Jahr 2014 über 35000 Smartphones ausgestattet, 2015 bereits über 44000. 2016 werden es voraussichtlich über 58.000 sein.
2014 wurden fast 8000 Smartphones mit dem Betriebssystem von Blackberry verkauft. Die Verkaufszahlen sind allerdings rückläufig. 2015 sind es nur noch knapp über 5000, 2016 schätzungsweise nur noch unter 4000.
Auch für Firefox OS sieht es nicht gerade rosig aus. 2014 wurden gerade einmal 2256 Smartphone mit diesem Betriebssystem verkauft. Die Tendenz ist weiter abnehmend. (2016:2178).
Andere Anbieter haben insgesamt etwa 3500 Smartphones mit ihrem Betriebssystem ausgestattet. Gartner schätzt, dass 2015 nur noch knapp über 3000 Smartphones mit anderen Anbietern ausgestattet werden, 2016 sogar noch weniger (1835)
Quelle: Gartner (Juni 2015)
Zum großen Publikumserfolg wird es kaum reichen. “HTC wird sich ohnehin damit abfinden müssen, ein Nischen-Hersteller zu bleiben”, glaubt Cozza. “Seine einstige Größe wird das Unternehmen nicht wieder erreichen. Aber noch hat es die Chance, am Markt zu bestehen.”
Das aber wird sich wohl erst in den kommenden Monaten zeigen. HTCs große Chance - und vielleicht eine der letzten: der Nachfolger des Highend-Geräts M9. Das für 2016 geplante Topmodell braucht dann aber echte Neuerungen, um mindestens die Begeisterung der ersten One-Geräte zu entfachen.
Zumindest beim Namen bricht das nächste HTC-Flaggschiffmodell mit seinen Vorgängern. Es soll, so wird kolportiert, O2 heißen.