Huawei Deutschland CTO Walter Haas „Ein Ausschluss Huaweis ergibt wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn“

Huawei 5G Quelle: imago images

Wird Huawei am 5G-Ausbau beteiligt sein? Die Bundesregierung hat darauf noch keine endgültige Antwort gefunden. CTO Walter Haas erklärt, wie weit deutsche Firmen bei 5G sind und versucht Spionagevorwürfe zu widerlegen.

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Herr Haas, auf der diesjährigen Hannover Messe gab es eine 5G-Arena samt Ausstellern wie Nokia oder Ericsson. Ihr Stand war in einer anderen Halle. In Zeiten eines möglichen Ausschlusses von Huawei am 5G-Ausbau könnte man da sehr viel hineininterpretieren.
Walter Haas: Wir sind schon seit vielen Jahren im Bereich der Digitalisierung von Fabriken auf der Hannover Messe präsent. 5G ist zurzeit das Trendthema schlechthin, doch bei der „Digital Factory“ nur eine von vielen Technologien. Deswegen hatten wir unseren Stand – wie seit Jahren – ganz bewusst in der Halle, die sich eben mit der „Digital Factory“ beschäftigt.

Ist die Darstellung von 5G als revolutionäre Technologie womöglich verfrüht?
Auf gar keinen Fall. Wir sind bei 5G ja selbst sehr umtriebig – hierzulande vor allem in Süddeutschland. Innerhalb unseres Forschungszentrums in München haben wir unser „Vertical Accelerator Lab“ vor etwa vier Jahren eröffnet. Dort arbeiten wir mit Partnern wie ABB oder Kuka zusammen, um die 5G-Vernetzung in der Breite voranzutreiben.

Wie soll das funktionieren?
Diverse Initiativen von Universitäten oder Forschungsinstituten müssen vorangebracht werden. Es muss darum gehen, 5G als Technologie auch wirklich in industriellen Anwendungen zu implementieren. Zum Beispiel indem Firmen Roboter flächendeckend mit entsprechenden Modulen ausrüsten. Um die Infrastruktur werden sich schon die drei großen Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica kümmern. Bei der Anwendung von 5G ist noch ein weiter Weg zu gehen. Zwar arbeiten die großen Unternehmen wie Siemens oder Bosch schon daran. Doch gerade für größere Mittelständler liegt hier eine bislang ungenutzte Chance.

Wie wird 5G-Technologie von Huawei denn heute schon genutzt?
Zuallererst im Consumer-Bereich, der wohl am schnellsten mit 5G erschlossen werden wird. Ich denke an Virtual oder Augmented Reality oder Gaming. Gerade mit Gaming wird rund um den Globus wahnsinnig viel Geld verdient. Da werden bald neue Lösungen auf den Markt kommen, die schon gar keine Konsolen mehr brauchen, sondern sich in der Cloud abspielen und mit Endgeräten gekoppelt sind – dafür braucht es dann Latenzzeiten, wie sie 5G bieten wird.

Und in der Industrie?
Nehmen Sie nur mal die deutsche Automobilindustrie. Die Endmontage von Fahrzeugen wird in Zukunft nicht mehr auf einer Fertigungsstraße geschehen, sondern an einzelnen Stationen. So wird eines der Paradigmen von Industrie 4.0 realisiert werden, nämlich die Herstellung von hochgradig individuellen Fahrzeugen im Rahmen einer Massenfertigung. Übernehmen werden diese Aufgabe sowohl Menschen als auch autonome Roboter im sogenannten „Co-Working“. Diese Roboter brauchen allerdings eine drahtlose Konnektivität zu einem 5G-Netz und für diese will Huawei mit Modulen sorgen. Bei dieser Vernetzung müssen wir in Deutschland noch deutlich mehr Geschwindigkeit aufnehmen.

Wir hinken also hinterher?
Definitiv, wenn ich zum Beispiel die Dynamik in Asien sehe.

