Karrierenetze Wie sich Xing gegen Facebook und LinkedIn behauptet

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Freiräume für Querdenker

Seit der Gründung im Jahr 2003, damals noch als Open BC für „offener Business Club“, schafft es das Netzwerk, die US-Konkurrenz auf Abstand zu halten. Daran änderte der Einstieg von LinkedIn in den deutschen Markt vor acht Jahren nichts: Xing hat mit 13 Millionen Mitgliedern einen Vorsprung von drei Millionen vor den Amerikanern – und die Zahl seiner Nutzer in den vergangenen vier Jahren verdoppelt.

Umsatz von Xing von 2009-2016 nach Regionen

Das Unternehmen, einst vom deutschen Digitalunternehmer und Investor Lars Hinrichs gegründet, wächst einzig und allein mit dem Fokus auf die deutschsprachige Nische. Es ist die Antithese zum häufig propagierten Modell, dass der Erfolg in der digitalen Welt nicht ohne die schnelle weltweite Expansion möglich sei. Indem sich das Netzwerk immer wieder neu erfunden und so neue Erlösquellen erschlossen hat, lieferte es das Gegenstück zum Plattform-Kapitalismus.

Angefangen hat alles mit dem Karrierenetzwerk: Gegen eine zusätzliche Gebühr gibt es für Premiummitglieder bessere Suchfunktionen – und Xing nutzt die steigende Zahl seiner Nutzer zugleich als Argument, um für die auf den Seiten platzierten Anzeigen Geld zu verlangen. Dann kam die Entwicklung eigener Software für Personaler dazu, die das Unternehmen verkauft. Und schließlich baut es die gezielte Analyse der erfassten Daten aus. So schöpft Xing das komplette Spektrum des digitalen Geschäfts aus – und seiner eigenen Innovationskraft.

Einer derjenigen, die jene Kreativität nutzen, die in den kleinen Einheiten steckt, ist Jost Schatzmann. Mit seinem elfköpfigen Team baut er digitale Werkzeuge, die Unternehmen helfen sollen, neue Talente an Bord zu holen – ohne dass die Kosten in die Höhe schießen. E-Recruiting heißt diese Sparte. Eine der neun Einheiten, in die Vollmoeller das Unternehmen zerlegt hat.

So erkennen Sie Fake-Profile bei LinkedIn und Co.

Wie alle 150 Mitarbeiter dieser Sparte sitzt auch Schatzmanns Team nicht in der Zentrale, sondern in einem Gebäude um die Ecke, ein paar Gehminuten entfernt. „Wir genießen hier viel Freiraum“, sagt er. Eines der Angebote, das sein Team ersonnen hat, soll den Bewerberpool für Xings Kunden managen: Wenn ein Unternehmen aktuell keine passende Stelle für einen guten Bewerber hat, kann er dieses Profil in den Talentpool aufnehmen – und dann gezielt ansprechen, sobald eine geeignete Position frei wird. Weil sie von Firmenchef Vollmoeller an der langen Leine gelassen werden, kommt Schatzmann gar nicht erst ins Grübeln, wie seine Entscheidungen andere Sparten verärgern könnten. Und er fällt Entscheidungen zügiger.

Flauschige Fabelwesen

Von dem Tempo profitiert das gesamte Unternehmen. 2013, im Jahr nach der Mehrheitsübernahme durch die Konzernmutter Burda, wuchs der Xing-Umsatz um 16 Prozent. Heute sind es jährlich 21 Prozent – mit weiter steigender Tendenz. „Premiummitgliedschaften und Softwareerlöse sind viel berechenbarer als das Vermarktungsgeschäft“, sagt Burda-Vorstand und Xing-Aufsichtsratschef Stefan Winners. Lohn des Investments für Burda: Der Börsenwert hat sich seit der Übernahme versechsfacht.

Einhorn-Liga: Xing-Chef Thomas Vollmoeller hat die Bewertung des Business-Netzwerks über die magische Marke von einer Milliarde Euro gebracht.

Vom anhaltenden Erfolg kündet ein Einhorn an der Wand eines Besprechungsraums in der Xing-Zentrale. Das flauschige Fabelwesen hat Finanzchef Ingo Chu im August 2015 angeschafft. Damals knackte Xing den Börsenwert von einer Milliarde Euro.

Die Hamburger sind damit eines der wenigen jungen deutschen Unternehmen in der Unicorn-Liga von Start-ups mit einer Milliardenbewertung. Über diesen Status können sich derzeit in Deutschland gerade mal sieben Jungfirmen freuen. Dieses Kunststück, so zeigt sich Firmenchef Vollmoeller überzeugt, gelang nur, weil das deutsche Internetunternehmen noch etwas Entscheidendes anders macht als die US-Konkurrenz: „Wir sind ein Fünf-Trick-Pony“, sagt er in Anlehnung an Firmen wie Google oder Facebook, die Analysten als One-Trick-Pony bezeichnen – weil sie ihre Umsätze aus einer einzigen Quelle schöpfen: Werbung.

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