Karrierenetzwerke „LinkedIn hat eine etwas andere Strategie“

LinkedIn ist im deutschsprachigen Raum stark gewachsen. Alexandra Kolleth, Mitglied der LinkedIn-Geschäftsleitung, spricht im Interview über die Vorteile von Business-Netzwerken, zielgruppenspezifische Werbung, den Big-Data-Ansatz des Unternehmens und den Wettbewerb mit Xing.

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So vernetzen Sie sich richtig
Spielfiguren sind durch bunte Fäden zu einem Netz verbunden Quelle: Fotolia
Eine Frau betreibt über ihren Laptop eine Recherche Quelle: Fotolia
Dartpfeil steckt in einer Dartscheibe Quelle: Fotolia
zwei Aufzüge Quelle: Fotolia
Zwei Personen stehen sich an einem Tisch gegenüber Quelle: Fotolia
Eine Frau hält die Hand ans Ohr Quelle: Fotolia
Zwei Frauen lassen sich rückwärts in die Arme von einem Partner fallen Quelle: Fotolia

LinkedIn hat Donnerstagnacht nach deutscher Zeit, kurz nach Facebook und Twitter, als dritter und letzter großer Internet-Konzern aus dem Silicon Valley überraschend gute Zahlen für das erste Quartal vorgelegt. Die Zahl der Mitglieder weltweit stieg in einem Jahr von 364 auf 433 Millionen; der Umsatz legte im Vergleich zum ersten Quartal 2015 von 638 auf 861 Millionen Dollar zu. Der Gewinn je Aktie stieg um 37 Prozent auf 99,4 Millionen Dollar oder 0,74 Dollar je Aktie. Analysten hatten mit einem Rückgang auf 60 Cent je Aktie gerechnet.

WirtschaftsWoche: Frau Kolleth, wie viel konnten Sie von Deutschland aus zu den guten Zahlen beitragen?
Kolleth: Wir sind mit dem Geschäftsverlauf im deutschsprachigen Raum, also in Deutschland, Österreich und Schweiz, sehr zufrieden. Wir konnten die Zahl unserer Mitglieder hier seit Anfang 2015 um zwei Millionen Menschen auf insgesamt acht Millionen steigern.

Alexandra Kolleth ist Mitglied der Geschäftsleitung LinkedIn Deutschland, Österreich, Schweiz. Quelle: PR

Anders als in den USA, Großbritannien oder Frankreich haben Sie hier zu Lande einen starken Konkurrenten. Xing hat noch rund eine Million mehr Mitglieder. Wie stark hindert Xing Sie am Wachstum?
Der Markt ist groß genug. Wir schätzen das Marktpotenzial auf insgesamt 25 Millionen Fach- und Führungskräfte in den drei Ländern, da sind wir noch lange nicht, wenn wir die Userzahlen beider Unternehmen zusammenzählen. Viel wichtiger ist: Wir wachsen mindestens genauso schnell wie der Wettbewerb und holen auf.

Wie genau definieren Sie dieses Marktpotenzial? Dass man auf Linkedin oder Xing sein sollte, wenn man einen neuen Job sucht, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, aber das dürften ja kaum 25 Millionen Menschen sein…
Natürlich nicht; wir sprechen ja nicht nur aktiv Jobsuchende an, deren Lebensläufe bei uns von Headhuntern gefunden und ausgewertet werden können, sondern alle Fach- und Führungskräfte. Sprich alle, die beruflich in ihrem Fachgebiet auf dem Laufenden bleiben wollen. Die überwiegende Mehrzahl unserer Mitglieder bewirbt sich nicht, sondern tauscht sich in Fachgruppen aus, nutzt unser Online-Weiterbildungsangebot, liest die Artikel und Postings von anderen Mitgliedern aus ihrer Branche auf unserem Nachrichtenkanal Pulse, oder schaut nach, welche Qualifikationen in der eigenen Branche und dem Heimatmarkt gerade benötigt werden. Und natürlich der Klassiker: Man sieht, wer in der Branche wen kennt, und nutzt LinkedIn zur beruflichen Kontaktanbahnung.

Wer wird sich auf die lange Frist durchsetzen, LinkedIn oder Xing?
Wer beruflich ein eher globales Netzwerk braucht und in seiner Arbeit auf internationale Kontakte angewiesen ist, ist in der Regel bei uns. Wir haben weltweit mehr als 400 Millionen Mitglieder, während Xing mit knapp zehn Millionen fast ausschließlich in Deutschland relevant ist. Bestimmte Branchen, die eine globale Workforce haben, sind daher ebenfalls mehr auf LinkedIn vertreten.

