Initiative für mehr Medienkompetenz Idötzchen gegen Fake-News

Während die Politik Geldbußen verhängen will, Konzerne wie Facebook massiv investieren, probt eine Berliner Grundschule ein anderes Modell: Medienkompetenz gegen die dunklen Seiten des Netzes.

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Facebook-Managerin Sandberg mit Berliner Grundschülern: Medienwissenschaftler fordern, das Thema digitale Bildung nicht allein Konzernen wie Facebook zu überlassen. Quelle: obs

Berlin Normalerweise lernen Grundschulkinder ABC und Einmaleins. Auch in der Berliner Franz-Marc-Grundschule ist das so. Aber hier kommt bald noch eine weitere Ausbildung hinzu. Zum Auftakt von „DigiBitS – Digitale Bildung trifft Schule“ startet der Verein Deutschland sicher im Netz (DsiN) ein Angebot für digitale Bildung im Schulunterricht. Die erste Materialbox übergab DsiN-Geschäftsführer Michael Littger nun am Dienstag an der Berliner Grundschule. Angebote wie diese sollen helfen, auch digitale Kompetenzen auf den Lehrplan zu bringen.

Die Zeit drängt: Wohl kein Thema wird in den sozialen Netzwerken so kontrovers diskutiert, wie Fake-News und Hatespeech. Auf Podien, in Parlamenten und Expertenrunden wird darüber debattiert, wie man diesen dunklen Seiten der grenzenlosen Kommunikation und reichweitenstarker Redefreiheit begegnen sollte. Die Politik setzt auf das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, dass soziale Netzwerke unter Androhung von Strafen verpflichten soll, schneller auf strafbare Inhalte zu reagieren. Konzerne wie Facebook verstärken ihre Löschtrupps, fördern mit Millionenbeitragen Forschungsinitiativen für mehr Medienkompetenz und verbannen tausendfach Spam-Profile von ihren Plattformen. Doch wird das reichen?

Der Druck auf Politik und Unternehmen ist hoch: Eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen kam im Juni zu dem Ergebnis, dass eine breite Mehrheit in Deutschland die neuen Gesetze gegen gezielte Falschnachrichten befürwortet. Eine klare Mehrheit der Befragten hielt die sogenannten Fake-News sogar für demokratiegefährdend.

US-Wissenschaftler fanden zudem unlängst heraus: Moral und Emotion fördern die Reichweite von Posts in sozialen Netzwerken. Politische Beiträge auf Facebook, Twitter und Co. könnten den Verlauf von historischen Ereignissen beeinflusst haben, wie zum Beispiel die vergangene US-Wahl oder aber den Arabischen Frühling, erklärten die Wissenschaftler. Es sei deshalb wichtig zu verstehen, warum sich gewisse Nachrichten besonders stark verbreiten. Soweit die Theorie und Forschung, doch wie genau hilft es den Nutzern, einzuordnen, wer was wieso schreibt?

DsiN will nun mit einem breiten Bildungs- und Informationsangebot genau da ansetzen – nicht für ein einzelnes Fach, sondern für ein breites Spektrum von Themen, erklärt DsiN-Geschäftsführer Littger: „Wir geben jedem Fachlehrer Informationen für seine Schülerinnen und Schüler an die Hand, wie beispielsweise valide Informationen im Netz gefunden und Quellen auf Glaubwürdigkeit geprüft werden können.“ Das bedeute zum Beispiel sich im Deutschunterricht anzuschauen, wie Sprache in Falschnachrichten funktioniere, im Ethik-Unterricht, wie sich eine Absicht hinter einem Text identifizieren lasse, so Littger: „Die Qualifikation ist das beste Mittel, um Bürger gegen gefälschte Informationen wehrhaft zu machen.“


Schon die Jüngsten brauchen Medienkompetenz

Auch Medienpsychologin Astrid Carolus hält derartige Maßnahmen schon in frühester Schulzeit für wichtig: „Medienkompetenz ist ein angestaubtes Wort, dabei ist sie so wichtig wie vielleicht noch nie: Medieninhalte und die Geräte auf denen wir sie konsumieren, begleiten uns dank Smartphone den ganzen Tag - und das ist auch bei vielen Kindern mittlerweile so.“ Es sei wichtig schon dort anzusetzen und Kindern auch beizubringen, wie Rezeption aber auch Teilhabe in sozialen Medien funktioniere.

Der Verein reagiert auf die Forderungen der Kultusministerkonferenz und die neuen Bildungspläne der Bundesländer, die Lehrkräfte der Grund- und Oberschulen ab dem Schuljahr 2017/18 dazu verpflichten, in ihrem Fachunterricht digitale Grundkompetenzen zu vermitteln, erklärt Littger: „Das Problem ist allerdings, dass es dafür wenig Materialien gibt. Genau da wollen wir ansetzen.“ Das Projekt starte nun erst einmal an ausgewählten Schulen in Berlin und Brandenburg. Ähnliche Initiativen stellt der Verein bereits für Berufsschulen bundesweit bereit. Medienpsychologin Carolus begrüßt die Initiative, auch weil Lehrer oft mit dem Thema allein gelassen würden: „Es kann nicht sein, dass alle darüber reden, dann aber Lehrer sich selbst alles erarbeiten müssen. “

Mit der Initiative ist DsiN nicht allein: Im Mai stellten die Vereine Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung, Google Deutschland und der Amadeu Antonio Stiftung das Material „Meinung im Netz gestalten“ vor, die ebenfalls die Vermittlung von Medienkompetenz von Schulen in den Fokus nimmt.

Der der Fake-News-Enttarner Mimikama hat für das österreichische Bildungsministerium ein Konzept entwickelt. In verschiedenen Youtube-Clips werden Fragen wie „Wie entdecke ich Falschnachrichten“ oder „Wie begegne ich Cybermobbing“ behandelt, erklärt Mimikama-Sprecher Andre Wolf: „Es ist bei all diesen Initiativen extrem wichtig, Vermittlungsformen zu finden, die Schüler ansprechen und Plattformen zu wählen, die zu ihnen passen.“ Youtube sei der richtige Weg dazu.

Das Problem: Zwar forderten alle, dass mehr unternommen werde, die Unterstützung für derartige Inhalte sei allerdings gering, so Wolf: „Jeder will sie haben, nur keiner will zahlen.“ Projektpartner der DsIN-Initiative sind Avira, Facebook und Huawei.

Viele Konzerne unterstützen derartige Initiativen, erklärt Wolf: „Das ist per se nicht schlecht, muss aber mit einer klaren Supervision verbunden sein.“ Auch Medienpsychologin Carolus hält das Engagement generell nicht für schlecht, bleibt aber skeptisch: „Wir müssen uns immer die Frage stellen, ob wir die Qualifikation und digitale Bildung Konzernen überlassen wollen oder ob die Politik in den gesamten Bereich investieren müsste.“

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