Instant Articles „Facebook wird eine extrem mächtige Nachrichtenplattform“

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„Der Newsfeed-Algorithmus übernimmt redaktionelle Entscheidungen“

Glauben Sie, dass diese Liaison den Journalismus nachhaltig verändert?

Wir sehen jetzt schon in den USA, dass die Netzwerkabhängigkeit den Journalismus sehr nachhaltig verändert, man denke an die in den USA schon extrem erfolgreichen Viral-Angebote wie zum Beispiel Buzzfeed oder auch die Huffington Post. Diese Deformation des Journalismus – die „Viralität“ und Netzwerktauglichkeit der Angebote ist wichtiger als die journalistisch-gesellschaftliche Bedeutung der Inhalte – wird „Instant Articles“ noch beschleunigen.

Umsätze der größten Medienkonzerne der Welt

Was sind die Konsequenzen dieser Entwicklung?

Die eigene, zumeist noch nach redaktionell-journalistischen Kriterien gestaltete Website einer Redaktion wird immer unbedeutender. Quasi-redaktionelle Entscheidungen über die Priorität und die Nutzer-Relevanz von Nachrichten, die bisher bei den Redakteuren lag, wird hingegen mehr und mehr von Facebooks Newsfeed-Algorithmus übernommen.

Damit kann Facebook den Zugang zu Nachrichten lenken und faktisch manipulieren. Da werden kommerzielle und vielleicht auch andere für Facebook nützliche Erwägungen wohl eine stärkere Rolle spielen als journalistische Kriterien, schon gar nicht das Kriterium der publizistischen Vielfalt. Andy Mitchell, Facebooks Chef für die Medienkooperationen, betont stets, Facebook werde nur das in den Newsfeed ausspielen, was für den individuellen Nutzer spezifisch relevant und interessant ist und seine Nutzer-Erfahrung auf Facebook verbessere.

Das heißt konkret?

Facebook kontrolliert allein, was das ist. Um publizistische Vielfalt wird es dabei nicht gehen. Dies könnte auf Dauer verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, denn nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts ist die Gewährleistung publizistischer Vielfalt eine Grundbedingung der Presse- und Medienfreiheit in Deutschland, die unbedingt zu gewährleisten ist.

Mit Bild.de nimmt auch ein Springer-Medium an der Kooperation teil. Der Springer-Verlag lag monatelang mit Google im Clinch, weil der Suchriese für seinen Nachrichten-Dienst Google News Inhalte des Verlags nutzte. Nun kooperiert Bild.de mit Facebook – wie passt das zusammen?

Springer wirft Google vor, dass es seine monopolistische Marktmacht bei den Suchmaschinen ausnutzt und die Verlage ausbeutet, indem rechtlich geschützte Inhalte kostenlos in die Trefferlisten übernommen werden - oder aber gar nicht. Darin sieht Axel Springer eine missbräuchliche monopolistische Erpressung. Bei den Instant-Articles-Deals von Facebook ist der Unterschied: Die Werbevermarktungseinnahmen bleiben ganz oder weitgehend beim Springer-Verlag. Das ist eine auch für die Verlage lukrative Marktbeziehung, bei der sich die Verlage ganz offensichtlich freiwillig auf die Bedingungen von Facebook einlassen.

Beim Journalismus geht es letztendlich vor allem um die Rezipienten. Was erwartet sie durch „Instant Articles“?

Für die Rezipienten ist der zentrale Vorteil, dass die Ladezeiten verringert werden – und damit das Lese- und Nutzererlebnis angenehmer wird.

Es könnte künftig allerdings auch Nachteile geben, wenn wir uns einmal nicht nur als digitale User betrachten, sondern als Bürger einer demokratischen Gesellschaft. Das journalistische System wie wir es kennen, bietet publizistische Vielfalt. Wenn die Nachrichtennutzung bei sehr vielen Bürgern von einem einzigen Akteur abhängen sollte – in diesem Fall von Facebook – kann dieser Akteur die Wahrnehmung von Nachrichten im eigenen Interesse lenken. Das wäre dann nicht im Sinne der Pressefreiheit.

Niklas Dummer studiert am Institut für Journalistik der TU Dortmund und volontiert im Rahmen seines Studiums bei WirtschaftsWoche Online.

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