Mit dem Zweiten sieht man besser – den Werbespruch des ZDF kennt jeder, oft ist er auch schon persifliert worden. Für die Wahl des neuen Intendanten, die am Freitag in Mainz über die Bühne gehen soll, bekommt er nun eine neue und ungeahnte Bedeutung – es könnte am Ende auch heißen: „Mit der Zweiten sieht man besser“.
Denn anders als es noch vor einigen Wochen aussah, hat der Fernsehrat des öffentlich-rechtlichen Senders nun tatsächlich die Auswahl zwischen zwei Kandidaten. Nachdem der langjährige ZDF-Vormann Thomas Bellut im März seinen Rückzug für das kommende Frühjahr angekündigt hatte, sahen Beobachter vor allem einen internen Kandidaten als Favoriten für die Nachfolge: Norbert Himmler, seit 2012 der erfolgreiche Programmchef des ZDF.
Beim Sender hat es eine gewisse Tradition, dass dieser Posten eine Art Sprungbrett für höhere Weihen ist; auch Noch-Chef Bellut machte den Job, ehe er zum Intendanten aufstieg. Das gleiche galt auch schon für den Bellut-Vorgänger Markus Schächter. Doch wer darauf setzte, dass die Thronfolge damit praktisch geklärt sein dürfte, sah sich getäuscht. Im Fernsehrat gibt es im Prinzip noch immer zwei parteipolitische Lager, die unter dem Label „Freundeskreise“ firmieren. Gilt Himmler als Favorit der CDU-Fraktion, zauberte der SPD-nahe Freundeskreis zur Überraschung vieler Tina Hassel als Kandidatin aus dem Hut.
Damit haben die Fernsehratsmitglieder nun eine echte Alternative zur Wahl: Hassel kommt von der anderen Seite, sie hat ihre komplette Karriere beim WDR verbracht, vom Volontariat über diverse Korrespondentenposten wie etwa in Washington. Aktuell leitet sie das Hauptstadtstudio der ARD in Berlin, viele Fernsehzuschauer kennen ihr Gesicht aus der „Tagesschau“. Seit sie mit einigen unglücklichen Tweets auffiel, gilt sie vielen als Sympathisantin einer möglichen rot-grünen Bundesregierung, ihre Nominierung durch den SPD-nahen Freundeskreis scheint das zu belegen.
Ob sie allerdings mit ihrer offenbar durchaus gelungenen Präsentation vor dem Fernsehrat tatsächlich zum Zuge kommt, ist offen. Denn Himmler wird von vielen Seiten bescheinigt, an der Seite des stets betont unaufgeregten Thomas Bellut einen guten Job gemacht zu haben.
Das ZDF rangiert unter allen Sendern in Deutschland an der Spitze und ist seit Jahren Marktführer. Das gelang dem Duo, weil es ohne größere Berührungsängste mit dem Populären agiert: Schlagerstar Helene Fischer hat im Programm ihre Heimat, dazu schippert das „Traumschiff“ mit Florian Silbereisen um die Welt, es hagelt Krimis im Dutzend, dazu kommen zudem mit der „Heute-Journal“, Talkshows mit Lanz und Illner und „Terra X“-Dokus auch gut verpackte Informations- und Dokumentationsformate. Nicht zuletzt mit bei vielen Zuschauern beliebten Sendungen wie der „Heute Show“, vor allem aber mit dem stets unberechenbaren Jan Böhmermann etablierte Himmler das Zweite auch auf der mentalen Landkarte jüngerer Zuschauer.
Vieles spricht daher dafür, dass auch die Fernsehräte hier auf Kontinuität setzen – eine Journalistin oder einen Journalisten hatte der Sender noch nie an der Spitze, geschweige denn jemanden „von außen“.
Sollte Tina Hassel daher am Ende nicht das Rennen machen, könnte sich allein die Nominierung für sie dennoch bezahlt machen. Denn sie setzte mit ihrem Antreten in Mainz das Signal, sich für Führungspositionen berufen zu fühlen.
Nicht ausgeschlossen bis zum Schluss bleibt allerdings auch eine Überraschung: Auch noch kurz vor der Abstimmung könnten Mitglieder des Fernsehrates einen weiteren Kandidaten oder eine Kandidatin aus dem Hut zaubern. Ob das allerdings mehr ist als ein Cliffhanger, wird sich dann in der Sitzung zeigen.
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