Was läuft dort besser?
In Ländern wie Südkorea oder Japan gibt es eine ganz klare Industriepolitik. In Deutschland hat Herr Altmaier vor zwei Monaten seine Industriestrategie vorgestellt. Das kann allerdings nur ein erster Schritt sein.

Was wäre der zweite?
Ich vermisse immer noch einen europäischen Vorstoß. Deutschland wird allein nicht in der Lage sein, dem Duopol aus den USA und China Paroli bieten zu können. Die Initiative dazu müsste meiner Meinung nach von Deutschland ausgehen.

Wie dringend braucht es diese Initiative?
Machen Sie sich nur einmal die Lage von vielen mittelständischen deutschen Unternehmen bewusst. Wenn diese nun den großen Schritt machen und für Technologien wie Künstlicher Intelligenz im Rahmen von Industrie 4.0 viel Geld in die Hand nehmen, dann finden diese Unternehmen gar nicht die dafür qualifizierten Fachkräfte. Weil es für Technologien wie KI in Deutschland einfach noch nicht genügend kluge Köpfe gibt. Das darf nicht sein.

Gibt es denn schon eine wirkliche Digital Factory, die größtenteils Technologien der Industrie 4.0 einsetzt?
In Deutschland kenne ich noch keine solche Fabrik, bei der Produktionslinien flexibel aus autonomen Komponenten zusammengestellt werden. Wir sind zurzeit noch stark in Prozessautomatisierung vertieft. Doch auch in Asien wird ehrlicherweise viel Reklame gemacht und letztendlich auch nur mit Wasser gekocht. Auch dort müssen sich noch erst ganze Ökosysteme bilden. Deshalb mache ich mir in diesem Bereich keine allzu großen Sorgen.

Worüber Sie sich womöglich Sorgen machen, ist die Affäre rund um Ihr Unternehmen, die bereits Monate andauert. Sie haben sich vor einiger Zeit eine sachlichere Diskussion über Huawei gewünscht. Ist der Wunsch in Erfüllung gegangen?
Ja, die Auseinandersetzung ist tatsächlich deutlich sachlicher geworden. Wesentlich mehr Sicherheitsexperten haben Vorwürfe gegen unser Unternehmen relativiert.

Können Sie den Ursprung dieser Debatte heute verstehen?
Natürlich ist eine Technologie wie 5G im höchsten Maße sicherheitstechnisch relevant – gar keine Frage. Mit der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird 5G im Vergleich zu LTE auch bei der Sicherheit ganz neue Maßstäbe setzen. Dass eine so umgreifende und neue Technologie verunsichern kann, verstehe ich. Vor allem, wenn man sich damit nicht schon seit Jahren befasst.

Huawei und der wirtschaftliche Selbstmord

In Deutschland werden zurzeit die 5G-Lizenzen versteigert. Ob Huawei am anschließenden Netzausbau beteiligt sein wird, steht immer noch nicht fest. Doch im jetzigen 4G-Netz steckt massenhaft Huawei-Technologie. Was würde ein Verzicht auf Ihr Unternehmen als Ausrüster bedeuten?
Ein Ausschluss würde betriebs- und volkswirtschaftlich überhaupt keinen Sinn ergeben: Tatsächlich müsste dann ein vollkommen neues Netz aufgebaut werden, was immense Investitionen erfordern würde. Für das LTE-Netz haben wir ja beinahe zehn Jahre gebraucht.

Die Telekom hat sich vor kurzem für Sie ausgesprochen. Haben Sie damit nicht alles erreicht? Immerhin wird die Telekom maßgeblich für die 5G-Vernetzung zuständig sein.
Wir wollen doch nichts „erreichen“. Aus unserer Sicht hätte die Debatte so gar nicht erst stattfinden müssen. Sie ist hochgradig politisch motiviert – und zwar aus einer ganz bestimmten Richtung. Und die Cybersicherheit ist hier meiner Meinung nach nur ein Platzhalter für den wirtschaftlichen Disput der USA und China sowie eine zunehmende Abschottung des US-Markts. Dazwischen sind wir irgendwie hineingeraten.