So erkennen Sie Fake-Profile bei LinkedIn und Co.

Zum Beispiel?
IT und Telekom, aber auch die Finanzbranche und die Automobilindustrie sowie Marketing und Werbung. Dann die gesamte Startup-Szene und deren Zielgruppe, also Venture Capital. Aber auch die Industrie ist stark überproportional bei uns vertreten. 29 von 30 Dax Unternehmen nutzen unsere Profi-Tools im Personalwesen.

In welchen deutschen Unternehmen haben Sie die meisten Mitglieder?
Siemens, mit fast 180.000 weltweit, gefolgt von VW, Telekom, Deutscher Bank und Bosch.

Also den Mittelstand müssen Sie erst noch erobern?
Das kann man so nicht sagen; auch Mittelständler mit viel Exportgeschäft wie Hager oder Zeiss sind stark vertreten. 55 Prozent aller unserer Mitglieder im deutschsprachigen Raum arbeiten in kleinen oder mittelgroßen Unternehmen.

Keine Angst vor Facebook

In welchen Branchen sind sie schwach und wo sehen Sie noch das größte Potenzial?
Da habe ich keine spezifische Branche identifiziert. Es gibt aber Branchen, die eher schnell technische Neuerungen aufgreifen, und die Internet-affin sind, wie die Telekommunikations- oder die Finanzbranche, und andere, die sind es weniger. Die Erfahrung in reiferen Märkten wie den USA zeigt aber, dass diese mit Verzögerung auch auf LinkedIn aktiv werden.

Zwei Drittel ihres Umsatzes stammen aus dem Recruiting-Geschäft, also von Kunden aus dem Personalbereich. Warum vermarkten Sie ihre Premium-Mitgliedschaft nicht stärker, wie es der direkte Konkurrent tut? Personalnachfrage und -fluktuation sind sehr schwankungsanfällig, damit könnten Sie sich breiter aufstellen…
Wir haben eine etwas andere Strategie. Wir möchten, dass Privatkunden auch in der kostenlosen Version weiterhin fast alle Funktionen nutzen können. Unser Businessmodell basiert auf einem Big-Data-Ansatz und Lösungen für Geschäftskunden, und der funktioniert umso besser, je mehr Mitglieder wir haben.

Zum Beispiel?
Nehmen wir unsere kostenpflichtige Sales-Lösung: Vertriebler können hier sehen, wer wen kennt und wie sie an ihre Zielpersonen über Zwischenkontakte herankommen können. Aber auch: welche Themen treiben die Zielgruppe gerade um? Mit welchen Herausforderungen, welchen Problemen kämpft die Firma X gerade? Welcher Konkurrenz hat außer mir eine mögliche Lösung für diese Probleme im Angebot? Durch die Daten können wir außerdem zielgruppenspezifische und genau getimte Werbung schalten.

Gibt es auch hier ein Beispiel? Datenanalyse für Werbung?
Ja, ein ganz aktuelles: Mercedes-Benz hatte sich lange den Kopf darüber zerbrochen, wann ein potenzieller Kunde gerade gut ansprechbar für eine Autowerbung sein könnte, und wann besser nicht. Denn Werbung kann ja auch nerven, wie wir alle wissen. Also haben wir aus unseren Daten Kunden identifiziert, die gerade befördert worden waren. Oft gönnt man sich zu diesem Anlass ja etwas, oder man wird ohnehin mit einem Dienstwagen beglückt. Je nach Branche, Berufsjahren und Hierarchiestufe hat Daimler dann entweder die A, C oder die S-Klasse beworben.

Interessant. Aber sicher gibt es auch Kunden, die das gar nicht wollen.
Wir setzen Werbung, die für die Mitglieder sichtbar ist, sehr dezent und sporadisch ein. Das ist ja gerade der Vorteil von so genauer Zielgruppen-Steuerung, dass wir niemanden zuballern.

Haben Sie eigentlich Angst vor Facebook?
Wieso?

Der Riese soll an einem eigenen beruflichen Plattform schrauben, Arbeitstitel Facebook @work.
Davon haben wir gehört, aber Angst macht uns das nicht. Auch Facebook kann seine Mitglieder nicht mal eben dazu bringen, so viele berufliche Daten zu hinterlegen, wie sie das bei uns tun. Unser Datensatz ist sehr viel wahrheitsgetreuer und genauer als bei anderen Sozialen Medien, wo die Menschen teils Fantasienamen und Witzbilder im Profil haben und auch sonst nicht viel von den Angaben stimmt. In einem rein beruflichen Netz tut das niemand, das würde auf ihn zurückfallen.

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