Huawei Aufstieg mit Spionage?

Huawei: Chinas verlängerter Spionagearm? Quelle: Bloomberg

Die USA stoppten den Einsatz wegen Spionagegefahr, in Europa dagegen sind die chinesischen Netzausrüster Huawei und ZTE weiter erfolgreich. Sie könnten durch Hintertüren Smartphones anzapfen – und bald ganze Fabriken.

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Die Befürchtung, dass der Technologielieferant Huawei der verlängerte Arm chinesischer Geheimdienste in Europa ist, gibt es schon länger. Aber in keinem Land der Welt wird dieses Spionagerisiko so hartnäckig unterschätzt wie in Deutschland. Huawei verdrängte mit Dumpingangeboten die europäischen Netzausrüster Nokia und Ericsson und steuert inzwischen als Marktführer in Deutschland die Knotenpunkte der größten Mobilfunk- und Festnetzinfrastrukturen.

Bei allen drei großen Mobilfunkbetreibern Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica (O2) – ist Huawei als einer von zwei großen Lieferanten fest gesetzt. Das Risiko, dass durch versteckte Hintertüren Smartphones angezapft werden und wertvolle Informationen nach China abfließen, nehmen Telekom & Co. damit bewusst in Kauf.

In Zukunft können die chinesischen Spione ihre Beutezüge auch noch auf die Fabriken ausdehnen. Mit dem neuen, superschnellen 5G-Mobilfunk soll in den nächsten zwei Jahren ein drahtloses Universalnetz entstehen, dass besonders gut geeignet ist für die sensible Steuerung von Maschinen in der Fabrik 4.0 oder zum Datenaustausch zwischen Sensoren im neuen Internet der Dinge. „Solche neuen industriellen Anwendungen sind ein lukratives Ziel für Wirtschaftsspionage“, sagt der Manager eines großen europäischen Industrieunternehmens. Die ersten Pilotprojekte deuten an, dass Huawei auch beim Ausrollen der 5G-Netze mehr Aufträge bekommen könnte als die beiden europäischen Konkurrenten Nokia und Ericsson. Noch mehr Daten würden dann über chinesische Vermittlungsrechner laufen. „Für die Industrie“, berichtet ein Manager, „sind solche Sicherheitsrisiken nicht länger tolerierbar“.

von Simon Book, Jürgen Berke, Melanie Bergermann, Lea Deuber, Konrad Fischer, Matthias Kamp, Silke Wettach

Bei der Deutschen Telekom sind die Chinesen sogar zum wichtigsten Technologielieferanten aufgestiegen. Denn Telekom-Chef Tim Höttges setzt Huawei-Technik nicht nur zur Beschleunigung seiner Mobilfunk- und DSL-Anschlüsse ein. Auch beim Prestige-Produkt Entertain, mit dem die Telekom Fernsehkunden von den Kabel-TV-Gesellschaften weglocken will, kündigte die Telekom dem langjährigen Technologiepartner Microsoft und wechselte auf die TV-Plattform von Huawei.

Selbst in sicherheitsrelevanten Bereichen setzt die Telekom die umstrittene Huawei-Technik ein. So vergab das europäische Kernforschungszentrum CERN bei Meyrin im Schweizer Kanton Genf, weltberühmt durch seine Grundlagenforschung mit Teilchenbeschleunigern, im März 2017 den Auftrag an ein Konsortium mit Telekom/Huawei an der Spitze. Die beiden bauen eine riesige Cloud-Plattform mit über 7000 Rechnern für die wissenschaftliche Auswertung der Forschungsarbeiten. Huawei sitzt damit direkt an der Quelle und kann den Forschern bei ihrer Arbeit virtuell über die Schulter schauen.

USA sahen in ZTE „Gefahr für die nationale Sicherheit“

Ein großes Einfallstor für Cyberspionage wollte die CDU schließen und sprach das Thema auch in den in kürzlich abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen mit der SPD an. Die Digitalexperten der Union wollten – so steht es in einem internen Positionspapier – die Fernwartung aus China verbieten. Insbesondere bei Netzausrüstern wie Huawei und ZTE ist es üblich, dass für die Techniker in China eine ausschließlich für die Wartung und Instandhaltung installierte Direktverbindung nach China eingerichtet wird. Die Spezialisten bekommen dadurch Zugriff auf sensiblen Komponenten und könnten auch den Datenfluss anzapfen. Doch der Verstoß der CDU verpuffte. Diese erstmals erhobene Forderung fand nicht Eingang in den Koalitionsvertrag.

Ganz anders die USA. Seit vielen Jahren sehen die US-Administration beim Technologie-Einsatz von Huawei und des ebenfalls aus China stammenden Konkurrenten ZTE eine „Gefahr für die nationale Sicherheit“. Die Behörden schreiten ein, sobald Huawei und ZTE einen Fuß auf den US-Markt setzen. Auf dem US-Markt aktive Telekom-Konzerne – wie zum Beispiel AT&T, Verizon und T-Mobile – dürfen deshalb in ihren Netzen keine Komponenten von Huawei einsetzen. Selbst für die Smartphones gilt ein Verkaufsstopp. Wegen der engen Beziehungen von Huawei zur Volksbefreiungsarmee sieht die US-Administration die Gefahr, dass alle Produkte mit Hintertüren ausgeliefert werden, die chinesischen Geheimdiensten direkten Zugriff auf den gesamten Datenverkehr geben.

Ein exklusiv über Huawei erstelltes „Risikoprofil“ der US-amerikanischen Unternehmensberatung RWR Advisory Group in Washington D.C. sieht keinen Grund für eine Entwarnung: „Die National Security Agency (NSA) konnte den Datenfluss in Netzen und Endgeräten von Huawei manipulieren und auslesen“, heißt es in dem im Februar veröffentlichten Report. „Sehr wahrscheinlich können das die staatlichen Stellen in China dann auch.“

Ohnehin glauben US-amerikanische Sicherheitsexperten, dass Huawei durch eine erfolgreiche Spionageoperation entstanden ist. Über mehrere Jahre konnten chinesische Cyberspione kurz nach der Jahrtausendwende unerkannt aus den IT-Systemen des damals sehr erfolgreichen kanadischen Netzausrüsters Nortel technische Dokumentationen, Entwicklungsprojekte und Geschäftspläne stehlen. Nortel verlor seinen Technologievorsprung und musste 2009 sogar Insolvenz anmelden. Zeitgleich begann der Aufstieg von Huawei – mit Mobilfunktechnologien, in denen eigentlich Nortel führend war.

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