Wie stellt sich diese Abschottung dar?
Ich kann oft nur schmunzeln, wenn ich sehe, was dort als 5G verkauft wird. Dort gehen Netzbetreiber ja sogar schon gerichtlich gegeneinander vor, um zu klären, ob die Technologie des Konkurrenten nun wirklich 5G genannt werden darf oder nicht. Die in den USA ohne Huawei-Technologie derzeit erreichten 5G-Übertragungsraten sind jedenfalls drei- bis viermal niedriger als die in Südkorea in kommerziellen Netzen mit Huawei-Technologie erreichten Raten.

Unabhängig davon steht allerdings der Spionagevorwurf der USA gegen Sie im Raum. Seitdem kämpfen Sie auch in Deutschland um das Image Ihres Unternehmens.
Was ich dazu sagen möchte ist, dass wir keinerlei gesetzlichen Verpflichtung unterliegen, uns an illegalen Spionageaktivitäten zu beteiligen. Und das ist im Grunde die gesamte Faktenlage. Unser Chief Legal Officer, Song Liuping, hat kürzlich gesagt: „Welches Unternehmen wäre denn so dumm, wenn es nicht irgendwie gezwungen wird, Selbstmord zu begehen?“ Und für uns ist ganz klar: Wenn wir Daten an die chinesische Regierung weitergeben würden, käme das einem wirtschaftlichen Selbstmord gleich. Außerdem hat unser Firmengründer gesagt: Lieber verkaufe er das Unternehmen oder schließe es, bevor wir uns durch die Weitergabe von Daten unsere Kunden massiv schädigen und uns selbst killen.

Es würde ja nur zum Selbstmord werden, wenn die Weitergabe der Daten auffliegen und somit nachweisbar würde.
Es wäre hirnrissig als Unternehmen wie Huawei, so etwas verheimlichen zu wollen oder das zu versuchen. Das wäre gar nicht möglich, es würde sehr schnell aufgedeckt werden. Warum sollten wir dies als Wirtschaftsunternehmen tun? Glauben Sie, dass uns jemand unseren derzeitigen Umsatz von etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr geben würde, um einen Zugang zu Daten zu bekommen? Das ist lächerlich.

Was bleibt Ihnen nun, um sich aus dieser Affäre zu ziehen?
Wir sind dazu bereit, entsprechende No-Spy-Erklärungen zu unterzeichnen und wir werden weiter sehr transparent sein und unsere Technologien von Kunden und Sicherheitsbehörden intensiv testen und prüfen zu lassen. Und selbstverständlich wie in den letzten 30 Jahren, Technologie liefern, die tagtäglich sicher und verlässlich arbeitet.

Merkt man die öffentliche Debatte eigentlich im Geschäft?
Nein.

Woran machen sie das genau fest?
In den ersten zwei Monaten 2019 ist unser globaler Umsatz um 36 Prozent gewachsen – verglichen mit dem Vorjahr. Auch in Deutschland ist er gestiegen.

Wie sichern Sie dieses Wachstum für die Zukunft?
Unsere großen Industriepartner und auch der BDI haben sich für uns ausgesprochen. In den letzten Monaten waren auch mehrere große deutsche Unternehmen bei uns in der Firmenzentrale vor Ort. Ich gehe davon aus, dass wir weiterhin mit vielen Unternehmen konstruktiv zusammenarbeiten werden.

Zum Abschluss: Wie wird sich die Debatte nun entwickeln?
Natürlich wird es weiterhin Diskussionen geben. Ich hoffe, dass diese nun auch weiterhin konstruktiv geführt werden. Wie die Debatte allerdings von der anderen Seite des großen Teichs aus weitergeht, kann ich ehrlicherweise überhaupt nicht einschätzen.

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