Karrierenetze Wie sich Xing gegen Facebook und LinkedIn behauptet

Der Theorie nach sollten Facebook, LinkedIn und Co. Xing längst platt gemacht haben. Doch das deutsche Karrierenetzwerk lebt – besser denn je. Heute ist Xing ein Lehrstück der deutschen Internetwirtschaft.

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Arbeit in kleinen Einheiten: Bei Xing hat auch der Chef nicht viel Platz.

Der Arbeitsplatz von Thomas Vollmoeller ist schwer zu finden. Er sieht genauso aus wie der aller anderen 600 Mitarbeiter in den Großraumbüros von Xing mitten in Hamburg. Einziges Indiz: ein Blatt Papier, das von der Stehlampe herunterbaumelt, darauf hat jemand mit einem Filzstift „CEO“ geschrieben.

„Ich brauche keine besonderen Vorstandsinsignien“, beteuert der Chef des Karrierenetzwerkes. Die Gestaltung seines Arbeitsplatzes deckt sich mit seiner Maxime beim Management: „Ich bin großer Fan kleiner Einheiten. Das schafft Raum für Innovationen.“ Seit seinem Einstieg vor fünf Jahren hat er das Unternehmen in nunmehr neun Einheiten aufgespaltet. „Dadurch sind wir deutlich agiler geworden.“

Xing ist eine Ausnahmeerscheinung in der deutschen Internetwirtschaft – und ein Lehrstück darüber, wie ein Unternehmen entgegen aller gängigen Regeln erfolgreich sein kann. Gerade in der Techwelt ist Größe alles: Ob Suchmaschine, Onlinehändler oder soziale Netzwerke – wer wachsen will, muss Land um Land erobern. Je mehr Menschen er für seinen Dienst begeistert, desto besser kennt er deren Bedürfnisse. Desto genauer kann er sein Angebot ausrichten – und lockt noch mehr Menschen. So lange, bis der Vorsprung gegenüber der Konkurrenz unüberwindbar wird. The winner takes it all.

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Aber offenbar gilt das nicht immer: Man kann das Gesetz durch Innovationen auch außer Kraft setzen. Xings Geschäftsmodell funktioniert gut, und es ist sehr erfolgreich. In den ersten neun Monaten dieses Jahres konnte das Unternehmen aus Hamburg, das TecDax-Mitglied ist, 1,5 Millionen neue Mitglieder anwerben. So viele waren es in diesem Zeitraum in den 14 Jahren seit der Gründung noch nie gewesen.

US-Konkurrenz mit Starinvestoren

Dabei ist die Liste der Leichen der deutschen Internetszene lang und gespickt mit klangvollen Namen: Das soziale Netzwerk Studi VZ, hierzulande einst führend, lehnte ein Übernahmeangebot des US-Rivalen Facebook ab – um danach von ihm platt gewalzt zu werden. Ähnlich erging es dem von Ebay verdrängten Onlineauktionshaus Ricardo oder der von Google niedergerungenen Nachrichtensuchmaschine Paperball – sie sind entweder komplett abgeschaltet oder fristen ein Schattendasein.

LinkedIn heißt der übermächtig erscheinende amerikanische Xing-Konkurrent. Er wurde von Männern wie Reid Hoffman, Mitglied der PayPal-Mafia, mit groß gezogen: So heißt der Zirkel rund um all jene, die mit Tesla-Erfinder Elon Musk und Facebook-Investor Peter Thiel den Bezahldienst einst aufbauten, bei dem Ausstieg unglaublich reich wurden – und danach immer weiter neue erfolgreiche Techunternehmen gründeten. Heute ist Hoffman einer der mächtigsten Investoren im Silicon Valley. Er gilt als Einflüsterer der Techmacher in Kalifornien. Was Hofmann Gründern rät, tippen die sich sofort in ihr Laptop.

Hinzu kommt die schiere Finanzkraft der Amerikaner: LinkedIn wurde vollgepumpt mit Geld des Risikokapitalgebers Andreessen Horowitz, der schon den Telefondienst Skype und die Übernachtungsplattform Airbnb groß gemacht hat. Der sammelt jedes Jahr im Schnitt knapp eine Milliarde Dollar bei Investoren ein. Xing hingegen hat mit Burda ein traditionelles deutsches Medienhaus als Mehrheitsaktionär an Bord, dessen gesamter Jahresumsatz gerade mal bei 2,26 Milliarden Euro liegt. LinkedIn ist heute in mehr als 200 Ländern präsent, seit Mitte 2016 Teil des Technologiekonzerns Microsoft. Und so blickte Vollmoeller, zuvor Chef des Schweizer Handelskonzerns Valora, in erstaunte Gesichter seiner Bekannten, als er bei Xing anheuerte. „Die meinten, Xing sei doch in spätestens zwei Jahren weg vom Fenster“, erzählt der 57-Jährige.

Innovation, das lehrt die Geschichte von Xing, braucht nicht nur kleine Einheiten. Sie braucht auch den Mut, sich voll und ganz auf diese Einheiten zu konzentrieren – und eine einmal gefasste Strategie der ständigen Runderneuerung konsequent durchzuhalten.

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